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Leseprobe 3

ANTIQUERRA-SAGA
FEENSCHWUR

Angela Mackert
Roman / Fantasy

Selbstverlegt

ANTIQUERRA-SAGA: Band 2
Taschenbuch, 200 Seiten

Feb. 2016
Bestellen: Jetzt bestellen / auch als eBook erhältlich

Der mächtige Baum erhob sich mit seiner weit ausladenden Krone direkt am Wegkreuz vor dem Waldrand. Sein knorriger Stamm war so dick, dass es drei Männer gebraucht hätte, um ihn zu umfassen. Obwohl die Erde ringsum so ausgetrocknet war wie überall, leuchteten die Blätter der Eiche in einem saftigen Grün. Alena kam sich in ihrem Schatten fast so klein und geborgen vor wie als Kind. Mit ihren Eltern und Rosa war sie an kühleren Tagen oft hierher zur Kaisereiche gekommen. Das hatte eigentlich erst aufgehört, als die weltweite Krise auch Süddeutschland in die Knie zwang und somit auch ihre Stadt erreichte. Alenas Eltern hatten damals frühzeitig reagiert und umgehend begonnen, eine möglichst umfassende Selbst-versorgung aufzubauen. Das erforderte viel Planung und Kraft. Vor allem der Brunnen im Garten ― oder besser gesagt, das große Regenauffangbecken ― hatte viel Arbeit gemacht, da es tief ausgegraben und mit Beton ausgegossen werden musste. Ihr Vater hielt schon damals die öffentliche Wasser-versorgung für besonders störanfällig. Später blieb keine Zeit mehr für entspannende Ausflüge, und die Eiche geriet nach und nach in Vergessenheit. Trotzdem konnte Alena jetzt kaum begreifen, wie diese so ganz und gar aus ihren Gedanken verschwinden konnte.
Dafür kam jetzt die Erinnerung mit Macht wieder zurück. Alena trat auf den Baum zu und legte ihre Hand auf die raue Rinde des Stammes, so wie sie es als Kind gerne getan hatte. Es tat ihr gut. Sie konnte die Kraft dieser Eiche spüren, und das verwunderte sie nicht. Dieser Baum hatte schon so viele Zeiten überdauert, gute und schlechte. Auch die jetzige von Krisen geschüttelte Periode würde er sicherlich überstehen. Sie versuchte sich zu erinnern, was in den Sagenbüchern über diese Eiche erzählt wurde. Es gab Geschichten, die sich um diesen über fünfhundert Jahre alten Baum rankten. Aber sie erinnerte sich nur an Bruchstücke der Überlieferungen. Viel deutlicher konnte sie sich jetzt an die Erzählungen ihres Vaters entsinnen. Er hatte die Eiche stets auf eine ganz eigene Art geschildert. Bei ihm war sie nicht mit der Geschichte der Stadt vermischt wie in den Erzählungen der Alten. Vielmehr verwob er die Eiche in märchenhafte Legenden, die Alena mit allen Sinnen in eine zauberische Welt versetzten. Lange Zeit hatte Alena die Geschichten geglaubt, die ihr Vater erzählt hatte. Selbst heute, da sie sich wieder daran erinnerte, empfand sie noch so, als ob zumindest ein Körnchen Wahrheit darin stecken müsse. Seltsam, dass sie ausgerechnet heute an ihrem achtzehnten Geburtstag zu diesem zauberhaften Ort zurück-geführt wurde.
Alena ließ ihren Blick den oberen Waldweg hinauf-schweifen, der direkt an der Eiche begann. Die Schäden durch den letzten Orkan konnte sie noch deutlich erkennen. Die zerborstenen Stämme einiger Birken ragten aus dem Dickicht heraus. Im Gegensatz zum kraftvollen Grün der Eiche sah sie im ganzen Forst selbst bei den standhaft gebliebenen Bäumen nur trocken verfärbte Blätter. Der Waldboden sah aus wie im Herbst. Es hing mit dem ungewöhnlichen Klima zusammen, das dem Gehölz seinen Lebenssaft auspresste. Der untere Weg lag zwischen Wiese und Wald. Er führte an der Hedwigs-quelle vorbei bis hinunter zum Eberthof. Früher sah man hier ein wunderschönes Stück Natur, doch jetzt glich die Wiese vor der Eiche nur noch einem ausgemergelten Brocken Land. Ein paar kreisförmig zusammenstehende Flecken mit fruchtlosen Getreidehalmen und vereinzelte kraftlose Stängel Mais ragten einsam zwischen ausgelaugten Grasbüscheln empor. Vor Alenas geistigem Auge stieg ein Bild auf, in dem sich ihre Stadt in eine karge Wüste verwandelte. Schnell schob sie die be-drückende Vorstellung beiseite. Sie konzentrierte sich wieder auf die Eiche, deren Überlebenskraft sie jetzt umso bewundernswerter empfand. Der trotzige Baum überstand jede Witterung. Alena tastete mit ihren Fingern über die rissige, graubraune Borke des Stammes bis hinunter zu einer der dicken aus der Erde herausragenden Wurzeln.
