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Der Pakt der Mäuse

DER PAKT DER MÄUSE

Uwe Gehrmann
Roman / Fantasy

Fabylon

Taschenbuch, 352 Seiten
ISBN: 978-392707112-4

1. Auflage, 13.50 EUR
Bestellen: Jetzt bestellen / auch als eBook erhältlich

Prolog

Der Frühling war die richtige Jahreszeit, Mai der richtige Monat. Der Vollmond war prächtig gewesen, eine silberne Scheibe über den Wipfeln des Waldes. Seit Jahren hatte er auf diesen einen Tag gewartet. Jahre des Hoffens, des fruchtlosen Experimentierens. Jahre der Enttäuschung, Monate des Verzweifelns, Tage und Nächte, in denen er kurz davor gewesen war, einfach aufzugeben, alles hinzuschmeißen. Wie viele seiner Art waren vor ihm gescheitert? Wie viele waren es satt gewesen, argwöhnisch beäugte Außenseiter zu sein, waren es müde gewesen, in muffigen Kellern elende Versuche ohne Ergebnisse abzuschließen? - Wieder und immer wieder Gott zu lästern und dabei die Natur zu verbiegen, ohne sie jemals brechen zu können?
Es war ihm nicht anders ergangen. Lange Jahre des Studierens an berühmten Universitäten, die Wanderjahre von einem Meister zum nächsten, immer getrieben von brennendem Ehrgeiz, die Welt verändern zu können, sie in ihren Grundfesten zu erschüttern. Aber erfolg- und brotlos.
Und dann kam dieser eine Tag. Der ihn, Marsyas von Mamurra, unsterblich machen sollte.
Er kicherte still in sich hinein, während er unter einem gläsernen Kolben mit einem Sud von weißer Teufelskralle ein kleines Feuer entzündete. »Phyteuma spicatum«, hustete er beim Bücken beschwörend und er erinnerte sich – an den Wald, an den Vollmond. An seine letzten Zutaten, die letzten Pflanzen – Petasites officinali, die Rote Pestwurz, und Polygonum bistoria, den violetten Schlangen-Knöterich, und – die Königin der Alchimisten – die Alraune, die er gestern im hellen Licht des Mondes dem Erdreich entrissen hatte.
Versager, allesamt Versager, grinste er in Gedanken an all die Zauberer und Hexen, die es vor ihm versucht hatten, und er betrachtete liebevoll die Wurzel, die er sanft in den Händen drehte. Mit Fingern, unter deren Nägeln noch die Krumen des Waldbodens steckten, streichelte er zärtlich über die Schale. Blass und fleischig wie ein kleines Männchen schmiegte sich die Alraune in seine Hände. Warm fühlte sie sich an, als ob sie lebte. Pulsierende Kraft der Natur, alles belebt, alles atmete Sinn und Erfüllung. So sollte es sein.
Sein Triumph war nahe.
Er grunzte, als er die Alraune vorsichtig auf dem schweren Eichentisch ablegte. Aufgegeben hatten sie, ohne Ehrgeiz waren sie alle gewesen, die sich Wissenschaftler, Magier und Doctores nannten. Pah! Schlaff geworden nach hunderten Fehlschlägen, überholt und überrollt durch eine neue Zeit, die das Gaslicht dem Feuer der Fackel vorzog, eine Zeit, die Maschinen ausspie und die Macht der Magie verachtete. Entmutigt durch die Konsequenz, alles hinter sich zu lassen, was diese hohlköpfigen Gelegenheits-Hexern an ihrem sinnlosen Leben hielt. Er hingegen kannte keine Freunde, keine liebende Frau, keine Kinder. Der Zweck, das Ziel, war wichtiger als das dumpfe Wohlbefinden im all zu kurzen Augenblick der Sinnlichkeit und des dumpfen Behagens. Schein, alles nur Schein.
Ja, es war ihm schwer gefallen, Kerberos zu opfern. Ja, er hatte ihn in dieser Nacht an den Alraunenschopf gebunden. Der Wolfshund hatte gejault und leise gewimmert, als sein Herr im Dunkeln verschwunden war. Mamurra erinnerte sich, wie es ihm schwer geworden war ums Herz, als er ihn dann aus der sicheren Deckung hinter einer großen Eiche zu sich gerufen hatte. Dennoch: Was zählte schon Gefühl! Er hatte gewusst, was passieren würde, als Kerberos mit aller Kraft anzog, um zu seinem Meister zu gelangen. Aber er hatte sich verschlossen, sein Herz versteinert. In dem Moment, als Kerberos sich mit