Going to Guimarães
Natürlich muss auch ein Buch mit in den Kurzurlaub, passend zum Zielflughafen in Portugal. Da die portugiesische Literatur bisher fast ein weißer Fleck auf meiner Buchlandkarte ist, versuche ich es einfach mit einem neuen Roman von António Lobo Antunes “An den Flüssen, die strömen” (2011), von dem ich noch nichts gelesen habe. Wenige andere Schriftsteller fallen mir zu Portugal ein, als erste nur Fernando Pessoa und José Saramago. “Sôbolos Rios Que Vão”, wie der Titel so fließt auch die Sprache “Senhor Antunes” als ein poetischer Bewusstseinsstrom durch das Buch, dessen erstes Kapitel ich bereits gelesen habe. Er bringt das Kunststück fertig, seine Gedanken durch die Zeit gleiten zu lassen wie eine springende Forelle im Flussbett. Der einzige lange Satz des ersten Kapitels, der nur Kommata kennt, umschließt die Gegenwart des Krankenzimmers und die Erinnerungen an seine Kindheit und sein ganzes Leben. Die erinnerte, wörtliche Rede der anderen beginnt nicht mit Anführungszeichen, sondern mit einem Gedankenstrich, denn aus dem Stoff seiner Gedanken, seiner Auseinandersetzung mit der “igeligen Frucht eines Kastanienbaumes” in seinem Innern, den der Arzt Krebs nennt, formt sich alles, was er auf dem Papier zu sagen hat. Das Buch hat mich bereits mit der ersten Seite für sich gewonnen und zwei Flüsse im Norden Portugals kenne ich jetzt auch schon, den Mondego und den Rio Cavado. Bücher lesen ist auch nur eine andere Form der Reise und wer liest, schwimmt in einem Fluss. Dieser Beitrag täuscht allerdings darüber hinweg, dass ich auf der Ebene meiner Netzpräsenz mehr das Gefühl habe zu ertrinken. Der Boden, auf dem man zu stehen glaubt, ist rutschig. Mit dem Sand der Eieruhr könnte man für immer in die untere Hälfte des Minutenglases rutschen. Also stecke ich lieber den Kopf heraus, wenn mich etwas zu verschlingen sucht. Vielleicht besteht die ganze Kunst und das Leben doch nur darin, sich möglichst gegenseitig geschickt zu belügen und die sozialen Netzwerke sind nur Tummelplätze von Anonymitäten und die angebliche Kommunikation ist eine Farce.
Ach ja, die historischen Altstädte von Porto und Guimarães, eine der beiden Europäischen Kulturhauptstädte 2012, warten darauf, auch ein Teil meiner Geschichte zu werden. Beinahe dokumentarisch werde ich versuchen, portugiesische Orte mit meinen Worten als Bilder einer Reise festzuhalten. Derweil, lieber Leser, leben Sie wohl!
Ein kleiner Nachtrag sei gestattet, der den kürzlich an Krebs verstorbenen italienischen, aber dennoch halb portugiesischen Schriftsteller Antonio Tabucchi betrifft, an dessen Buch “Indisches Nachtstück” und die Verfilmung “Nächtliches Indien” von Alain Corneau ich mich gut erinnere. Sein Roman “Erklärt Pereira” gehört, was Portugal betrifft, natürlich auch dazu.
Wir wünschen wundervolle Tage in Portugal! Melusine und Morel
Liebe Melusine und lieber Morel,
gerade habe ich eine Pause vom Kofferpacken eingelegt. Herzlichen Dank Ihnen beiden für die guten Wünsche! Samstag in der Frühe geht es los und nachdem wir uns durch die Occupy-Großdemonstration in Frankfurt geschlagen haben, heben wir nach Übernachtung am Sonntagmorgen ab. Ich will am Meer wandern, mit dem Mietwagen alte portugiesische Städte erkunden und sicher auch ein wenig lesen und schreiben. Alle Computer und Laptops bleiben zuhause. Wie und ob es gestärkt Anfang Juni mit diesem Blog weitergeht, entscheidet auch das Licht Portugals.
Ich wünsche Ihnen beiden alles Liebe
Dietmar
Vor einigen Jahren waren wir mit dem Auto durch Portugal unterwegs, Evora, die weisse Stadt, Guimaraes, in diese Stadt habe ich mich vom ersten Moment an verliebt oder Lamego. Portugal ist einfach wunderschön und ich hoffe, Sie kommen ebenfalls mit ganz wunderbaren Eindrücken zurück.
LG buechermaniac
Liebe(r) „buechermaniac“ oder liebe „lesewelle“,
Entschuldigung für die späte Antwort, aber ich bin erst seit gestern aus Portugal zurück. In Guimaraes waren wir auch und haben so ziemlich alles „abgegrast“, was nördlich von Porto liegt, also Viana do Castelo, Barcelos, Braga, Esposende, Porto selbst usw. Berge, Felsen, Flüsse, Meer und die vielen historischen Altstädte mit immer einer weißen Kirche und einem Brunnen in der Mitte. Portugal beeindruckt mit Landschaft und Geschichte, aber auch die Menschen sind sehr freundlich, selbst wenn man kaum eine gemeinsame Sprache findet. So schöne Fotos wie Ihre aus England sind mir zwar nicht gelungen, aber ich werde in einem längeren Beitrag, den ich am Wochenende zu Ende schreiben will, auch einige Fotos mit einbauen. Ich schaue ab und zu mal bei Ihnen vorbei. Ein Beitrag zu Ihrer derzeitigen Lektüre von Maja Haderlap würde mich zum Beispiel interessieren.
Ich grüße Sie herzlich
Der Buecherblogger