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Am Rande der Hoffnung

AM RANDE DER HOFFNUNG
AM RANDE DER HOFFNUNG

Michael M. Thurner, Volker Ferkau
Roman / Science-Fiction

Fabylon

SunQuest: Band 5
Broschiert, 240 Seiten
ISBN: 978-392707121-6

Feb. 2008, 1. Auflage, 10.00 EUR
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»Tickets!«, schrie der Marketender. »Eine Fahrt Richtung Osten bietet Altim der Zarte für zwei Passagiere in der sonst ausgebuchten Kutsche. Durch die Wallwach-Ebene, über den wildromantischen Golgan-Pass, durch das bezaubernde Hochland Amendur. Nach einem eintägigen Aufenthalt in der Stadt Choc geht es weiter, der Meeresluft entgegen.« Der sechsarmige Qualloide holte tief Luft, blähte seinen Körper weiter auf und trötete mit lauter Stimme quer über den Handelsplatz: »Noch niemals zuvor wurde ein derart großzügiges Angebot gemacht, noch niemals zuvor war Altim bereit, jemanden zu besonders günstigen Konditionen in der Kutsche mitzunehmen.«
»Halt besser dein eitriges Maul!«, brüllte ein anderer Krämer mit dem ungefähren Aussehen eines feisten Mastochsen dagegen an. Mit einem langen Augenrüssel deutete er auf den Qualloiden: »Dieser Schlurf, dessen Gegenwart ich seit nunmehr elf Jahren erdulden muss, fabriziert heiße Luft, sonst nichts! Ich allein besitze das verbriefte Recht, Altims Tickets anzubieten. Hört nicht auf meinen keineswegs geschätzten Vorredner und bucht bei mir! Eine Fahrkarte, dazu ein Gläschen Schaumwein und ein Handtuch zum Abtrocknen nach dem Entrichten der Fahrtaxe – wer könnte da noch widerstehen? Sagt selbst, werte Interessenten, ist dieses Angebot noch zu toppen?«
»Selbstverständlich ist es das, du Auswurf eines stinkenden Gedärms«, ergriff nun wieder das Quallenwesen mit nochmals erhöhter Lautstärke das Wort. »Ein einziger Schluck von deinem Schlabberwasser führt zu stundenlangem Erbrechen, und deine Handtücher sind von Legionen an Flöhen durchsetzt. Mir hingegen ist es gelungen, Altim eine weitere Gunst abzuringen: Der Zarte ist bereit, seine persönlichen Lieblingsplätze zu räumen! Die geneigten Interessenten werden gebeten, sich den Luxus dieser Reise bildlich vorzustellen: die friedliche Landschaft zieht draußen still vorbei, ein Bänkelsänger erzählt von der guten alten Zeit, und von der bezaubernden Reisehostess werden die begehrtesten Delikatessen serviert, die auf Less zu bekommen sind ...«
»Das hört sich zu gut an, um wahr zu sein«, sagte Shanija leise zu Mun. »Trotzdem: die Reise mit einer Kutsche bedeutet Zeitgewinn und weniger Unannehmlichkeiten.«
Der Adept sah sie blicklos an. Er überlegte lange, bevor er antwortete, mit einem verstohlenen Blick auf einen aufgequollenen Uriani, der neben ihnen stand und mit weit aus dem Gesicht hängender Zunge Notizen auf einem Wachsblock anfertigte.
»Zeitgewinn – ja«, flüsterte er. »Weniger Unannehmlichkeiten – nein. Diese beiden Agenten sehen mir keinesfalls vertrauenserweckend aus. Und von Altim dem Zarten habe ich während meiner Reisen nur das Schlechteste gehört. Keiner der beiden Anbieter hat bislang gesagt, welche Gegenleistung man für die Tickets erbringen muss. Ich kann’s mir allerdings vorstellen ...«
Sie steckten im Gewirr fest, das sich rings um den Rufplatz im Zentrum des Marktes gebildet hatte. Stummelfüßige Laufschrecksen drängten sich neben Kuntar, Menschen neben zottelige Voiden. Ungewohnte Gerüche vermengten sich, eine seltsame Stimmung hatte die schätzungsweise mehr als zweihundert Neugierigen und Interessenten erfasst.
»Ich habe keine Angst vor irgendeinem feisten Krämer.« Shanija zuckte mit den Achseln. »Ich kann mir den Kerl sicherlich vom Leib halten, sollte es notwendig sein.«
»Bei Altim handelt es sich um einen Samti. Um einen mit der Kutsche verwachsenen Schleimbatzen, dessen Einflüsterungen dich selbst in deinen Träumen verfolgen. Er sitzt seit Jahrzehnten in dem Gefährt und schließt dort seine Geschäfte mit den anderen Reisenden ab. Er suggeriert Dinge, bezirzt dich, beherrscht alle Arten der Überredungskunst. Ein Samti ist selbst für meine Willenskraft eine bemerkenswerte Herausforderung.«
Shanija überlegte. Muns Beharrlichkeit rang ihr immer wieder Bewunderung ab. Der Adept verfolgte seine Ziele konsequent und voller Hingabe. Er war ihr zum verlässlichen Freund und Partner geworden.
»Ich verlasse mich auf dich, wenn etwas schiefgehen sollte«, sagte sie. »Du weißt, wie sehr es mich drängt, zur Urmutter zu gelangen. Ich bin die Ritte auf stinkenden und spuckenden Tieren allmählich leid. Der Komfort einer Kutsche bedeutet gesparte Kraft, die wir sicherlich später benötigen werden.«
Qualloide und Mastochse stritten indes auf ihrem Podest munter weiter. Abwechselnd warfen sie sich Beleidigungen an den Kopf, die für Gelächter oder hochrote Köpfe im Publikum sorgten.
»Sieh dir die Frucht-, Wein- und Fleischhändler ringsum an«, sagte Mun. »Sie kümmern sich nicht weiter um das Spektakel. Wahrscheinlich müssen sie es jeden Tag über sich ergehen lassen. Ich vermute auch, dass die beiden vermeintlichen Kontrahenten in Wirklichkeit zusammenarbeiten. Das ist eine abgekartete Sache, sage ich dir. Es ist vollkommen egal, wer von ihnen tatsächlich ein Ticket an den Mann bringt. Sie kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten.«
»Mag sein«, sagte Shanija leichthin. »Ich habe mich dennoch entschlossen. Wir nehmen diese Kutsche. Ich erkundige mich, wie viel die Fahrt kostet ...«
Mun hielt sie fest, bevor sie näher zum Podest vorrücken konnte. »Es ist anzunehmen, dass dir das Geschäft nicht besonders gefallen wird.«
»Ich verstehe nicht ...«
»Altim ist dafür bekannt, einen Gegenwert in Ovarien und Spermien zu fordern. Möchtest du deine Beine vor einem Pflanzenwesen breitmachen und darauf warten, dass es dich penetriert?«