wedelndem Schwanz fast befreit hatte und die Wurzel mit herauszog, da hatte er sich die eingewachsten Ohren zugehalten, ganz fest. Und er hatte die Augen geschlossen. Der Schrei der Alraune, schrill, hoch und tödlich, war nur schwach bis in sein Gehirn gedrungen. Zu leise, um ihm Schaden zuzufügen. Als er die Augen wieder geöffnet hatte, lag die Wurzel frei und schutzlos im Gras. Und davor zuckend sein treuer, alter Hund. Überraschung in den toten Augen, die Läufe verkrampft, Blut lief in schmalen Rinnsalen aus den Ohren. Marsyas schaute nicht noch einmal hin, als er sich die Alraune griff, letzte Erdreste abkratzte und das Seil durchschnitt, das sie mit dem Hundekadaver verband. Nur ein weiteres Opfer für die Wissenschaft. Traurig, sicher. Aber notwendig.
Er hatte seinen Kerberos nicht begraben, sein Abschied aus dem Wald war ein hastiger gewesen, eher eine Flucht. Zeit zu verlieren war für Marsyas ein noch größerer Alptraum, als der Wald selbst, der sogar einem erfahrenen Magier wie ihm ein steter Grund des Unbehagens war. Unter den Bäumen und auf den satten Lichtungen gab es reiche Beute an Kräutern, Pilzen und Blumen für seine Mixturen. Doch das beunruhigende Gefühl, beobachtet zu werden, dutzende Augenpaare, die er im Nacken spürte, gaben ihm Rätsel auf und machten ihm den fast täglichen Weg immer schwerer.
Doch Marsyas hatte dieses letzte Mal das Wissen getrieben, dass sein Auftrag und sein Werk zu Ende gingen. Die Alraune und das violett-rote Büschel Kräuter unter dem weiten Gewand verborgen, hatte er im Laufschritt die Wege zwischen schwarzen Kiefern und blauschattigen Buchen genommen; dorthin, wo sein Pferd auf der Lichtung wartete.
Es war hart gewesen. Er hatte nächtelang wach gelegen, hatte gefroren in seiner trostlosen Einsamkeit. Kein tröstendes Wort, keine Hilfe von irgendjemandem. Im Dorf galt er als Sonderling. Die Leute wechselten die Straßenseite, wenn er ins Selbstgespräch vertieft an ihnen vorbei schlurfte. Meist auf dem Weg zur Apotheke, wo man seine sonderbaren Wünsche nach Pülverchen, Gerätschaften und abenteuerlichen Mischungen bereits kannte und nicht schlecht an ihm verdiente. Hinter seinem Rücken aber machten sie das Zeichen gegen den bösen Blick. Das wusste er natürlich; und in Gedanken musste er wieder lächeln. Abergläubisches Pack, allesamt.
Fluch über das schwache Menschengeschlecht, dessen Verstand zu den Sternen drängte, dessen Herz aber immer noch Astrologie betrieb! Lauwarm, statt heiß oder kalt. Nicht seine Welt.
Er war der Letzte seiner Art, Marsyas von Mamurra, ein Riese aus alter Zeit, der letzte Magier; und heute Nacht würde er es allen beweisen.
Seine Macht würde über sie alle kommen, sein Reichtum sie blenden, ihre dummen Mäuler stopfen, sie ersticken. Seine Gewalt würde den Erdkreis beherrschen. Magister Aurum, der Nabel der Welt. Und das Gold würde ihm den Weg bahnen.
Zufrieden und mit einem leisen Lächeln auf den schmalen Lippen schaute er sich um. Es war Zeit zu handeln. Das letzte Experiment, alles stand bereit: die Feuer, genährt von Sandelholz, über denen seine Rezepturen in trüben Retorten einkochten, bis sich jeweils eine klebrige, sämige Suppe am Boden absetzte. Die Röhrchen, die den Dampf aus sieben Kolben transportierten, bis wenige Tropfen von ätzender Säure in einen großen bronzenen Kessel fielen. In diesen hatte er mit einem silbernen Messer die Alraune geschnitten, die geriebenen Blätter des Knöterichs eingestreut, flüssiges Blei aufgerührt, Sulfat gemischt, Pestwurz und berauschende Pilze zu einem Sud gestoßen und die Gegensätze beschworen: Das Geheimnis aller Harmonie, aus Zwei mach Eins. Härter als Eisen, wenn Hell und Dunkel sich vereinen, mächtiger als die Kräfte der Erde und des Himmels, wenn Schwarz und Weiß sich mischen. Dunkler als der Tod, heller als das Leben.

