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Startseite > Bücher > Mystery-Thriller > Sieben Verlag > Olga A. Krouk > STAUB ZU STAUB > Leseproben > Staub zu Staub

Staub zu Staub

STAUB ZU STAUB

Olga A. Krouk
Roman / Mystery-Thriller

Sieben Verlag

Broschiert, 252 Seiten
ISBN: 978-394023514-5

Nov. 2007, 1. Auflage, 16.50 EUR
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„Ich erbitte Deine Vergebung, oh Herr, und erflehe … erflehe …“ Der Pater schluchzte, hob den Kopf, als müsse er gegen eine schwere Last ankämpfen, und suchte den Blick des gekreuzigten Heilands. „Halte uns auf!“
Doch es kam ihm vor, als habe sich das Antlitz Jesu von ihm abgewandt und die Worte zerschellten an der stummen Abweisung. Er presste die Hände fester zusammen und kroch auf Knien an den Altar.
„Wenn Dein Wille geschehen soll, oh Herr, dann gib mir Kraft.“
Die Kerzen flackerten. Ein Schatten zuckte über das Gesicht Jesu. Die Worte des Gebetes vermischten sich mit dem Wirrwarr seiner Gedanken: Heuchler! Verraten und verkauft hast du ihn. Er schloss die Augen und sah im Geiste Judas’ Ende: An einem Strick pendelt sein Körper hin und her, knackt, und der Bauch erbricht die Gedärme auf die Erde. Die Szene hatte sich in sein Hirn gebrannt, so oft hatte er die Bibelstelle in den letzten Tagen gelesen.
Das Klopfen an der Tür durchzuckte ihn wie ein Stromschlag.
Mit pochendem Herzen taumelte er den Gang entlang. Nach einigen Schritten stolperte er und schaute instinktiv zu Boden, auf dem zwei grob gehobelte Balken ein Kreuz bildeten. Übelkeit stieg in ihm auf, er presste die Hand vor den Mund und torkelte wie ein Betrunkener zur Eingangstür. In den Tiefen seiner Kutte ertastete er den Schlüssel und öffnete den Riegel. Die Angeln ächzten, als die massive Holztür nach innen schwenkte.
Im Straßenlicht sah er drei Gestalten in langen Mänteln. Einer der Ankömmlinge trug eine Sporttasche über der Schulter. Mit seiner massiven Statur sah er aus, als könne er die beiden anderen unter einen Arm klemmen und forttragen. Feiner Schnee fiel vom Himmel und bestreute die schwarze Wolle seiner Kleidung.
Als der Pater aus der Kirche trat, blies ihm eine Böe das Weiß ins Gesicht und reizte seine Haut. Er schlang die Arme um seinen Körper und ließ seinen Blick über den Vorplatz schweifen. Weiter hinter den Bäumen am Fuße des Kirchenhügels ruhte sein Dorf, ohne zu ahnen, durch welches Sakrileg dieser Ort heute Nacht entweiht werden würde.
„Pater Preschke.“ Eine der Gestalten schritt auf ihn zu und der Pater erkannte den Mann namens Tilse. Ihm hatte er damals die Angelegenheit anvertraut. „Darf ich Ihnen unseren Spiritus Rektor vorstellen? Bertram Friedmann.“
Der Pater hielt inne. Das Oberhaupt persönlich! Aber was hatte er in dieser Situ-ation anderes erwartet? Er streckte seine klamme Hand aus und flüsterte den Leit-spruch: „Inter spem et metum.“
Doch sein Gast drängte ihn grußlos zur Seite und trat ein. Tilse und das Muskelpaket mit der Sporttasche folgten.
„Eine schöne Kirche.“ Friedmann nahm seine Brille ab, hauchte die Gläser an und putzte sie mit einem Taschentuch. „Ich hoffe, die nächsten Tage wird uns niemand stören?“
„Die nächsten Tage?“ Preschke schluckte. „So lange kann doch keiner durchhalten.“
„Man weiß ja nie.“ Ein Lächeln huschte über Friedmanns mageres Gesicht. Er zog seine Lederhandschuhe aus und klopfte damit den Schnee vom Mantel.