Szenentrenner


»Oh.« Shanija ließ sich von Mun ohne weitere Gegenwehr aus der wogenden Masse der Zuhörer ziehen. Nur nicht rot werden, dachte sie – und wechselte prompt die Farbe.
»Samti wie Altim schenken beim Geschlechtsakt mit Fremdrassigen Träume voll Ekstase«, erklärte der Adept, wie immer mit ausdruckslosem Gesicht. »Über ihre natürlichen Fähigkeiten, Orgasmen bei jedwedem Sexualpartner herbeizuführen, werden landauf, landab die wildesten Zoten verbreitet. Egal, ob Männlein oder Weiblein – jedermann kommt auf seine Kosten.«
»Und was hat nun Altim von einem derartigen Handel?«
»Der Sexualakt ist für ihn nicht nur ein kindliches Vergnügen. Er entnimmt das, was er benötigt. Der Geschlechtsakt stimuliert sein Wachstum, und bei ausreichend angesammelter Masse an Spermien und Ovarien jedweder Herkunft ist er in der Lage, einen Ableger zu formen und von sich abzuspalten. Ein Kind, das eine Zeitlang als Teil von ihm heranwächst und irgendwann, wahrscheinlich in einem anderen Gefährt, eingesetzt wird, um dort im Namen seines Elters Handel zu treiben. Das merkantile Geschick der Samti ist, wie gesagt, durchaus bemerkenswert ...«
»Mag sein. Aber ich werde mich keinesfalls mit einem Ding, das wie ein Nasenpopel aussieht, ins Bett legen. Oder wohin auch immer.« Obwohl der Gedanke, unglaubliche Höhen zu erklimmen, durchaus seinen Reiz hatte. Aber ... nein.
Sie ließen den Trubel des Marktplatzes hinter sich und marschierten durch eine der engen Gassen des kleinen Städtchens Stondal, dessen Tore sie gestern durchschritten hatten.
»Dann also doch auf zu den Stallungen«, sagte Shanija. Sie seufzte. »Irgendein Tierchen mit halbwegs guten Manieren und akzeptabler Verdauung wird schon dabei sein.«
»Ich habe diese Hoffnung längst aufgeben.« Mun atmete tief durch. »Und ich bin, wie du weißt, schon dreißig Jahre unterwegs.«
»Scheiße.«
»Im wahrsten Sinne des Wortes.«
Ein Knall wie von einem Sektkorken ertönte. Shanija drehte sich um, das Schwert aus Kreischerstahl fest in der Hand.
Mun war ebenfalls schnell; der Wanderstock lag neben der Schwertspitze dicht an den Halsfalten eines Uriani. »Ich erkenne dich«, sagte der Adept mit leiser Stimme »Du bist am Handelsplatz neben uns gestanden. Folgst du uns etwa?«
»In der Tat, Hoher Herr«, krächzte der Krötenähnliche, »aber ich tat es mit gesetzeskonformen Intentionen.«
Shanija ließ das Schwert sinken, trat einen Schritt näher und beäugte das Wesen, das ihr knapp bis zur Brust reichte. Es sonderte fischigen Gestank ab. Aus Drüsen unterhalb seiner Arme drang faulige Flüssigkeit und tropfte zäh zu Boden.
»Dann sag, was du zu sagen hast«, forderte sie den ängstlich vor sich hinmümmelnden Uriani auf.
»Mein Name ist Grochtoch, Hohe Herrin, und ich bin erstens ein bescheidener Diener der hiesigen Stadtverwaltung, der zweitens seinen ersten Außendiensteinsatz zu erledigen hat. Anmerkung A Strich Eins: Ich bin bei meiner Aufgabe auf Hilfe eines/mehrerer Außenstehenden angewiesen. Anmerkung A Strich Zwei: Ich verfüge über die notwendigen Mittel und Befugnisse, meine Helfer – Klammer auf, steuerfrei, Klammer zu – zu entlohnen. Präambel zu Anmerkung A: Ihr, die potenziellen Vertragspartner X und Y, könntet diese Entlohnungswürdigen sein. Ihr könntet euch die Kutschenpassage verdienen, indem ihr euch in Kollaboration mit mir, potenzieller Vertragspartner Z, begebt.«