»Sator
Arepo
Tenet
Opera
Rotas.«

So bannte er das magische Quadrat, den Kreis zu beugen, der sich hier und jetzt schloss. Er war der Meister, ihm dienten die Geister aller Sphären, die Dämonen des tiefsten Höllenkreises – seine Dämonen. Die Ghule seines armseligen Lebens, die ihn nie mehr hetzen und jagen würden. Der Lohn war ihm gewiss, er würde frei sein für immer ... mit GOLD!
Er atmete schwer und entblößte gelbe Zähne. Totes braucht Seele, das Leben drängt zum Tode, dachte er und musterte die hölzernen Käfige, die im Halbdunkel des Gewölbes auf den klobigen Tischen standen. Hier drängten sich ängstlich die Tiere, deren Artgenossen er benötigt hatte. Ihr Opfer war der Fortschritt für die Menschheit, sein Fortschritt! Ihr Tod war sein Leben. Ihr Blut sein Blut.
Er ging die Reihe ab. Hier die Überreste der Fledermäuse, dort noch das blutverklebte Fell eines Maulwurfes. Zwei räudige, halb verhungerte Katzen lebten noch, die sich fauchend und mit gesträubtem Fell an die Rückwand der Gitter drängten. Dann strich er sanft mit langen Fingernägeln über die Gitterstäbe des Käfigs der überlebenden Mäuse, die ängstlich zurückwichen. »Gegensätze«, flüsterte er. »Katzen, Mäuse: habt Dank für eure Opfer, habt Dank für alles. Bald ruht ihr in Frieden nebeneinander, ein Frieden, den ich noch suche.« Er bückte sich und klopfte an das Deckenholz, so dass sich die letzten Mäuse erschreckt an der Rückwand zusammendrängten. »Eure Brüder und Schwestern sind nicht umsonst gestorben. Auch mein Preis ist hoch, denkt daran.«
Der Magier rümpfte die Nase, enttäuscht über das Erschrecken und die Ablehnung der dummen Tiere in ihren Käfigen. »Undankbares Viehzeug, Fluch auch über euch. Niemand versteht den Propheten im eigenen Land«, ächzte er.
Es war der Preis, den alle zu zahlen hatten, die den letzten Schritt wagten: der Preis des Blutes. Schwarze Magie, die Unreinheit im Reinen und die allerletzte Zutat für sein Gebräu. Der unheilige Zauber, wenn sich Organisches mit Anorganischem mischte, das Welträtsel, dessen Lösung die Vereinigung von Blut und Kupfer ist und an dessen Ende das Gold stehen würde. Und es würde ihn frei machen – keine Zweifel mehr, kein leerer Glaube, nur noch – Gewissheit. Glasklar.
Ein trockener Husten schüttelte erneut die dunkle Gestalt, die sich jetzt ungeduldig aufrichtete, um zum Tisch in der Mitte des Kellers zurückzukehren. Mit wachsamen Augen beobachtete der Mann, wie der letzte Tropfen durch die Kolben floss. In wenigen Augenblicken würden auch das Sulfat und der pure Alkohol soweit sein. Mit einer schnellen Bewegung streifte er sich den Handschuh über und klaubte den heißen Siffon neben sich auf, in dessen Innern Knochen, Fell und Organe der getöteten Tiere zu einer klebrigen, schmatzenden Substanz zusammengekocht waren. Mit einem schweren Holzlöffel schabte er den übelriechenden Bodensatz heraus, sog mit einer Pipette einen winzigkleinen Teil Feuchtigkeit heraus und verharrte jetzt angespannt über dem Kessel aus Bronze.
Heißer Dampf schlug in sein Gesicht wie der Brodem der Hölle. Er spürte es nicht. Nur das Zittern seiner Hände verriet seine Nervosität, als der letzte Tropfen sich der Öffnung über dem Kessel näherte. Das flackernde Kaminfeuer ließ das gläserne Rohr aufblitzen. »Aus Zwei mach Eins«, keuchte er heiser, »dunkler als der Tod, heller als das Leben«. Langsam und zäh zog sich der Tropfen am Rand des beschlagenen Glases auseinander. Die Pipette war bereit. Schwebte zwischen seinen Fingern über der gähnenden Öffnung. Der Tropfen vibrierte leise, als er lang und länger wurde.
Ein leises Grollen ließ das Gewölbe erzittern, die Tiere in ihren Käfigen wurden still. Unheimlich still.
Der
Tropfen
fiel.
Gold!, zuckte es durch das Hirn des Magiers, als er triumphierend beobachtete, wie der kleine Ball Flüssigkeit in der brodelnden Masse verdampfte und sich auflöste.
Es war das letzte, was er sah.
Eine goldene Stichflamme verbrannte ihm die Augen. Er spürte es nicht. Der Donner, der der wuchtigen Explosion folgte – er hörte ihn nicht mehr. Der Kessel barst in einem Inferno von Feuer, Blitz und kreischendem Metall, das ihn an die Wand schleuderte und ihn pulverisierte.
So, als habe es ihn nie gegeben.
Erster Teil


