Auszug aus BAT CITY
"Hörst du den Donner?" Natassja löste sich aus Anwars inniger Umarmung und setzte sich auf.
"Mhm", stimmte er schläfrig zu, streichelte ihren nackten Körper und die zarte schwarze Membran, die Haut und Flügel auf ihrem Rücken miteinander verband. "Die Wüste kann Regen vertragen. Seit Monaten herrscht Dürre. Nach einem ordentlichen Guss erwachen die Pflanzen zu neuem Leben und verwandeln die Ödnis in ein Farbenmeer, wenn auch nur kurz. Das ist ein Spektakel, das wir uns nicht entgehen lassen dürfen. Dafür geschieht es zu selten. Wir werden es uns zusammen ansehen
Später
" Er richtete sich auf und bedeckte ihre weiße Hüfte und ihre schmale Taille mit Küssen.
"Nicht! Ich bin kitzelig!" Natassja kicherte und wehrte ihn halbherzig ab. Schon loderte ihre Begierde wieder auf. Sie schlang die Arme um seinen muskulösen Körper. Sie küssten sich leidenschaftlich und rollten vom Fels in die warmen, sprudelnden Quellen. Da dröhnte und polterte es genau über ihnen.
Sie fuhren auseinander und sahen sich fragend an.
"Das ist kein Donner
", meinte Natassja. "Das sind
"
"Pferdehufe!", antwortete Anwar und schwang sich, so schnell er konnte, aus der Quelle. Hastig schüttelte er das Wasser ab und streifte seine Kleidung über. "Verdammt! Wo ist meine Axt?" Er sah sich nach seiner Waffe um.
"Du hast sie gar nicht bei dir getragen", antwortete Natassja. "Wofür brauchst du sie denn? Was ist los?" Sie kletterte aus dem Geysir und streifte die Wassertropfen von ihrer Haut ab.
"Bleib hier! Ich will nicht, dass dir etwas geschieht. Wenn dort oben das ist, was ich befürchte, wird unsere Welt bald nicht mehr wiederzuerkennen sein."
"Wovon sprichst du? Du machst mir Angst!" Obwohl Natassja gerade dem heißen Wasser entstiegen war, begann sie zu zittern.
Statt einer Antwort trat Anwar auf sie zu, küsste sie, als sei es das letzte Mal, und meinte: "Versprich mir, dass du hier unten bleibst und auf mich wartest. Falls ich nicht zurückkomme, verlass frühestens nach vierundzwanzig Stunden die Höhle. Verstanden?"
Sie nickte. Was sollte das heißen: falls er nicht zurückkam? Panik ergriff sie. "Anwar!"
Doch er war bereits in den Gängen des Labyrinths verschwunden.
Eilig zog sie ihre Kleider an. Was immer dort draußen vor sich ging, es bedrohte das Leben der Bat People und somit auch ihres. Sie würde sich von Anwar nicht verbieten lassen, ihre neue Familie zu beschützen.
Gerade warf sie ihren Umhang über, da ertönte direkt über ihr ein Traben, Trommeln und Poltern, als jagten die Hufe Hunderter Pferde davon. Obwohl meterdicke Gesteinsschichten zwischen ihr und der Oberwelt lagen, zog sie automatisch den Kopf ein.
Doch der Geräuschpegel schwoll wieder ab. Das Donnern entfernte sich. Wer oder was auch immer die Vampirmenschen heimgesucht hatte, es machte sich davon. Natassja breitete ihre Schwingen aus und sauste durch das Tunnellabyrinth nach draußen.
Eine riesige Staubwolke stob ihr auf dem Berg entgegen und hüllte sie ein. Sie hustete und konnte keinen Meter weit sehen. "Anwar?!", rief sie und erschrak über ihr dünnes, furchtsames Stimmchen. Sie kämpfte sich durch den gelben, aufgewirbelten Dreck zum Eingang der Vampir-Grotte vor. Da raste plötzlich ein großer Schatten aus dem Nebel auf sie zu.
Ein nachtschwarzes Pferd sauste im Galopp heran. Sein Reiter hing vorgebeugt über dessen Nacken und trieb es an. Die Mähne des Tieres flatterte in sein Gesicht. Dennoch erkannte Natassja seine Züge. Wie gelähmt blieb sie stehen. Sie hatte noch nie eine so furchterregende Fratze gesehen. Die Gestalt glich einem Wesen aus einem Horrorfilm. Der Mann war sehr groß. Im Stehen musste er zwei Meter messen. Er trug Kettenhemd, Helm, Schild und Lanze. Sein Äußeres ähnelte dem einer Fledermaus. Jedenfalls besaß er ihre Ohren und Flügel. Sein Gesicht zeichnete sich jedoch durch eine spitz zulaufende Hundeschnauze und kleine, schmale pechschwarze Augen aus. Sie waren es, die Natassja die Nackenhaare hochstehen ließen. Ihr Ausdruck war leer. Ihr Besitzer machte keine Gefangenen.
In dem Moment begegneten sich ihre Blicke. Natassja erschauerte, und sie wich vor Furcht und Abscheu zurück. In diesem Moment prallte der Brustkorb des Pferdes gegen ihre Schulter. Die Wucht schleuderte sie durch die Luft. Sie fiel zu Boden. Als sie Reiter und Ross nachsah, waren die beiden im Staub verschwunden. Die Begegnung war so kurz, dass Natassja beinahe glaubte, sie habe sie sich eingebildet. Langsam rappelte sie sich hoch und wandte sich wieder dem Eingang der Vampir-Grotte zu.
Da lichtete sich der Staubnebel und bot ihr einen schrecklichen Anblick.
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