Als sich Alena wieder aufrichtete, wurde ihre Aufmerk-samkeit auf einen verzweigten Ast gelenkt, der etwa zwei Meter über dem Boden hinter dem Stamm hervorschaute. Dort musste die Öffnung sein. Alena ging um den Baum herum, und kurz darauf stand sie vor dem Spalt, der sich links vor dem dicken Ast im Stamm gebildet hatte. Die Öffnung sah aus wie ein Tor, das ins Innere der Eiche führte und war der Dreh- und- Angelpunkt der Erzählungen ihres Vaters gewesen. Eigentlich handelte es sich ja nur um eine einzige Geschichte, doch so variantenreich abgewandelt, dass sie immer wieder neu geklungen hatte.
Die Zweige, die aus einem tief liegenden Astloch der Eiche herauswuchsen, verdeckten diesen Spalt, als wenn sie ihn schützen wollten. Alena bog sie etwas zur Seite und be-trachtete die Öffnung. Sie war breit genug, dass sie hätte hindurchklettern können, reichte vom Boden aus bis an ihre Brust. Die ganze Aushöhlung hatte die Form eines Ovals. Die Ränder der Öffnung erschienen wulstig und relativ glatt. Sie fuhr mit der Hand darüber und wagte dann einen Blick in das höhlenartige Innere. Es erschien ihr ziemlich düster, weil das Sonnenlicht durch das ausladende Blätterdach der Eiche nicht bis hierher reichte. Trotzdem konnte Alena erkennen, wie groß der Innenraum war. Vermutlich hätte sie aufrecht darin stehen können. Es kam ihr in den Sinn, wie die Eltern sie immer ganz ernst gewarnt hatten, wenn sie als kleines Mädchen durch diesen Spalt ins Innere der Eiche klettern wollte.
»Du darfst die Zaubereiche nur betreten, wenn du gerufen wirst«, klang Mutters weiche Stimme an ihrem Ohr. Sicher hatte sie nur Angst gehabt, dass ihr Kind sich da drinnen womöglich verletzte.
Immer mehr Visionen aus glücklichen Kindertagen stiegen auf, und Alena fühlte sich bald regelrecht von Gefühlen überschwemmt. Sie ließ die Zweige los, die sie immer noch zur Seite gedrückt hielt, und setzte sich neben der Öffnung im Baumstamm auf den Boden. Ihre Tasche legte sie neben sich ab. Dann lehnte sie sich mit geschlossenen Augen an die Eiche und ließ die Bilder der Erinnerung kommen und gehen. Um ihren Mund spielte ein glückliches Lächeln, als sie sich an immer neue Details früherer Episoden erinnerte. Doch mit den Gedanken an unbeschwerte Zeiten lösten sich gleichzeitig auch die tiefe Trauer und das Leid um den Tod ihrer Eltern. Nie hatte sie bisher richtig geweint, nicht einmal am Tag der Beerdigung. Immer hatte sie die Tränen unterdrückt. Jetzt quollen sie unter ihren geschlossenen Lidern hervor, ohne dass sie es verhindern konnte. Sie rannen ihre Wangen herab, und mit Verwunderung schmeckte Alena das salzige Nass, das sich in ihren Mundwinkeln sammelte. Sie war glücklich und sie litt, sie lachte und sie weinte, alles gleichzeitig. Die widersprüchlichen Empfindungen pressten ihr Herz schmerzhaft zusammen. Alena drückte ihren Rücken an den Stamm der Eiche, um sich mit ihr zu verbinden und ihre Kraft auf-zunehmen. Ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer Brust. Die Tränen versiegten und ihr Gesicht nahm einen entspannten, zufriedenen Ausdruck an.