»...Was wimmert der Wind im Kamin?
Was reden die raschelnden Mäuse?«

Peter Gan, Die Mäuse

A
ls die Tür aufgeschoben wurde und der erste Schwall Frühlingsluft ins Zimmer wehte, nahm Leo einen tiefen Zug und seine rosige Nase kräuselte sich. Der Duft pulsierenden Lebens, prickelnd und strömend, eingesogen und gefangen; pure Lust. Leo seufzte vor Glück und wandte sich zu Basho um. »Los, komm mit, draußen wartet die Welt auf uns«, flüsterte er; kaum dass er der Versuchung widerstehen konnte, sofort loszurennen – aber verzögerter Genuss ist größerer Genuss. Die Welt, da war sich Leolo gewiss, durfte ruhig noch ein wenig auf ihn warten. Auf einen wie ihn sowieso.
»Hm ...« Basho sah seinem nervösen Freund in die Augen und leckte sich die Nase; was er immer tat, wenn seine Gedanken anfingen zu wandern. »Hm ...« Er kauerte sich auf seine Vorderpfoten, musterte gelassen Leos feuerfarbene, kräftige Flanken, das mühsam beherrschte Flackern in seinen grünen Augen und das weißen Fell, das seine kantige Vorderseite bedeckte wie ein Rüschenhemd die Brust eines spanischen Edelmannes.
Makellos, dachte Basho. Aber irgendetwas ... »So so, die Welt wartet also auf uns?« Er bemühte sich, seiner Stimme einen Hauch von Langeweile zu geben. Schließlich war er um einige Jahre älter als dieser Jungspund und hatte einen Ruf von geistiger Überlegenheit zu wahren. »Was für eine Welt soll das sein?«
»Was für eine Welt? Bist du blind und taub? He, benutz deine Nase, oder ist die vom ewigen Hühnerfleisch in Soße, mit Häppchen in Gelee völlig eingetrocknet? Schnupper mal, wenn du’s noch kannst: Was ist das da draußen in diesem unglaublichen Garten? Etwa ein Misthaufen? Hundedreck? Ente aus der Dose? Mann, da liegt ein Traum zu unseren Füßen, ein Paradies streckt uns da den Hintern entgegen wie eine rollige Katze! Wie brauchen es uns nur zu nehmen, es gehört uns, klar? Komm schon!«
Basho seufzte. Immer das gleiche mit den jungen Katern, keine Geduld, kein Respekt, keine Würde, keine Demut. Ganz kurz nur, wie ein Wetterleuchten, zuckte zwar der Verdacht durch seinen Kopf, dass er vielleicht doch ein wenig zu bequem geworden war um ebenso zu handeln. War er nicht genau so gewesen als junger erlebnishungriger Kater? Basho schüttelte gelassen den Kopf, und wenn schon - der Gedanke ging schnell vorüber.
Er schaute knapp an Leo vorbei: »Ich für meine Person ziehe es vor, zuerst die Welt in mir und in diesem neuen Haus zu entdecken, bevor ich die feuchte Nase in den Wind halte. Du wirst draußen nichts finden, was nicht schon längst hier drin ist.«
Leo wurde es schon ganz wirr im Schädel. »Haben wir hier drin etwa Mäuse? Leckere, saftige, pelzige, süße, kleine Mäuse? Nee, haben wir nicht.« Leo zog unwillkürlich die Nase kraus, er roch und schmeckte ihn schon jetzt. Diesen herrlichen Duft nach zappelnder Angst und Blut auf der Zunge. »Und die Vögel erst ... Wie sie flattern zwischen deinen Zähnen, ihre Panik im entscheidenden Augenblick. O Mann, der Kuss des Schicksals, Tod am Nachmittag. Darauf willst du doch nicht freiwillig verzichten, oder?«
Basho nickte unbestimmt mit dem Kopf ins Innere der Villa: »Schau dich um. Wir sind erst gestern eingezogen. Ich sage: eines nach dem anderen. Das Haus ist riesig und uralt, es riecht nach Staub, unentdeckten Winkeln, langen Treppen, die ins Nirgendwo führen, morschen Böden und feuchten Kellern. Der Weise sagt: Bring zuerst dein Haus in Ordnung und dann kümmere dich um die Außenwelt.« Er zögerte, als er sah, dass Leo ihm schon gar nicht mehr zuhörte. »Ach, mach doch, was du willst, du primitives Abziehbild eines Raubtiers«, sagte er – etwas enttäuscht über seinen Freund, der wohl einfach in einer anderen Welt lebte. »Ich bleibe hier und -«
Den Rest hörte Leo schon gar nicht mehr. »Spinner ... wie immer«, murmelte er in seinen prächtigen Schnurrbart, als er auf die Treppe zusteuerte und elastisch federnd zur Entdeckungsfahrt aufbrach, um das traumhaft neue Reich, das sich einladend unter ihm ausbreitete, in Besitz zu nehmen. Mit steil aufgerichtetem Schwanz, das Banner des geborenen Eroberers, die geschlitzten Augen konzentriert zusammengezogen und mit einem leisen Lächeln, das kaum die nadelspitzen Zähne verbarg. Er würde über sie kommen, wie die Strafe des tigergestreiften Gottes, die Geißel des Gartens, der Erzengel in Eden, ein Fanal im Flammenfell. Und niemand würde ihn aufhalten können, schon gar nicht das Katzen-Gewäsch eines verweichlichten alten, kastrierten Katers, dieses halben Hahns.
Voller Vorfreude riss er das Maul auf, dass die Kiefer knackten. Wäre er jetzt ein Löwe gewesen, hätte in diesem heiligen Moment sein Gebrüll die Savanne erbeben lassen. Achtung, ihr armen Kreaturen da draußen, ich komme über euch! Gnus und Antilopen hätten gezittert in ängstlicher Ehrfurcht vor dem König der Steppe. Doch Leolos Triumph war ein ganz stiller. Nichts war zu hören in diesem unberührten Riesenreich, das die Maisonne so friedlich überstrahlte. Die Welt atmete sanft und fließend, nur die Blätter raschelten seidig in einer lauen Brise, als die Katze mit Samtpfoten den Rasen betrat.