„Keiner wird uns stören.“ Der Pater zupfte an seinen Ärmeln. Tage. Bei diesem Gedanken lief ihm ein kalter Schauer den Rücken hinunter. „Die Kirche wird geschlossen. Das Bistum muss sparen.“
Friedmann rümpfte seine spitze Nase. „Verschonen Sie mich mit Ihren Klagen!“ Festen Schrittes marschierte er zum Altar. „Wissen Sie, ich habe mich in letzter Zeit oft gefragt, ob diese Welt überhaupt gerettet werden sollte. All diese Ungläubigen da draußen. Wen schert es, ob sie untergehen?“ Preschke eilte ihm nach. Hinter ihm hörte er die Schritte der anderen zwei. Sie schienen ihm wie Aufseher zu folgen, die einen Verurteilten auf seinem letzten Gang eskortieren. „Doch leider gilt: ganz oder gar nicht. Und die anderen liegen mir sehr am Herzen. Auch wenn es nur sechs Prozent in diesem bedauernswerten Bundesland sind.“ Das Oberhaupt machte eine Pause und drehte sich um. „Das Geld haben wir bereits auf Ihr Konto überwiesen.“
„Dreißigtausend Mark“, bestätigte Tilse. Er zog seinen Mantel aus und warf ihn über eine Banklehne. Der dunkelblaue Pullover betonte seine sportliche Figur, zusammen mit der Bügelfaltenhose vermittelte seine Kleidung einen legeren und stilvollen Eindruck.
„Dreißig?“ Der Pater leckte über seine Lippen. „Aber es wurden nur fünfundzwanzig vereinbart.“
Die grauen Augen des Spiritus Rektors glänzten unter den buschigen Brauen. „Man soll die Tradition wahren. Falls Sie einen Rat wollen: Gebrauchen Sie Ihre Silberlinge klug. Also, wo ist der Junge?“ Preschke stützte sich mit beiden Händen auf die Banklehne. Seine Beine schlotterten und drohten jeden Moment einzuknicken. Friedmanns Tonfall verhärtete sich. „Ich hoffe, es gab keine Komplikationen?“
Nein. Keine Komplikationen, wollte der Pater sagen, doch ganz andere Worte kamen über seine Lippen. „Wir handeln gegen Gottes Willen.“
Friedmann zog die Brauen zusammen und fuhr durch sein weißes Haar. Für einen Moment verharrte er und breitete dann seine Arme aus, wie bei der Erteilung eines Segens.
„Gott schuf den Menschen als sein Abbild. Als Mann und Frau schuf er sie.“ Die tiefe Stimme hallte in den hohen Wänden wider. „Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“ Einen Augenblick lauschte er dem Nachhall seines Echos. „Diese Welt gehört uns und sie aufzugeben bin ich nicht bereit. Also, wo ist er?“
Preschke spürte, wie Tränen seine Wangen benetzten. Er schielte zum Beichtstuhl und hoffte, die anderen hätten es nicht bemerkt. Sein Blick folgte der Fuge zwischen zwei Steinplatten auf dem Kirchenboden und blieb auf Friedmanns polierten Schuhen haften.
„Ausgezeichnet“, hörte er sein Oberhaupt sagen. „Bringt ihn her.“
Das Muskelpaket warf die Sporttasche auf den Boden und ging an dem Pater vorbei. Zimtparfüm wehte Preschke entgegen und erinnerte ihn an Weihnachten. Die Tür zum Beichtstuhl quietschte. Die Angeln müssten geölt werden, kam ihm in den Sinn, und einen Moment überlegte er sogar, wo das Ölfläschchen stand, bis ein Ausruf seinen Gedankenfluss unterbrach.
„Aua! Das Balg hat mich getreten!“
Friedmann seufzte und rieb sich das Nasenbein unter der Brille. „Mein lieber Köhler, so gut wie Sie gepolstert sind, werden Sie es doch mit einem Achtjährigen aufnehmen können, oder?“
Bitte! An seiner Brust ertastete Preschke das Kreuz. Wenn Dein Wille geschehen soll, halte uns auf!
Ein Schnaufen, Schritte und schleifende Geräusche kamen näher und verhallten. Der Pater bebte mit jeder Zelle seines Körpers, wagte nicht, aufzuschauen.