»Danke«, sagte sie leise und meinte damit die Eiche.
Eigentlich hätte sie jetzt nach Hause gehen können, aber der Vorsatz, ein Abendessen vorzubereiten, berührte sie nur kurz. Rosa würde Verständnis haben, wenn sie ihr erzählte, wo sie gewesen war. Dann konnten sie immer noch gemeinsam kochen. Alena wollte nur eines, hierbleiben und sich an die Geschichten ihres Vaters erinnern. E schien ihr bedeutsam zu sein, dass sie sich jede Einzelheit ins Gedächtnis zurückrief. Außerdem spürte sie von diesem Platz eine seltsame, bezwingende Macht ausgehen, die sie sich nicht erklären konnte. Es machte sie neugierig und auch ein bisschen unruhig. Sie versuchte sich deshalb einzureden, dass es nur daran lag, dass die Eiche mit der Erzählung ihres Vaters verwoben war.
»An einem heißen Sommertag legte sich einmal ein junger Feen-Mann unter dieser Eiche schlafen.« So oder so ähnlich hatte die Erzählung ihres Vaters immer begonnen. Er be-schrieb dann in fantasievollen Worten, wie der junge Mann von seiner herrlichen Heimat träumte, die er lange nicht gesehen hatte und wie er irgendwann aus seinem Traum erwachte, weil er in seiner Nähe Leute reden hörte. Dann erzählte der Vater weiter, dass der junge Mann vorsichtig seine Augen aufmachte und zwei seltsame Gestalten sah. Seiner Beschreibung nach waren diese nicht größer als fünfjährige Kinder, wirkten aber mit ihren kurzen stämmigen Beinen und den langen struppigen Bärten eher wie sehr alte Wesen. Alena erinnerte sich, dass sie an dieser Stelle der Geschichte immer schon ganz gespannt war und den Vater im weiteren Verlauf mit vielen Fragen löcherte. Doch sie kam nicht gleich darauf, welche Namen er für diese Wesen verwendet hatte. Nach einer Weile fiel es ihr wieder ein. Er nannte sie »Alraunen« und behauptete, dass diese in einem verborgenen Land lebten.
Alena entsann sich an immer mehr Einzelheiten aus der damaligen Erzählung. Sie kicherte, als sie an die lustige Beschreibung der Alraunen dachte, die anderen gerne mal ein Bein stellten. Doch dies war nicht das Wesentliche der märchenhaften Geschichte. Alena erhob sich vom Boden und fuhr noch einmal die wulstigen Ränder der Öffnung im Baumstamm nach. Die Eiche war eine Zaubereiche, und durch den Hohlraum im Inneren des Stammes gelangte man in eine andere Welt. Eine Welt, die bevölkert wurde von den alten Wesen der Erde, von Magiern, Feen und vielen anderen wie den Alraunen. So hatte ihr Vater erzählt, und Alena wollte immer in die Baumhöhle klettern, um herauszufinden, ob seine Geschichte stimmte. Sie wollte die andere Welt mit eigenen Augen sehen. Doch die Mutter hatte sie abgehalten. Es sei zu gefährlich, und sie müsse warten, bis sie erwachsen sei. Jetzt war Alena erwachsen, aber ihr Glaube an das Märchen fehlte. Trotzdem berührte es noch immer ihr Herz. Sie sah den Vater vor sich, wie er davon erzählte, dass aus dem Spalt in der Eiche eine wunderschöne Fee heraustrat, mit einem kleinen Mädchen an der Hand, das sie dem Feenmann in die Arme hob. Vaters Augen hatten geleuchtet und sein Blick auf der Mutter geruht, während er die Fee beschrieb. Heute begriff sie das. Er hatte seine Frau beschrieben, die er über alles liebte. Er schilderte ihren wiegenden Gang, ihre feingliedrige Figur, ihr sanftes Gesicht mit den smaragdgrünen Augen, die sie genauso an Alena vererbt hatte wie das lockige, blonde Haar. Im Grunde war das Märchen eine Liebes-bezeugung ihres Vaters an ihre Mutter. Zumindest sah Alena das heute so. Doch auch wenn die Geschichte um die Zaubereiche erfunden war, die machtvolle Ausstrahlung des Baumes und dieses Ortes blieb bestehen. Wer weiß, dachte Alena, vielleicht hat diese Eiche Kräfte, von denen kein Mensch etwas ahnt. Ein ganz klein wenig Zauberglaube konnte ja nicht schaden. Damals in ihrer Kindheit hatte die Mutter ihr versprochen, dass eines Tages in der Baumhöhle ein Licht aufstrahlen würde, um Alena in die alte Welt einzuladen. »Wenn du achtzehn bist«, hatte sie gesagt, »dann darfst du dem Licht folgen.« Jetzt wurde Alena klar, warum sie heute den Weg hierher finden musste. Es war der alte Kinderglaube, und am Grab der Eltern war er wieder wachgerufen worden. Doch ein Wermutstropfen fiel in die Freude über die Erinnerung. Sie konnte nicht erwarten, dass die Eiche tatsächlich das Tor in eine andere Welt barg. Kein Licht würde im Inneren aufleuchten, um ihr einen Weg dorthin zu öffnen. Sie verspottete sich selbst, als sie feststellte, wie die leise Kinderstimme in ihrem Inneren trotzig flüsterte: und es ist doch möglich ...