»Endlich wieder was los hier!« Meinhardt rollte sich im warmen Moos auf den Rücken, streckte die Pfoten in die Luft und starrte in die Bäume. »Wie hab ich das vermisst«, sagte er sanft und forschte mit den Augen nach einer Drossel, die hoch oben im Apfelbaum sang. Vielleicht gibt es ein Gewitter, sonst wäre sie nicht zu sehen, dachte Meinhardt und ließ einen Grashalm vorsichtig durch die Krallen gleiten.
»Das sagst du jedes Mal, wenn es Frühling wird«, kam eine dünne Stimme hinter den Magnolien hervor. »Endlich wieder was los, endlich wieder was los«, äffte sie ihn im hohen Falsett nach. »Du solltest besser zusehen, das draufzufressen, was du im Winter an Speck verloren hast! Sonst wirst du die heißen Tage im Sommer nicht mehr erleben. Schließlich müssen wir starke, flinke Mäuse sein.«
Meinhardt drehte sich wieder um und sah, wie ein spitzer, grauer Kopf zwischen den jungen, noch lindgrünen Blättern erschien. Murmelnd und kauend wuselte eine zweite Maus um die harten Stängel der Büsche herum und kam in hoppelnden Sprüngen über die Wiese auf ihn zu.
»Uhland, du lernst es nie«, rief ihm Meinhardt entgegen. »Wir sind hier um zu leben, nicht zu arbeiten. Und, meine Güte, das Futter wächst uns doch hier direkt ins Maul. Wozu also die Aufregung?«
»Das will ich dir sagen, du Faulpelz!«, hechelte Uhland, vom Rennen noch etwas geschwächt. Der Winter unten in den langen, dunklen Gängen hatte Kraft gekostet. Die Ernte im wilden Garten war außerdem im letzten Sommer und Herbst nicht ganz so ertragreich gewesen; das Volk hatte in den letzten Wochen an jedem Körnchen sparen müssen, so sehr sogar, dass zwei von den Alten diesen neuen Frühling nicht mehr erlebt hatten. »Hast du schon vergessen, was der alte Hagen vor einem Mond gesagt hat?«, fragte Uhland aufgeregt und sprang und wackelte hin und her. »Der harte Winter soll erst der Anfang gewesen sein. Schlimme Dinge hat er vorausgesehen, nichts wird mehr so sein wie früher und die fetten Jahre sind vorbei. Ja, das hat er gesagt und du hast es auch gehört!«
Meinhardt schloss die Augen. »Na klar. Und früher lag mehr Schnee und das Korn stand höher und die jungen Mäuse wussten noch, was Anstand ist. Oje, Uhland, so was kannst du dir noch anhören? Damit hat die alte Mumie in den langen Nächten schon immer alle verrückt gemacht. Und? Ist jemals etwas passiert? Nee! Der Frühling kam wie immer, das Futter wächst wie immer und die Sonne ist warm wie immer; na gut ...« Meinhardt feixte. »Das Korn scheint mir weniger knackig als noch vor hundert Jahren.« Er richtete die weiterhin geschlossenen Augen auf die Sonne, die rote Kreise, gelbe Spiralen und blaue Vierecke hervorzauberte. »Oder?«
Keine Antwort.
Nur das zarte Säuseln des Windes, das Rascheln der Halme und der Gesang der Amsel – schon weiter entfernt. Vielleicht von einem Dachfirst. Es würde regnen, keine Frage.
»Uhland?« Er murmelte träge, in unbestimmte Richtung. »Uhland?«
Stille.
Rauschen. Rascheln.
Meinhardt öffnete vorsichtig ein Auge. Gleißendes Licht. Er schloss es schnell wieder. Dann ein Krachen, ein Krächzen. Nun riss er beide Augen auf, und aus dem blendenden Nichts kam ein schwarzer Schatten, der urplötzlich über ihm schwebte wie der Leibhaftige persönlich – bereit zum Zuschlagen.
»Jaaaah!«, kreischte es in seinen Ohren. »Jaaaah!« Er sprang auf, wie von der Biene gestochen; mit gehetztem Blick zurück.
Und dort wälzte sich Uhland auf dem Rasen und hielt sich vor Lachen den eingefallenen Bauch. Noch im Sprung versuchte Meinhardt sich noch zu drehen und fiel stumpf auf die empfindliche Nase.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, ächzte er und spürte, wie sein kleines Herz den Hals hoch strampelte. »Ach du Scheiße, Mann, du hättest mich fast umgebracht!«
»Und ich«, keuchte Uhland, »ich lach ...mich gleich tot. Das hättest du sehen sollen: ein echter Mäuse-Blödmann versucht zu fliegen wie die Krähe!«
»Na warte!«, rief Meinhardt, setzte zum Mäusesprint an, sprang auf Uhlands Brust und beide kullerten wie die Kletten aneinander geheftet durchs Gras, dass es nur so rauschte. Uhland, klein und behände, befreite sich als erster und flüchtete in Schlangenlinien Richtung Kiefern, unter denen altes Brennholz gestapelt war. Modernde Scheite, über und über mit Moos überwuchert, Buche und Eiche, vor Jahren aufeinander gestapelt, boten jetzt die besten Verstecke. Höhlungen, und warme, mit Kiefernnadeln gepolsterte Lücken für stille Stunden. Jetzt aber lag dort die Rettung vor dem wütenden Mäuserich, der in langen Sätzen immer dichter aufschloss. Doch es gab Ritze und Spalten, durch die auch ein dünner gewordener Meinhardt nicht folgen konnte.
»Gib auf, Mann, ich krieg dich«, keuchte Meinhardt, seinem flinken Freund fast im Nacken. »Bleib stehen!«
Doch der lachte nur, so weit das im gestreckten Galopp überhaupt ging, und legte sogar noch an Tempo zu. Noch zwei Meter bis zur Lücke im Holz. Uhland unterdrückte einen Hustenreiz, sein Herz flimmerte, seine Lungen pumpten. Noch einen Meter, sechs Sätze – und Meinhardt hätte mal wieder verloren. Uhland griente in sich hinein, obwohl ihm fast schwindlig wurde.
Den gewaltigen Schlag spürte er nicht mehr.
Er wurde von weit oben geführt, Uhland hatte ihn nicht kommen sehen können.
Etwas nagelte ihn so schnell in den Sandboden, dass nicht einmal Zeit für einen letzten Gedanken blieb. Uhlands Herz blieb sofort stehen. Eine Gnade, wenn man die Spielchen kennt, die Katzen mit ihren noch lebenden Opfern pflegen.