„Wie ist sein Name?“
Stille.
„Wie – ist – sein – Name?“
„J-jonathan“, stotterte der Pater.
Als er aufblickte, begann sein Herz schneller zu pochen und das Blut durch die Adern zu jagen. In der Hoffnung, es wäre tödlich, hatte er Jonathan die dreifache Dosis Valium gegeben. Aber es wollte nicht wirken. Seine Hand spürte noch immer die Schwere des Messingkruzifixes, mit dem er das Kind zusammengeschlagen hatte, um es fesseln und knebeln zu können. Die Kante hatte auf der Stirn und der Schläfe des Jungen tiefe Male hinterlassen, das Blut verklebte die rabenschwarzen Haare.
„Jeho-nathan.“ Lächelnd tätschelte Friedmann dem Jungen die Wange. „Gottes Geschenk. Ich hätte gern erfahren, woher seine Eltern wussten, was sie da bekommen haben. Oder sind Engel immer noch als Kundschafter im Dienst?“
Ein protestierendes Stöhnen ertönte durch den Knebel.
Preschke schloss die Augen und in seinem Geist schwebte das Kreuz, über das er gestolpert war, und er sah Blut vom dunklen Holz in den Staub tropfen. Als er die Lider aufriss, traf er Jonathans Blick. Die schwarzen Augen wirkten matt.
„Er ist doch nur ein Kind“, stieß Preschke hervor.
Die Altarkerzen flackerten auf. Eine Flamme zuckte und erlosch, der Docht stieß einen Rauchfaden hoch. Zusammen mit dem blauen Dunst stieg Friedmanns Lachen zu den Kirchengewölben.
„Oh nein, ein Kind würde jetzt weinen und nach seiner Mama rufen.“ Er befreite den Jungen vom Knebel, fasste sein Opfer am Kinn und drückte das blasse Gesicht nach oben. „Sag uns, was du bist, Jonathan. Gehörst du in unsere Welt? Ist es wirklich ein Verbrechen, dir das Leben zu nehmen?“ Die Worte verhallten, lösten sich auf wie der Rauch der ausgeblasenen Kerze. Friedmann schnaubte, holte aus und ohrfeigte das Kind. „Ich habe dich etwas gefragt!“
Blut trat auf die Unterlippe des Jungen. Er hob das Gesicht und sah seinen Peiniger an.
„Sie schlagen mich? Macht er Sie stärker, der Gedanke daran, dass Sie mir wehtun können?“
Friedmann verengte die Augen. Er packte den Jungen an den Haaren, riss ihm den Kopf herum und zwang ihn, das Kreuz am Boden anzuschauen.
„Wer gekreuzigt wird, ist von Gott verstoßen“, zischte er ihm ins Ohr. „So steht es in der Bibel geschrieben. Erzähl mir: Wie fühlt es sich an, wieder im Stich gelassen zu werden? Bist du überhaupt fähig, irgendetwas zu empfinden? Oder ist die grenzenlose Liebe alles, was dir gegeben wurde?“
„Von Liebe kann hier kaum die Rede sein.“
„Ich werde dich vernichten!“ Friedmanns Hand krallte sich fester ins Haar. „Hörst du? Niemand, absolut niemand kann dir helfen! Du wirst qualvoll sterben und glaube mir, diesmal wirst du nicht auferstehen!“
Preschke sah zu seinem Oberhaupt auf, dessen Blick hin und her huschte. Hatte er Angst? Aber wenn sogar der Spiritus Rektor diesem Kind nicht standhalten konnte, wer dann? Er schielte zum Kreuz auf dem Boden. Wer würde die Kraft aufbringen, das Nötige zu tun?
