Ich bin zutiefst dankbar für die Globale Erwärmung! Warum ich ausgerechnet diesem endzeitlichen Szenario brav die Minne singe? Ganz einfach: Der Gedanke wurde in einem zweitägigen Stakkato wissenschaftlich-apokalyptischer Veröffentlichungen förmlich in mein Hirn gehämmert. Doch der Reihe nach.
Es fing an, als ich letzten Freitag gerade mein Frühstücksei köpfte und in der SZ las, dass das Aussterben der Dinosaurier tatsächlich auf den Einschlag eines riesigen Kometen in Yucatan zurückzuführen sei. Des Schreckens nicht genug, las ich am nächsten Tag, dass endlich Beweise dafür gefunden wurden, dass sich in den Meeren vor Sibirien riesige Mengen des Treibhaus-Gases Methan aus dem ehemals gefrorenen Meeresgrund lösen und in die Atmosphäre aufsteigen.
Gefahren aus den Tiefen der Erde
Daraufhin verkündete die NASA eine Einschätzung, wonach das letzte Erdbeben in Chile, übrigens das fünft-stärkste jemals gemessene, die Erdachse verschoben und dem Planeten einen zusätzlichen Drall gegeben habe. Dadurch sei die Erde schneller geworden und der Tag um eine 1,26 Millionstel Sekunde kürzer.
Erinnerungen an eine schaurige Reihe längst verdrängter Katastrophenszenarien wurden in mir wachgerufen. Zuerst bedrängte mich die Vision eines zeitlich längst überfälligen Polsprungs. Dieser findet alle 250.000 Jahre statt und hat im Moment schon 500.000 Jahre Verspätung. Manche behaupten, dass das Magnetfeld der Erde bereits seine Richtung ändere. Also zeige künftig ein Kompass nicht mehr ausschließlich gen Norden. Eine der wohl lässlicheren Konsequenzen.
Dann überkamen mich eruptive Vulkanszenarien. Sie krochen, wen wundert’s, direkt aus dem amerikanischen Yellowstone-Nationalpark in mir empor: Dort gibt es eine hübsche kleine Magmakammer von ungefähr 70 mal 30 Kilometern, die sich seit Jahren konstant brodelnd erhebt und nur alle 600.000 Jahre explodiert. Leider rechnerisch genau jetzt. Ein Eiterpickel am Arsch der Erde, täglich bereit aktiv zu werden. Ein Ausbruch hätte, neben dem sicher verschmerzbaren Verlust von Las Vegas, zumindest einige ganzjährige Winter zur Folge. Wie seinerzeit beim Ausbruch des indonesischen Krakatau 1883. Da schneite es gerne mal im August.
Warmer Trost in kalter Nacht
Da kommt die Erderwärmung wie ein wärmender Trost in kalter Nacht daher. Will sie uns doch sagen: “Seht her, dies ist die größtmögliche Gefahr, die uns allen, egal ob arm oder reich, droht! Wir haben sie selbst erschaffen, ein zutiefst schöpferischer Prozess der Ignoranz, aber wir können sie wieder aufhalten! Herren sein über die Katastrophe! Den Tod besiegen! Die Bestie Natur mittels Millimeterpapier zähmen und der Mensch ist künftig endlich Gott seines Planeten. Der Anthropozentrismus als beherrschende Doktrin! Hurra!”
Darin liegt für diese zunehmend säkularisierte und leere, westliche Welt sehr viel Tröstliches und mehr Sinnstiftendes, als in allen alten Religionen. Das gibt jedem Alltagsgespräch, selbst über das Berliner Wetter, eine philosophische Tiefe. Gilt der schwere Winter nun als Gegenbeweis oder gerade als ein untrügliches Zeichen der Klimaveränderung? Vorstadtzyniker preisen derweil lakonisch die Errungenschaften des Treibhauseffektes und machen es sich unter Palmenkübeln in den sonnigen Strandbars an der Spree gemütlich.
Alle politischen Lager haben eine Haltung zum Phänomen. Ob positiv oder ablehnend. Sogar Klimaskeptiker oder Kreationisten, haben den Begriff der “globalen Erwärmung” als Referenzpunkt im Koordinatensystem ihres Denkens akzeptiert. Jeder kann damit sein tradiertes und doch so schwer ablegbares Weltbild retten, modernisieren, ja sogar wieder richtig wichtigmachen. Selbst Verschwörungstheoretiker finden Halt in der Hypothese, der “Schwindel” der globalen Erwärmung sei einzig ein Machtinstrument der NWO.
Da kann man gar nichts machen
Inzwischen war Sonntag und ich war einfach nur noch unglaublich dankbar. Es herrscht wieder Frömmigkeit in der Welt! Das doch so taumelnde 21. Jahrhundert hat endlich seine Orientierung gefunden. Denn was wäre, wenn der Weltklimarat IPCC, nach eingehender Prüfung aller Fakten, öffentlich trocken feststellen müsste: “Da kann man gar nichts machen! Das ist wie ein spontaner Polsprung oder ein gigantischer Kometeneinschlag! So etwas passiert eben regelmäßig und wir werden alle draufgehen! Aber keine Sorge, für die Erde selbst geht es ja weiter.”
Unschön und untröstlich wäre es, wie mein alter jüdischer Lieblingwitz: “Wenn du Gott wirklich zum Lachen bringen willst, dann erzähle ihm von deinen Plänen!”
30 Kommentare zu
@krim: "schlechte in der zivilisation?" sind unterirdische magmakammern, die zivilisation? hmmm...
@my favourite rabbi: muliar war grossartig. sicher ein psalm, aber in meiner lutheranischen übersetzung, doch weit von der humoristischen auslegung entfernt, hehe!
Insgesamt hatte ich ja auf mehr Prügel gehofft, seufz, liegt wohl am zu versöhnlichen Sonnenschein!