Als Meinhardt den großen, feuerfarbenen Blitz hinter dem Stapel hervorkommen sah, wäre es auch beinahe für ihn zu spät gewesen. Instinktiv veränderte er im Sprung noch die Richtung, verrenkte sich beinahe die Hüfte im Versuch sich seitwärts zu drehen und startete, gerade aufgekommen, sofort durch, um das hohe Gras zu erreichen. Sandkrümel spritzen auf, die hastig scharrenden Krallen kratzten kleine Risse in den Boden, und schon hetzte er im Bogen herum und schoss in eine dichte Farnpflanzung.
Erst unter dem schützenden Blätterdach kam Meinhardt zur Besinnung. Noch ohne begreifen zu können, lugte er vorsichtig zurück in Richtung der Tragödie. Er sah, er hörte, er roch sogar, aber nichts von alledem erreichte seinen Verstand. Starr vor Entsetzen und mit großen Augen nahm er die Szene in sich auf. Das konnte nicht wirklich sein. Ein Alptraum. So etwas durfte einfach nicht wirklich geschehen. Oder?
Oder ...?
Erst, als in dem schlaffen Fellbündel, das einmal Uhland gewesen war, etwas knackte und knirschte und zerriss; erst, als das befriedigte kehlige Schnurren zu ihm drang, das dem grausigen Festmahl folgte, erst da machte etwas Klick hinter seiner Stirn.
»Eine Katze, es ist eine Katze im Garten«, flüsterte etwas zwischen seinen zitternden Ohren. »Mein Gott, eine Katze«, wiederholte Meinhardt und er begann langsam zu verstehen. »Eine Scheiß-Katze!«, schrie es plötzlich aus ihm heraus, als sei ein Blitz in ihn gefahren, und er stob aus dem Dickicht. Auf und davon in Richtung seines Geheges.



Wie viele Sommer hatten sie hier schon erlebt? Hagen versuchte gar nicht erst, sie zu zählen. Warum auch? Sie lebten gut in diesem wunderschönen Garten, was zählten da schon die Jahreszeiten, die kamen und gingen. Gut, in manchen harten Wintern hatte er schon die kleinen Verwandten beneidet, die Hausmäuse, diese verwöhnten, verweichlichten Typen, die sich an die Menschen heranschmissen, als seien sie dressierte indische Pestratten. Und so fett wie diese wurden sie dabei auch noch ... Trotzdem, tauschen wollte er mit denen auch wieder nicht, trotz des Specks in warmen Vorratskammern, liegengelassenen Käsebröckchen auf gewienerten Holzfußböden oder Kartoffelbergen in trockenen Kellern. Denn: Kein Schlaraffenland ohne Schattenseiten ...
Hagen lächelte schwach und drehte sich mit einem kleinen Seufzer auf den Rücken. Es ging ihnen gut. Und das schon lange. Der Alte war hier unten geboren und kannte die entbehrungsreichen Zeiten der Wanderung seiner Familie nur vom Hörensagen, aus den alten Geschichten, die Gerburg, ihre alte Stammmutter, vor vielen Wintern im warmen Nest erzählt hatte. Hagen schloss seine Augen und wanderte im Geiste all die Jahre zurück.

