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Leseprobe 3
Nach dem Essen setzten sich Arno und Laura in das Kaminzimmer in der ersten Etage des Châteaus und tranken ein Glas Portwein mit Eis. Sie zündeten einige Kerzen auf dem kleinen Salontisch an und ließen sich in bequeme Ohrensessel fallen. Der bordeauxrote Stoffbezug der Sessel war an den Armlehnen abgewetzt und der Stuhl knirschte bei jeder Bewegung. An der linken Wand des Raumes stand ein Büchergestell aus massivem, dunklem Holz. Laura starrte gedankenverloren auf das unstete Zucken der Kerzenflammen. Arno berührte sie am Arm und nahm ihre Hand in seine. Sie ließ ihn gewähren. Sie wusste, dass es nun erst recht keinen Grund mehr gab, sich ihm zu entziehen. Nun war Géraldine ein fester Teil ihrer nahen Zukunft, und es bedurfte nicht besonders viel Fantasie, um sich vorzustellen, welche Rolle sie bald spielte.
»Bist du immer noch froh, hergekommen zu sein? So wie es aussieht, wartet hier einige Arbeit auf dich. Julie wird dich vermutlich jede freie Minute in Beschlag nehmen.« Laura sah Arno forschend an und lächelte. Sie stellte sich die Haushälterin wie eine Glucke vor, die gackernd um ihren neuen Küchengehilfen herumflatterte. Er grinste schelmisch und drehte das Glas in seinen Händen. Dabei reflektierte das goldene Getränk das Licht der Kerzen. Regenbogenfarbige Kleckse tanzten über den Steinboden.
»Natürlich bin ich glücklich, hier zu sein. Das klingt nach einer Menge Spaß und Action!«, antwortete er. »Außerdem ist es hier traumhaft schön«.
»Château Édenique bedeutet ja auch paradiesisches Schloss«, erklärte Laura und fühlte, wie die Nostalgie von ihr Besitz ergriff.
»Wem gehören die vielen Bücher?«, wollte Arno wissen und erhob sich. Er schlenderte das Regal entlang und ließ seine Finger ehrfurchtsvoll über die Buchrücken gleiten.
»Sie gehörten meinem Urgroßvater. Er liebte Geschichten jeglicher Art. Du wirst in seiner Sammlung keinen roten Faden finden. Es gab kein Genre, das ihn nicht faszinierte. Jedenfalls waren das Mamas Worte, als ich sie einmal danach fragte.«
»Ich lese gerne Biografien«, gestand Arno. »Nicht über zeitgenössische Prominente. Die sind mir zu oberflächlich und narzisstisch. Nein. Was mich beeindruckt, sind Schriften über das Leben antiker Philosophen, mittelalterlicher Querdenker, Revolutionäre oder Musiker, die mit ihren Werken die Welt verändert haben.«
»Dann wirst du dich über meine bevorzugte Literaturgattung wohl kaputtlachen«, scherzte Laura. »Ich mag kitschige, küchenpsychologische Liebesromane. Der Alltag ist meiner Meinung nach schon kompliziert genug, da wünsche ich mir in meiner Freizeit leichte Lektüre, die mich zum Träumen anregt.« Arno grinste breit. »Nichts dagegen einzuwenden«, meinte er lachend und hob die Hände in einer gönnerhaften Geste.
»Was magst du noch? Wälzer, Kochen, Backen ...? Ich weiß noch so wenig von dir!« Er setzte sich wieder in den Sessel neben Laura und nahm einen Schluck Portwein.
»Tiere beispielsweise. Auch wenn ich nicht reiten kann ... ich mag die Fellbündel, die diese Kugel mit uns teilen. Ich hatte eine Katze, ihr Name war Perle. Sie starb leider vor viereinhalb Jahren, kurz vor unserem Umzug nach Küblis. Meine Eltern wollten keine Haustiere mehr. Sobald ich in einer eigenen Wohnung lebe, werde ich mich allerdings nach einem haarigen Begleiter umsehen.«
»Perle?« Laura konnte sich ein amüsiertes Kichern nicht verkneifen. »Das klingt nach einer eigenwilligen Samtpfote!«
»War sie auch. Sie hat mich vergöttert, was nicht heißt, dass sie mir auch gehorcht hätte.«
Sie lachten beide ausgelassen und unterhielten sich so lange, bis es still in den Gemäuern des Châteaus wurde. Offensichtlich waren bereits alle ins Bett gegangen. Laura gähnte, um Arno zu demonstrieren, dass sie sich nun auch schlafen legen würde. Sie stellten ihre leeren Gläser in die Küche und gingen in ihre Zimmer.
Langsam angehen hatte Arno gesagt.
Laura berührte seine Lippen daher zaghaft und gab ihm einen schwesterlich anmutenden Gutenachtkuss.
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