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Das erste Opfer

DER JUDAS-SCHREIN
DER JUDAS-SCHREIN

Andreas Gruber
Roman / Horror

Festa-Verlag

H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens (Festa): Band 16
Fester Einband, 464 Seiten
ISBN: 978-393582283-1

Jul. 2006, 1. Auflage, 24.00 EUR

(das erste Opfer ist in der Wiener Gerichtsmedizin zur Obduktion aufgebahrt)

Jana Sabriski, die Gerichtsmedizinerin ging um die aufgebahrte Leiche herum. „Und zweitens, was noch viel sonderbarer ist, konnten wir diese organischen Fragmente von der Wunde isolieren.“ Sie zeigte auf ein Dutzend Gläser, die randvoll mit durchsichtiger Flüssigkeit gefüllt waren. „Diese Überreste stammen nicht von der Leiche. Haare, Knochensplitter, Knorpel, Fleischfetzen, Hautteile und Blutspuren. Aber auch Stücke von Zahnbein und Wurzelhaut, wie sie im menschlichen Gebiss vorkommen.“
Der Fall wurde immer verrückter. Alexander Körner wagte nicht daran zu denken, und dann tat er es doch, und ihm wurde schlagartig übel. „Das bedeutet, jemand hat in die Wunde gebissen?“
„Nein, keine Bissspuren, Gott behüte!“
„Was bedeutet es sonst? Hat sich der Täter verletzt? Hat er Spuren seiner eigenen Wunde an der Leiche hinterlassen?“
„Tja, falls es tatsächlich Spuren des Täters sind, haben wir ein ernstes Problem.“ Sie schritt entlang der Flaschen und schnippte mit dem Fingernagel gegen jedes Glas. „Diese Teile weisen Zellatypien auf. Sie stammen von einem anderen Gewebe und haben einen anderen Zellkern.“
Körner betrachtete die Glasbehälter. Für ihn sahen sie nach Miniatur-Wassergläsern aus, worin winzige Partikel schwammen. „Du sprichst in Rätseln. Ich bin kein Mediziner. Was heißt anders?“
„Anders heißt: nicht-menschlich.“
Er ließ die Worte auf sich wirken und dachte nach. „Also tierisch! Ein Hund hat sie zerfleischt. Vielleicht der Köter, der in die Bar gelaufen ist ...?“
Sie schüttelte den Kopf. „Auch nicht tierisch.“
„Herrgott!“, brüllte er. „Wovon zum Teufel sprichst du?“
Sie sah ihn ratlos an. „Ich weiß, was du denkst“, sagte sie leise. „Aber es kommt noch schlimmer.“ Sie ging auf die andere Seite des Saals und schaltete den Monitor an, der an einer Kamera und dem Videorekorder hing. Die schwarze Mattscheibe knisterte und wandelte sich in ein weißes Bild. Auf dem Monitor waren handtellergroße, durchsichtig schimmernde Kreise zu sehen, die wie in einer Flüssigkeit schwammen.
„Das ist die Zelle eines verhornten Epithelgewebes. Du erkennst es an den beweglichen Zellfortsätzen, den Zilien. Die Zelloberfläche sieht aus wie ein Bürstensaum.“ Sie zog einen Kugelschreiber aus der Brusttasche ihres Kittels und zeigte ihm die Stellen am Monitor.
„Bürstensaum, aha“, murmelte Körner. Der Anblick erinnerte ihn an eine pulsierende Qualle, die er als Junge an der Küste Kroatiens mit einem Fischernetz gefangen hatte. Regelmäßig war er mit seinen Eltern in den Sommerferien an den Strand gefahren, doch die Urlaube dauerten nie länger als fünf Tage.
„Diese Zellen sind etwa acht Tausendstel Millimeter groß“, fuhr Sabriski fort. „Das ist die Aufnahme des Elektronenmikroskops mit zwölftausendfacher Vergrößerung. Damit haben wir das fremde Gewebe untersucht. Die Fleischfetzen, Hautteile, Knorpel- und Blutspuren weisen eine Eigenautonomie auf.“
Offensichtlich hatte sie seinen fragenden Blick bemerkt, da sie nach einer kurzen Pause weitersprach. „Normalerweise müsste der Zerfallsprozess bereits eingesetzt haben, doch das Gegenteil ist der Fall. Sämtliche Teile weisen eine erhöhte Zellteilung auf, das Gewebe aktiviert sich von selbst und die Nerven reagieren auf Einflüsse von außen.“
Körner wollte den Quatsch nicht länger hören. Genervt blickte er auf die Uhr. „Das Mädchen ist seit neun Stunden tot. Wie kann ...?“
„Aber nicht die organischen Fremdkörper in ihrer Wunde.“
