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Startseite > Bücher > Phantastische Geschichten > Eloy Edictions > Markus K. Korb > INSEL DES TODES > Leseproben > Die kalte Anni

Die kalte Anni

Amygdala
INSEL DES TODES

Markus K. Korb
Roman / Phantastische Geschichten

Eloy Edictions

Amygdala: Band 6
Taschenbuch, 242 Seiten
ISBN: 978-393841106-3

Mai. 2006, 1. Auflage, 13.00 EUR
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Eine Begegnung mit der Kalten Anni hat stets grässliche Folgen. Nur wenige haben dies geistig und körperlich unbeschadet überlebt. Dass ich einer dieser Glücklichen sein sollte, war mir stets ein Rätsel. Doch inzwischen weiß ich, dass auch mich die Berührung ihrer toten Hand verletzt hat, dass sich diese Verletzung aber erst nach und nach zeigte. Als Kind verstand ich nicht die Bedeutung dieses Kontaktes. Nun aber, nachdem ich das vierzigste Lebensjahr überschritten habe, lebe ich schon lange mit dem Wissen. Eine Bürde, die von Jahr zu Jahr schwerer auf mir lastet, so dass ich jetzt an einem Punkt angelangt bin, an welchem ich unter der Last drohe zusammenzubrechen.
Dieses Manuskript soll mein Vermächtnis an die Welt sein, bevor ich mir die Pistole unters Kinn schieben und abdrücken werde. Alle sollen wissen, was es war, das mir die Kalte Anni durch ihr Handauflegen mitteilte. Vielleicht kann ich auf diese Weise mithelfen, den Bann zu brechen, den die Kalte Anni mit ihrer Erscheinung auslöst, auf dass niemals wieder ein Kind darunter zu leiden habe.
Ja, eine Warnung an die Eltern soll es werden, ihre Kinder nicht mit grausamen Geschichten von der Kalten Anni zu ängstigen, da gerade dies die Erscheinung anlockt.
Und noch heute sehe ich die Kalte Anni vor mir, wenn in Vollmondnächten der Nebel vom Fluss aufsteigt und herankriecht, so dass die Schemen der Häuser wie Riesen durch die Schwaden zu stapfen scheinen. Mit dem Nebel kommt sie, so sagte man uns Kindern.

ch war sieben, als ich das erste Mal von der Kalten Anni hörte.
'Räum dein Zimmer auf, sonst kommt die Kalte Anni aus dem Bach und holt dich!'
Ich erinnere mich, wie meine Mutter mit verschränkten Armen vor mir stand. Ihre drohenden Worte verfehlten ihre Wirkung auf mich nicht. Zwar wusste ich nicht, wer die Kalte Anni war, aber allein dieser Name und die Tatsache, dass sie aus dem Bach herauskomme und mich mit sich nehmen würde, erschien mir grauenhaft.
Ich folgte Mutters Anweisung, räumte meine Spielzeugautos gewissenhaft unter ihren wachsamen Augen in die bereit stehenden Kisten und Schubladen, steckte Kuscheltiere in den Leinensack und stellte die Modellflugzeuge ordentlich in einer Reihe auf meinen Schreibtisch.
Später, als wir nach dem Essen noch in der Küche beisammen saßen, fragte ich meine Mutter nach der Kalten Anni. Sie drehte die Augen heraus und senkte die Stimme zu einem heiseren Flüstern.
'Wer die Kalte Anni ist, willst du wissen?'
Ich nickte. Ein Fehler.
Mutter sah meinen Vater an. Dieser bemühte sich ein Grinsen zu unterdrücken. Ahnte er schon, welche abscheuliche Wirkung Mutters Geschichte auf mein kindliches Gehirn haben würde? Diese rückte näher an mich heran und nahm meine kleinen Hände in die ihren.
'Die Kalte Anni ist das Gespenst einer Frau, die einst hier in der Stadt lebte. Man sagt, dass sie ein Kind erwartete, dessen Vater niemand kannte. Angeblich soll es ein Landstreicher gewesen sein. Der Kindsvater hat die Kalte Anni verlassen, sobald er wusste, dass sie schwanger war. Ein Kind zu haben, ohne verheiratet zu sein, galt damals als eine entsetzliche Verfehlung, dessentwegen man in die Hölle kommen sollte. Die Kalte Anni schämte sich so sehr darüber, dass sie beschloss ihrem Leben und dem ihres Kindes ein Ende zu bereiten. In einer Vollmondnacht sah man sie durch die nebligen Gassen schwanken, die Hände vors Gesicht geschlagen und dabei laut schluchzend. Ihr Weinen hallte über das Kopfsteinpflaster, echote von den Wänden der Häuser zurück. Alle konnten sie hören, viele Menschen sahen sie auch, wenn sie aus den Fenstern herabblickten. Aber niemand ging zu ihr hinaus um sie zu trösten. Und so taumelte sie weiter durch den Nebel hin zum Bach. Die Fischersfrauen, deren Häuser nahe an der Kaimauer standen, wollen gesehen haben, wie die Kalte Anni die Steintreppen hinab schritt, den Blick teilnahmslos in die Ferne gerichtet, die Hände gesenkt. Fast lautlos glitt sie ins Wasser, ging ein paar Schritte und versank mit einem Gurgeln an einer tiefen Stelle.'
Dass diese Worte ihre entsetzliche Wirkung auf mich nicht verfehlten, muss nicht betont werden. Aber noch war die Erzählung meiner Mutter noch nicht fertig. Das fürchterliche Ende sollte erst noch kommen.


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