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![]() Leseprobe aus »Feuer und Flamme« von Olivér Meiser
Kirito konnte seine Neugierde nicht mehr bezähmen. Leise verließ er sein Lager. Was mochte dort droben am Berg geschehen sein? Gestern Abend gingen während eines Gewitters gewaltige Blitze nieder. Danach flammte die nahe Bergkuppe rot auf und flackerte unheimlich die ganze Nacht lang. Mit großer Furcht hatten es auch die anderen aus Kiritos Sippe von der Höhle aus angesehen. Jetzt, am frühen Morgen, wollte sich Kirito auf den Weg machen, um das Geheimnis des Bergs zu erkunden. ![]() Während Kirito den Berg erklomm, erwog er mehrere Male eine Umkehr. Was, wenn das Flackernde ein unbekanntes, riesiges himmlisches Wesen war, das ihn töten würde? Doch Kiritos Wissensdurst siegte schließlich über alle Bedenken. Bald schon erreichte er die Stelle, die er am Vorabend beobachtet und sich gemerkt hatte. Es roch ungewöhnlich scharf überall. Auch war da gar kein Wald mehr, stattdessen bedeckte graues, staubiges Pulver den Boden. Wo noch vereinzelt Bäume standen, zeigten sich diese seltsam schwarz und ragten wie die dürre Hand eines Skeletts in den Himmel. Kirito wunderte sich, dass der eigenartige Boden immer wärmer wurde, als ob es bereits Nachmittag wäre und die Sonne den ganzen Tag lang geschienen hätte. Als er noch ein paar Schritte weiterging, schrie Kirito auf. Seine Fußsohlen schmerzten und schnell lief er dorthin zurück, wo der Untergrund erträglich war. Nach kurzem Zögern kniete Kirito in dem warmen Staub, beugte sich vornüber und hielt auch Handflächen und Unterarme hinein. Eine wohlige, niemals gekannte Wärme durch-drang nach und nach seinen Körper. Aber auch ein eigenartiger Duft zog in Kiritos Nase, der ihm, ohne dass er wusste weshalb, wahren Heißhunger bereitete. Forschend, woher dieser Duft kam, stieß Kirito auf einen Klumpen Fleisch, der seltsam verkrustet war. Er konnte erkennen, dass es ein Wildschwein gewesen sein musste. Zögernd näherte sich Kirito. Hier war der Boden wieder so heiß, dass er von einem Fuß auf den anderen hüpfte, während er aus seinem Beutel den Faustkeil zog und ein Stück von dem Fleisch abtrennte. Vorsichtig prüfte Kirito es, drehte und wendete es in seiner Hand. Schließlich leckte er daran. Kiritos Misstrauen schwand zwar nicht ganz, aber da er an diesem Morgen noch nichts gegessen hatte, biss er schließlich in das verkrustete Fleisch hinein. Es schmeckte so köstlich, wie Kirito noch nie im Leben eines gekostet hatte. Es war warm, saftig und ohne Mühe zu kauen. Ob dies von dem Flackernden verursacht wurde, das in der Nacht zuvor rot geleuchtet und scheinbar den Wald gefressen hatte? Kirito überlegte, ob er das Fleisch für seine Sippe mitnehmen sollte, doch dann beschloss er, zuerst seinen eigenen Hunger zu stillen. Würde er nämlich das leckere Fleisch zur Höhle bringen, nahm sich Wanto wieder die größten und besten Stücke. So wie jedes Mal, wenn die Männer von der Jagd kamen und ein erbeutetes Tier nach Hause brachten. Kirito fand das ungerecht, weil Wanto beim Erlegen der Tiere oft gar nicht dabei war. Nachdem Kirito sich satt gegessen hatte, schaute er sich weiter um und fand einen Ast, an dessen einem Ende ein kleines, rotes Zünglein leckte. Er versuchte, mit der Hand danach zu greifen, doch es tat empfindlich weh. Kirito untersuchte deshalb die Beschaffenheit des Astes mit seinem Speer. Als er eine Zeit lang daran herumgestochert hatte, sprang mit einem Mal das flackernde Rote auch auf den Schaft seines Speeres. Staunend hielt Kirito diesen weiter in der Hand, ohne dass ihm, wie erwartet, Unheil widerfuhr. Wieder spürte er wohlige Wärme. Was, wenn er dieses wunderbare, wärmende Holz mit in die Höhle zu seiner Sippe nahm? Vielleicht ließ sich das Wärmende mit anderen Hölzern füttern, sodass es niemals mehr erstarb. Wenn man den rechten Abstand hielt, konnte es alle wärmen und vielleicht sogar die ganze Höhle trockener und erträglicher machen! Möglicherweise würde es in ihrem Dunkel Helligkeit spenden, wo es doch in der vergangenen Nacht sogar den ganzen Berg erleuchtet hatte! Am Ende war die Nähe des Hellen, Roten, Flackernden und Wärmenden noch eine Medizin und machte Jara, die Frau seines Bruders Toto wieder gesund. Die lag blass und schwach in einem Winkel der Höhle und Toto weinte jeden Tag, da er sich bereits sicher war, dass sie den nächsten Voll-mond nicht mehr erleben würde. Kirito dachte daran, wie sehr sein Bruder das sanftmütige Mädchen mit den großen, dunklen Augen liebte und wie lange er jeden Tag bei ihr saß, um ihre Hand zu halten. Daher fasste er seinen ganzen Mut zusammen und nahm den großen, an seinem einen Ende glühenden Ast mit sich. Über-querte er Bäche, hielt er den Ast weit genug vom Wasser weg, denn irgendwie hatte er das Gefühl, dass es nicht gut war, ihn mit dem nassen Element in Berührung zu bringen. Kam hingegen eine Windböe auf, beobachtete Kirito, dass der Ast noch stärker aufglühte. Als Kirito zu seiner Höhle zurückkehrte, wichen ihm die anderen entsetzt aus. So etwas hatten sie noch nie so nah gesehen. Nur der Häuptling Wanto näherte sich, obgleich ebenfalls mit sichtbarem Unbehagen. Doch nachdem er Wärme spürte und merkte, dass in dieser Form von dem Unbekannten keine Gefahr ausging, entriss er Kirito sogleich den glühenden Ast und trug ihn in jenen Teil der Höhle, der allein ihm vorbehalten und vom Bereich der anderen durch einen großen Fellvorhang ... [Zurück zum Buch] |
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