Wenn es Dein Wille ist …
Tilse seufzte und kratzte sich an dem Muttermal, das seine Oberlippe verunstaltete, dem einzigen Makel auf seinem wohlgeformten Gesicht. „Ich weiß nicht. Der Bastard sieht so gewöhnlich aus, auch wenn er nicht gerade wie ein Achtjähriger spricht.“
„Was haben Sie erwartet?“ Friedmann lächelte. „Einen Heiligenschein und ein Paar Flügel? Vielleicht auch eine Harfe dazu? Ach nein, er ist ja kein Engel.“
„Naja“, Köhler schüttelte den Jungen, „trotzdem muss er nicht unbedingt … er sein. Woher sollen wir das wissen?“
Friedmann führte die Hand unter seinen Mantel. „Das werden wir gleich erfahren. Oder ob es Pater Preschke bestimmt ist, hier und jetzt zu sterben.“
Im nächsten Augenblick sah Preschke etwas Metallisches aufblitzen und spürte, wie Stahl seine Gedärme durchbohrte. Er keuchte und presste die Hand an den Bauch. Das Blut quoll durch seine Finger. Verblüfft betrachtete er seine rot-glitschige Hand und schaute zu Friedmann auf. Sein Oberhaupt lächelte und drehte das Messer in der Wunde. Preschke schrie auf, während seine Beine einknickten und er auf dem Boden zusammensackte.
Friedmann zerrte den Jungen am Hemdkragen zu sich. Er schnitt das Zingulum durch, mit dem die Arme des Jungen hinter dem Rücken gefesselt waren. Vorsich-tig drehte Jonathan die wund gescheuerten Handgelenke, reckte die Finger und wischte sich die schwarzen Haarsträhnen aus der Stirn.
„Soll ich auch Wasser in Wein verwandeln, oder geht’s auch so?“
Sein Peiniger bog ihm den Arm herum und ritzte mit dem Messer eine Wunde in die Handfläche. Jonathan verzerrte das Gesicht. Das Blut lief über seine Finger und tropfte auf den Boden. „Ist es Gottes Wille, Jonathan, dass der Pater stirbt? Oder meiner? Vielleicht auch deiner, weil der Gute dich verraten hat?“
Friedmann legte ihm seine Hand in den Nacken, fast freundschaftlich und gleichzeitig mit einer Bestimmtheit, als reiche nur eine Bewegung, um dem Jungen das Genick zu brechen.
„Zeig uns, was du kannst, Geschenk Gottes.“ Mit der Schuhspitze schlug er dem Jungen in die Kniekehlen und zwang ihn herunter.
Bitte!, flehte Preschke in Gedanken. Ich will nicht sterben! Er atmete flach und merkte, wie sein Oberhaupt Jonathans Hand auf die Wunde drückte. Es passierte nichts.
„Na wird’s bald?“, zischte Friedmann und winkte Tilse heran.
Der Mann drehte dem Jungen den anderen Arm auf den Rücken, verstärkte den Druck, bis ein trockenes Knacken und Jonathans Aufschrei ertönte, in dem Fried-manns melodische Stimme fast unterging:
„Tut es sehr weh? Das ist natürlich eine dumme Sache. Denn wir haben Zeit und können lange so weiter machen.“
In den Augen des Jungen glänzten Tränen. „Bei uns im Heim sagt man: Sie können mich mal.“
„Aber Jonathan! Was ist das für eine Ausdrucksweise?“ Er schnippte und Tilse zerrte an dem gebrochenen Arm.
Pater Preschke hielt sich die Ohren zu, trotzdem hörte er Jonathan aufschreien. Gleichzeitig fühlte er, wie Kälte sich in seinem Körper ausbreitete und die Glieder lahm legte. Mit zitternden Fingern berührte er Jonathans Hand, die auf seine Wunde drückte. Hilf mir! Ich flehe dich an, lass mich nicht sterben!
Der Junge schloss die Augen. Seine Stimme klang schwach. „Wenn es Sein Wille ist, so sei dir gegeben, was du dir wünschst.“
Er öffnete die Lider. In den schwarzen Augen sah Preschke Feuer ausbrechen und hatte das Gefühl, in den Schlund eines Vulkans zu stürzen.
„Kether“, flüsterten die bleichen Lippen.
„Hebräisch?“, murmelte Köhler. „Nicht Latein?“
„Wollen Sie ihm jetzt Tipps geben, oder wie?“, spottete Tilse.
Der Pater glaubte zu schweben. Alles um ihn versank im Nebel und wie aus weiter Ferne drang die helle Stimme in seine Ohren: „Chochmah.“
Wärme strömte in Preschkes Körper. Die Wunde begann zu brennen, immer intensiver, als drücke glühendes Eisen dagegen. Er schrie, doch kein Ton entwich seinen Lippen. Dunkelheit verschlang ihn.