Alena rutschte am Stamm der Eiche entlang zu Boden, um sich zu setzen. Die Hitze machte sie immer schläfriger. Mit der Hand tastete sie nach ihrer Tasche und zog sie zu sich heran, um die Flasche Wasser herauszuholen. Sie war schon fast leer. Deshalb trank sie nur einen kleinen Schluck und tat sie dann in die Tasche zurück. Sie schloss die Augen und döste ein wenig vor sich hin. In den Ästen der Eiche über ihr schimpfte eine Krähe. Eine Fliege setzte sich immer wieder auf Alenas Arme. Es kitzelte. Sie scheuchte sie geduldig weg, ohne die Augen zu öffnen. Der Geruch der aufgeheizten Erde vermischte sich mit dem holzigen Duft der Eiche und stieg Alena angenehm in die Nase. Hier ließ es sich aushalten, das Blät-terdach schützte sie vor der Sonne, und sie empfand diesen Platz sogar angenehm kühl. Immer wieder driftete sie weg in die Erinnerung an vergangene fröhliche Tage. Die ausdrucksvolle Stimme des Vaters klang von weit her mit immer neuen Facetten der märchenhaften Geschichte an ihrem Ohr. Dort ist unser wahres Zuhause ... Sie sah ihn vor sich mit seinen hellbraunen Augen, seinem verschmitzten Lächeln und seinen schmalen, langen Händen. Daneben immer wieder die Mutter, die sie sanft zurückhielt: Nein, erst wenn du achtzehn bist ...
Sie musste wohl tatsächlich eingeschlafen sein, denn als sie die Augen wieder öffnete stand die Sonne schon tief am Horizont. Jetzt wurde es wirklich Zeit, dass sie nach Hause ging. Rosa würde sicher schon bald vom Eberthof zurück-kommen.
Alena ließ den Blick rund umherschweifen. Sie prägte sich die Einzelheiten dieses Platzes genau ein und schaute dann nach oben in das dichte Blätterdach der Eiche. So ver-abschiedete sie sich, nicht nur von diesem Baum und diesem Platz, sondern auch von ihrer Kindheit, die sie als glückliche Erinnerung in ihrem Herzen bewahren wollte.
