Charles Baudelaire: Le chat

Eleonore_Gerhaher
Gleich drei Gedichte finden sich in den zweiundsiebzig Gedichten der “Spleen et idéal” aus “Les Fleurs du mal” von Charles Baudelaire, die Katzen zum Thema haben und titelgebend sind. Angesprochen hat mich “Der Kater” oder wie Carlo Schmid übersetzt “Das Katzentier”, in dem sich der erste Teil des Gedichts allein mit der Stimme einer Katze beschäftigt und in einer Strophe mit der Aussage endet:

“Um längste Sätze mir zu sagen,
benötigt sie kein einzig Wort.”

Wer mit Katzen lebt, der weiß genau, sie reden viel auch wenn sie schweigen. Sie halten mich jetzt für ein wenig verrückt, aber inzwischen verstehe ich sie fast immer.

      Bild von Eleonore Gerhaher aus:
      Eugen Roths “Grosses Tierleben”
      Hanser 1989.

LE  CHAT

I

Dans ma cervelle se promène,
Ainsi qu´en son appartement,
Un beau chat, fort, doux et charmant.
Quand il miaule, on l´entend à peine,

Tant son timbre est tendre et discret;
Mais que sa voix s´apaise ou gronde,
Elle est toujours riche et profonde.
C´est là son charme et son secret.

Cette voix, qui perle et qui filtre,
Dans mon fonds le plus ténébreux,
Me remplit comme un vers nombreux
Et me réjouit come un philtre.

Elle endort les plus cruels maux
Et contient toutes les extases;
Pour dire les plus longues phrases,
Elle n´a pas besoin de mots.
                 …      

In meinem Hirne geht spazieren,
Als wandle er durch seine Mark,
Ein schöner Kater sanft und stark.
Du hörst ihn kaum so voller Zieren.

Und leiser Zartheit ist sein Laut.
Doch ob die Stimme sinke, schwelle,
Ist immer voll sie, tief und helle –
Geheimnis niemand anvertraut!

Sie perlt und träuft durch alle Siebe,
Zum fahlsten Grunde meiner Brust,
Erfüllt mich wie ein Vers mit Lust,
Beglückt mich wie ein Trunk um Liebe.

Sie schläft die schlimmsten Peinen fort
Und bannt der Brünste Wust und Jagen
Um längste Sätze mir zu sagen,
Benötigt sie kein einzig Wort.
                 …

Charles Baudelaire: Les fleurs du mal. Le livre de poche © Librairie Générale Française 1972.
Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen Übertragen von Carlo Schmid. Insel 1976