„Das ist doch Blödsinn!“
„Schau hin!“ Sie klopfte mit dem Kugelschreiber auf den Monitor. „Das nennst du Blödsinn? Wäre das eine abgetötete Zelle, müssten wir eine feine fädige beziehungsweise körnige Struktur erkennen. Beides ist aber nicht der Fall.“
„Und wenn du dich irrst?“
Sie verzog den Mund. „Kann sein, dass ich mich irre, doch nicht das Elektronenmikroskop!“
„Dein Videoband hat einen Fehler“, behauptete er.
Sie lachte laut auf. „Das ist eine Live-Aufnahme. Die Teile bewegen sich in diesem Moment unter dem Mikroskop. Das Gewebe ist nicht tot. Es lebt weiter für sich allein! Was du hier gerade siehst, ist eine Zellteilung.“ Sie fuhr mit dem Stift über den Monitor. „Der Zellkern ist der Träger der Vererbung und enthält in den Chromosomen die Gene. In diesem Moment werden die Chromosomen sichtbar ... jetzt! ... schau hin, jeder DNA-Faden verdoppelt sich.“
Widerwillig betrachtete Körner das Monitorbild. Die quallenförmige Kugel, die Sabriski als Zellkern bezeichnet hatte, wurde in der Mitte wie mit einem Faden durchschnürt. Die beiden Hälften spalteten sich voneinander ab, existierten allein weiter und wuchsen rasch zur vollen Größe heran. Er bemerkte, wie Sabriski fasziniert in den Bildschirm starrte, doch nichts von ihrer Begeisterung sprang auf ihn über.
„Okay, Schluss damit!“, sagte er. „Erzähl mir einfach nur, womit wir es hier zu tun haben.“
„Sieh doch! Nach der Zellteilung wachsen die beiden Tochterzellen zur Größe der Mutterzelle heran ... unglaublich!“ Sie schluckte. „Was du gerade in zehn Sekunden Originalzeit gesehen hast, dauert normalerweise zwischen fünf und acht Stunden, die Zellteilung selbst noch einmal eine volle Stunde.“
„Jana, bitte! Beantworte mir nur eine einzige Frage: Wer oder was hat auf dieses Mädchen eingestochen?“
„Alex, du verstehst es immer noch nicht!“ Sie betrachtete ihn erschöpft. „Es ist nicht von außen auf das Mädchen eingestochen worden, sondern aus ihrem Leib ist dieser Fremdkörper ins Freie getreten – und zwar mit einer solchen Wucht, dass ihre Wirbelsäule freigelegt wurde.“
„Ihr Rücken ist von innen aufgeplatzt?“, rief er. „Das soll ich dir glauben?“
Da schaltete sie den Monitor mit einer abrupten Bewegung aus. „Es war ein Fehler, ich hätte dir die Mikroskopaufnahme nicht zeigen sollen.“ Sie kramte in einer Schublade und nahm einige Seiten Computerausdrucke zur Hand. „Ich muss diese Gewebeproben zur DNA-Analyse nach Innsbruck ins Labor schicken. Danach wissen wir mehr. Bis dahin kann ich dir nur mit anders und irgendwie dienen.“ Sie drückte ihm die Papiere in die Hand. „Das ist der vorläufige Bericht, ob du ihn nun haben willst oder nicht.“
„Du bist die beste, Jana, ich ...“
„Ja, ja, hör schon auf, dich bei mir einzuschmeicheln.“ Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Ich weiß, was du denkst, aber ich bin nicht verrückt, und die Geräte funktionieren einwandfrei.“
„Tut mir Leid. Ich glaube dir und werde deinen Bericht lesen.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich muss weiter ins Nervenkrankenhaus nach Kierling! Anschließend besuche ich Philipp im Labor und hole mir seinen Bericht und die Fotos von Basedov.“
Er ging zur Tür, wandte sich aber noch einmal um als er schon die Klinke in der Hand hielt.
„Ach ja, eine Sache noch ...“ Er kratzte sich im Nacken. „Philipp sagte, in Krems 1996 und in Gmunden 1998 hätte er ähnliche Fälle untersucht. Es ist nur so eine Idee, aber besorge mir bitte die damaligen Obduktionsberichte.“
„Ich werde es probieren ...“
Er war schon zur Tür draußen.
„... und Alex!“
„Ja?“
Er wandte sich ein letztes Mal um. Sie stand neben dem schwarzen Monitor und dem Elektronenmikroskop, unter dem sich noch immer minütlich die Zellen teilten.
„Ich weiß nicht, womit wir es hier zu tun haben. Sei vorsichtig!“


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