Als sie sich vom Boden erhob, hatte sie jedoch das Gefühl, als ob der Eichenstamm, an den sie sich mit dem Rücken an-gelehnt hatte, wie ein menschliches Wesen atmete. Sie grinste. Vermutlich ging ihre Fantasie mit ihr durch, weil sie sich noch immer mit dem Märchen von der Zaubereiche beschäftigte. Sie drehte sich um und tastete mit der flachen Hand über die raue Rinde nahe der Spaltung im Stamm der Eiche. Alena spürte ein Klopfen wie von einem Herzschlag. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück. Das konnte nicht sein. Sicher war es ihr eigener Puls, der sich bis in die Fingerspitzen übertrug. Vorsichtig ging sie näher an den ovalen Spalt heran und lugte hinein. Es war in der Baumhöhle genauso dunkel und ruhig wie zuvor am Mittag. Einerseits fühlte sich Alena beruhigt, dass die Eiche wohl doch nur ein normaler Baum war, doch andererseits spürte sie eine winzige Enttäuschung darüber, dass ihre Wahrnehmungen nur einer Sinnestäuschung ent-sprangen. Noch einmal prüfte sie die Baumhöhle, um sich zu vergewissern. Sie glaubte, aus dem Inneren plötzlich ein Rauschen zu vernehmen. Sicher der Wind, dachte sie. Doch die nüchterne Erklärung befriedigte sie nicht wirklich. Ein kleiner Zweifel blieb. Vielleicht war es auch nur der Rest des alten kindlichen Zauberglaubens, der ihren Herzschlag auf einmal beschleunigte. Alena lutschte an ihrem Zeigefinger und streckte ihn in die Luft. Sie spürte einen ganz feinen Hauch. Doch seltsamerweise kam dieser Lufthauch direkt aus der Richtung des breiten Spalts in der Eiche. Alenas Körper fing plötzlich vor Aufregung an zu kribbeln. In höchster Anspannung trat sie noch einmal nahe an die Öffnung heran und sah hinein. Das Rauschen, das sie vorhin schon gehört hatte, verstärkte sich, und dann traf sie unerwartet ein heftiger Windstoß im Gesicht. Erschrocken sprang sie ein paar Schritte zurück. Ihr Herz klopfte jetzt bis zum Hals. Sie hätte weglaufen können, aber das kam für sie nicht infrage. Die Neugier siegte über ihre Angst. So blieb sie nur wenige Schritte von der Baumhöhle entfernt stehen und behielt das Loch fest im Auge. Der eigen-artige Wind dort drinnen kam nicht zur Ruhe. Alena hatte fast den Eindruck, als ob jemand heftig pustete, um die manns-hohe Höhle zu säubern, denn aus dem breiten Spalt in der Ei-che wirbelten jetzt abgestorbene Blätter und feine Holzsplitter heraus. Irgendwann legte sich der Windwirbel, und in der Baumhöhle wurde es wieder ruhig. Alena wartete gespannt da-rauf, was als nächstes geschehen würde. Waren die Geschich-ten, welche die Eltern erzählt hatten, wahr gewesen? Ihr Blick ließ den Hohlraum nicht mehr los. Sie stand wie festgewurzelt und war doch bereit, jederzeit loszugehen, wenn das Licht aus dem Baumspalt herausleuchten würde, um sie mitzunehmen.
Die Minuten verrannen, doch nichts geschah. Die freudige Erregung, welche Alena eben noch erfüllt hatte, flaute all-mählich ab. Ihre Schultern sanken nach vorne. Das erwar-tungsvolle Leuchten ihrer meergrünen Augen erlosch, und das selige Lächeln um ihren Mund verschwand. Im Stillen schimp-fte sie mit sich, weil sie die Märchen ihrer Kindheit noch immer für bare Münze nahm. Mit einem tiefen Seufzer wollte sie sich abwenden, um nun endlich zu gehen. Doch da nahm sie plötzlich aus den Augenwinkeln etwas wahr. Ihr Mund öffnete sich in ungläubigem Erstaunen. Aus dem Spalt glomm von ganz unten am Boden ein warmes Licht auf, strahlend wie ein Stern am Nachthimmel, und es breitete sich langsam im ganzen Oval der Öffnung aus. Alena konnte es nicht fassen. War dies tatsächlich das Licht, von dem ihre Eltern geredet hatten oder war dies doch eine Sinnestäuschung, geboren aus der verzweifelten Hoffnung auf ein Wunder. Alena kniff die Haut an ihrem Handrücken zusammen. Es tat weh, also war sie wach, und das Licht in der Baumhöhle blieb trotzdem. Sie sah es, fühlte sich davon angezogen und traute sich doch nicht, sich zu bewegen. Plötzlich schien es ihr, als ob das zau-berhafte Leuchten liebkosend auf sie zukam, aus dem Spalt in der Eiche herausströmte, um sie an die Hand zu nehmen und zu führen. Es hüllte sie mit seinem funkelnden Schimmer ein,  zog sie mit sich auf den Eingang der Zaubereiche zu, und ehe Alena begriff, was geschah, stolperte sie auch schon durch die Öffnung.

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