Draußen tobte der Sturm, die Blätter fielen im kalten, klatschenden Herbstregen. Und drinnen kuschelten sie sich aneinander, spürten gegenseitig den leisen Atem der Brüder und Schwestern an der Brust, ein Strohhalm kitzelte das eine oder andere empfindliche Ohr, so dass es träge zuckte. Hagen und seine Geschwister Anselm, Fedor, Falk, Amrei und Freia schwammen zwischen wohligem Schlaf und Lauschen, schwebten mit der einlullenden Stimme Gerburgs durch Felder, Wiesen, zwischen Baumwurzeln und Waldrändern und entwischten im strammen Sprint streunenden Katzen und Wieseln über bucklige Äcker.

Hagen starrte ins Dunkel, wo sich die lehmige Höhlendecke in der Dämmerung verlor, und atmete tief durch. Schön war’s gewesen. Damals. Und schön war es immer noch, hier in diesem riesigen Garten, in den Gerburg sie geführt hatte, nachdem das Volk im alten Nest zu zahlreich geworden war, um alle ernähren zu können. Ein Garten, der allen eine neue Heimat gegeben hatte. Bisher jedenfalls.
Weit weg lag ein verlassenes Menschenhaus, irgendwo hinter den Büschen und verwilderten Sträuchern. Kaum je tauchte einer der lästigen, großen Zweifüßer auf, der sie störte. Und es gab – nicht zu fassen! – kaum Feinde, die es auf saftige, leckere Mäuse abgesehen hatten. Für Eulen, Wiesel, Bussarde oder Füchse zu weit weg vom Wald, für Hunde und Katzen nicht nahe genug an der Stadt. Seine fünf Geschwister waren hier gestorben, Freia erst letzten Herbst, und er, Hagen, war als einziger übrig geblieben, die Familie zu führen, die sich hier prächtig entwickelt hatte.
Bisher jedenfalls ...
Er rollte sich wieder auf den Bauch, satt und zufrieden mit sich und der Mausewelt und bettete sein faltiges Haupt auf die Vorderpfoten. Alles war gut.
Aber dennoch ...
Wenn in letzter Zeit nicht die schlechten Träume gewesen wären. Seit Wochen schon fiel ein dunkler Schatten auf sein pralles, zufriedenes Leben. Oft war er in der Nacht aufgeschreckt, das Fell gesträubt, das Herz hämmerte die Kehle hoch – Bilder von Chaos, Blut und Tränen irrlichterten durch seinen Schlaf, von verzweifelter Flucht ohne rettende Löcher, von Krähen in kahlen Sträuchern.
Hagen wischte mit den Pfoten über die Augen. Weg damit! Aus! Phantasien eines alten Mäuserichs, der undankbar war und dem die Jahre die Sinne trübten. Er atmete tief und streckte sich auf dem Stroh aus. Wie viele Jahre hatte er noch? Eines? Zwei? Egal, lass es dir gut gehen, sei vernünftig, und denk an die Mäusephilosophie: fressen, nicht gefressen werden! Und tatsächlich: Ein wenig Appetit regte sich in ihm, aber zu wenig, als dass er ihm im großen Stile nachgegeben hätte. Die alten Knochen taten weh und der Weg nach oben durch die verzweigten Gänge war lang. So knabberte er schließlich ein paar trockene Körner, die ihm Gerlinde gestern gebracht hatte und genoss dabei die Ruhe einer Höhle ganz für sich allein. Ab und zu ein weit entferntes Kratzen, leise Stimmen, wie ein Murmeln hinter den dicken Wänden, das die Stille nur noch lauter machte. Hagen schaltete das Denken ab und begann zu träumen ...