»Ich habe nicht all zu viel von dem verstanden, was du gesagt hast«, meinte Shanija verwirrt.
»Das war das übliche Beamtengebrabbel.« Mun lockerte den Griff um den Stab und stellte sich entspannt vor den Uriani. »Grochtoch bietet uns Arbeit als Kollaborateure an.«
»... und, Schrägstrich, oder Zeugen«, ergänzte das Krötenwesen.
»Welche Schweinerei erwartest du von uns, mein Freund?« Shanija musste grinsen. Irgendwie fand sie Gefallen an Grochtoch.
Der Uriani bat sie einen Schritt beiseite, ins Dunkel eines Weges, der in einen Hinterhof führte. »Das Transportkontor Transless-Express, das die Kutschenlinie Richtung Choc betreibt, ist der Stadtregierung Stondals ein Dorn im Auge«, flüsterte er. »Entweder suchen wir, Punkt Eins, nach Beweisen, um die Herrschaften der Steuerhinterziehung aufgrund der getätigten beziehungsweise zu tätigenden Geschäfte zu überführen, um Punkt Zwei, Variante A, eine Anklage zu erheben ...«
»Oder?«, fragte Shanija.
»... oder, um gemäß Variante Zwei B, ein mir genehmes Bestechungsgeld bestimmen zu können. Gezeichnet, in Anwesenheit, Grochtoch, Hilfshäscher.«
»Ich bin ein Adept«, wandte Mun ein. »Ich werte nicht, ich betrüge nicht. Ich beobachte, ohne mir ein Urteil zu erlauben ...«
»Wir sind dabei«, überstimmte Shanija ihren Mitreisenden, ohne lange zu überlegen. »Du besorgst uns die beiden Tickets, ohne dass wir mit Altim irgendwelche ... Dinge anstellen müssen, und ich liefere dir die notwendigen Informationen, die Mun in seiner unbestechlichen Art bestätigen wird. Ist das ein für dich gangbarer Weg, Grochtoch?«
»Selbstverständlich, Hohe Frau!« Der Uriani verbeugte sich höflich ein ums andere Mal. Seine schlabbrige Zunge berührte den Boden. »Der Ruf eines Adepten steht erstens ohnehin außer Frage, und wer mit Mun, dem einzigen Menschen im Dienst des Zentralarchivs reist, ist zweitens glaubwürdig. Text Ende, kein Kleingedrucktes als integrer Bestandteil des Vertrages erforderlich.« Er spuckte in eines seiner dünnen Händchen und reichte es Shanija. »Hiermit akkordiert, mit vorzüglicher Hochachtung, versehen mit Datum und Ort der Unterzeichnung, et cetera und so weiter?«
Widerwillig ergriff die Frau die Hand und schüttelte sie mit wenig Begeisterung. Sie war zwar wenig zimperlich, aber was Händeschütteln betraf, hatte sie schon bei ihren Einsätzen stets Handschuhe getragen.
»Dann sehen wir uns morgen zu Sonnenaufgang in den Stallungen des Reiseveranstalters Transless-Express, woselbst ich euch die Tickets überreichen werde. Erschreckt nicht ob meiner Verkleidung. Täuschung und Tarnung scheinen mir in vorliegendem Fall unabdinglich. Protokollarische Aufzeichnung Ende.«
Abrupt drehte sich der Uriani um und hetzte in weiten Froschsprüngen davon. Die Geräusche des schwerfällig landenden Körpers hallten von den Wänden der Häuser noch für einige Sekunden wider. Dann kehrte Stille ein.
»Hast du denn eine Ahnung, auf was du dich da einlässt?«, fragte Mun. »Ein Steuereintreiber in Ausbildung, ein notgeiler Händler, und wir genau dazwischen?«
»Sehe ich da Zornesfalten auf der Stirn entstehen, lieber Mun?« Shanija grinste. »Ich liebe es, zumindest die Ansätze von Emotionen aus dir herauszukitzeln.«

Kurt Neubauer
Kurt Neubauer
© http://www.fabylon-verlag.de

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