„Binah.“
Das Feuer zerfraß seine Muskeln und loderte an den Knochen. Sein Blut kochte auf und verdampfte im roten Dunst. Tausende von knochigen Fingern rissen an seinem Gewebe und zogen ihn tiefer in eine zähe Schwärze. Kreischen und Jaulen betäubten ihn von allen Seiten. Wo war Jonathans Stimme? Er hatte sie in diesem Chaos verloren!
Bis ein Lichtstrahl die Dunkelheit zerschoss.
„Tifereth.“
Die Stimme donnerte wie ein mächtiger Wasserfall. Über sich sah er Jonathans fahles Gesicht schimmern. Sein Haar war weiß, fast silbern, in den Augen loderten Flammen. In der rechten Hand hielt er sieben leuchtende Sterne, bis er die Finger spreizte. Wie Glühwürmchen wirbelten die Lichter herunter, formten sich zu hebräischen Buchstaben und erloschen. Zwei schwarze Flügel schlugen und zerflossen in rauchigen Schwaden. Die Finsternis wich zurück, die Hölle gab seine Seele preis.
„Chesed.“
Preschkes Blick erfasste das vertraute Kirchengewölbe. Mit der Gier eines Neugeborenen sog er Luft in seine Lunge. Ein Glücksgefühl betörte ihn. Noch nie hatte er etwas Ähnliches gespürt. Er fühlte sich so unbefleckt.
„Netzach“, fiel das letzte Wort.
Jonathan keuchte und brach zusammen. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerzen. Den gesunden Arm um den Bauch geschlungen, rang er in kurzen Atemzügen nach Luft. Sein Körper bebte, immer stärker, bis er in Krämpfe überging. Preschke fuhr mit den Fingern über das Gesicht des Jungen. Seine Stirn glühte.
„Stirbt er?“, fragte Köhler, und erst jetzt fiel Preschke wieder ein, nicht allein zu sein.
„Zucker“, flüsterte er. „Gebt ihm Zucker.“
Friedmann atmete tief durch. „Er hat unsere Leiden auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen. Matthäus 8,17. Hat noch jemand Zweifel? Nein? Dann fangen wir an.“
Er machte einen Schritt über Jonathan und ging zum Kreuz am Boden. Köhler griff nach dem Jungen und versuchte, ihn auf die Beine zu stellen. Doch sie knickten immer wieder ein, so schleifte er ihn mit sich.
Preschke lehnte sich gegen die Kirchenbank. Er fand das blutnasse Loch in seiner Soutane und tastete über die Narbe, die seine Wunde geschlossen hatte. Er drehte den Kopf und sah, wie Köhler die Arme des Jungen am Querbalken ausrichtete. Aus der Sporttasche, die Tilse daneben abstellte, holte er eine Hand voll fingerdicker Nägel und einen Hammer.
Preschke wimmerte leise. Aufhören! Um Himmels Willen, aufhören!
Köhler setzte die Spitze des Nagels an der Handfläche des Jungen an und holte aus. Jonathan lag zitternd auf dem Kreuz. Sein benommener Blick schweifte zu Preschke und brannte ihm die Sünde in die zuvor reingewaschene Seele.
Aufhören! Bitte! Der Pater umklammerte das Kreuz auf seiner Brust.
Köhler hielt inne. Von seiner Nase fiel ein Schweißtropfen herunter. Der Mann wandte sein Gesicht zum Altar und atmete schwer ein und aus. „Ich kann es nicht.“ Seine Schultern sackten nach vorn. „Tut mir Leid, ich kann es nicht.“
Tilse entriss ihm den Hammer und kniete nieder. „Dann halten Sie ihn fest. Kriegen Sie wenigstens das hin?“
Erneut schwang der Hammer in die Höhe. Lass das nicht zu, flehte Preschke gen Himmel, lass das nicht zu, lass das nicht zu …
„Halt!“, rief Friedmann. „In die Gelenke.“
Eine Sekunde später fiel der erste Schlag.


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