Zuerst nur ein leises Blinzeln, hoch hinauf ins Geäst, dort, wo sich die alte Eiche mit langen Spinnenfingern in den dunkelblauen Himmel streckt. Die Mondsichel ist gerade aufgegangen und behauptet sich bereits elfenbeinern gegen das schwindende Sonnenlicht. Dann beide Augen auf, ganz vorsichtig, und alles, alles ist wieder da: die kleine Lichtung, der riesige Baum, an dessen furchige Borke er sich zitternd drängt, und das hohe wispernde Gras, eine weite Fläche für eine kleine Maus, die kaum über die wippenden Halme blicken kann. Ein Atmen, ein Fiepen und Seufzen neben sich; Hagen wirft sich auf die Seite und sieht Anselm, Falk und Freia an seiner Seite, alle drei ängstlich aneinander gedrängt. Sein Atem ist ihrer, ihr Herzschlag ist seiner. Hagens Geschwister starren hinüber an den Waldrand, dorthin, wo Haselbüsche und Eiben das letzte Licht des beginnenden Sommerabends schlucken und die Dunkelheit weiterreichen, ins schwarze Gestrüpp und Unterholz des dichten Waldes. Auch er versucht am Rande der Lichtung etwas zu erkennen, verengt die Augen, starrt angestrengt und ängstlich, dass die Schnurrhaare nervös zucken. Und tatsächlich: Hat sich da nicht etwas bewegt?
Eine durcheinander gewürfelte Steingruppe im Gras, noch nicht ganz im Schatten der Birken und daher gut zu sehen. Oben, auf dem ersten Felsen der Gruppe, hüpfen kleine Tiere auf und ab.
Oder trügt ihn die hereinbrechende Nacht?
Nein, es stimmt: Mäuse; es sind Mäuse. »Das ist Mama«, wispert eine Stimme neben ihm. Freia beugt sich von der Seite zu ihm herüber. »Fedor und Amrei sind mitgegangen. Sie spricht mit IHR«. Mit IHR?, denkt Hagen verwirrt und dann sieht er es: Ein fahles Licht, wie der stärker werdende Schein des Mondes, es wird heller, flackert wieder auf, wird schwächer, pulsiert, kommt zurück und scheint schließlich gleichmäßig. Ein im sanften Abendwind wehender Schleier von Strahlen erhebt sich über dem größten, aufrecht stehenden Stein in der Mitte des Kreises und schwebt über Gerburgs Kopf. Die Mutter, auf den Hinterfüßen stehend, duckt sich und neigt den Kopf, als lausche sie einem unhörbaren Gegenüber. Fedor und Amrei tun es ihr nach.
Hagen zittert. Freia, Anselm und Falk stöhnen kaum hörbar – die Lichtung, die jetzt immer mehr im Schatten liegt, hebt und senkt sich, beginnt sich langsam zu drehen.

Hagen wird es übel, er ächzt, die Haare stehen zu Berge, ihm ist schwindlig und er schließt die Augen. Die Mutter, die Geschwister, die Wanderung, denkt er, das kann doch gar nicht sein. Er ist der Jüngste, er war gar nicht dabei, er kann dies nicht wissen.
Hagen schüttelt sich und steckt die Schnauze zwischen die Pfoten. Keine Erscheinung mehr, kein leuchtender Steinkreis, nur Farbenkreise schwirren in seinem kleinen, geschlossenen Mäuseuniversum.

Der Wind ist lau und säuselt durchs Gras. Er weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, als die Halme direkt neben ihm rascheln, immer lauter und lauter. Etwas kommt schnell auf ihn zu, nichts Großes; aber sein Herz galoppiert – und setzt einen Schlag aus, als er angestupst wird. »Hagen ...« Er erkennt den Ton – Gerburgs Stimme.. Er schlägt die Augen auf und da steht sie über ihm, so alt, wie er sie als junger Mäuserich kannte. Steingrau, mit schon fadenscheinigem Fell an den zu großen Lauschern und mit dem eindringlichen Blick, an den er sich so gut erinnern kann. »Hagen, sieh mich an«, sagt sie vorsichtig und schaut ihm direkt ins Gesicht. Wie eine übergroße Ratte, so nahe ist sie, beugt sich über ihren Sohn, der an die Eiche gedrängt nicht mehr zurückweichen kann. Die Zähne, gelblich-weiß gebleckt kommen näher und näher, bis ihr warmer Atem sanft über ihn streicht. »Hagen, mein Sohn«, sagt sie auffordernd. Süß wie warmes Eisen riecht es aus ihrem Maul. »Sieh mich an und fürchte dich nicht.« Und Hagen sieht sie an, sieht ein geflecktes Fell, spitze Ohren, lange, weiße Barthaare und grüne, schräge Augen blitzen über einem weit geöffneten Maul mit rasiermesserscharfen Zähnen – bereit zum Biss. »Eine Katze«, denkt er noch. Und dann kreischt er und schreit und schreit: »Eine Katze, eine Katze! Eine Katze in unserem Garten!«

»Eine Katze in unserem Garten!«
Ein wummernder Schlag des Herzens ...
»Eine Katze in unserem Garten!« ...
Ein Jaulen ...
»Eine Katze in unserem Garten!«
Und der Vorhang zwischen Schlaf und Wachen wird von scharfen Krallen entzweigerissen.

Hagen saß aufrecht, rang nach Atem, sein Fell war nass. »Eine Katze in unserem Garten«, dröhnte es aus den Gängen, irgendwo hinter den Wänden. Ein Scharren, ein Rennen von vielen Mäusefüßen, Panik im Bau. »Mutter«, stöhnte er. »Warst du das ...?«


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