Engel und Wasserlilje. Heinrich Heine im optischen Wandel
Heinrich Heine: Neue Gedichte. Mit farbigen Illustrationen von Isabel Große Holtforth. Frankfurt a. M.: Büchergilde Gutenberg 1. Aufl. 2005
Deutscher Dichterwald. Lyrische Anthologie von Georg Scherer Stuttgart: Hallberger [um 1880]
Bei Heine haben sich Romantik und politisches Bewusstsein nicht ausgeschlossen. “Die Engel” und “Die schlanke Wasserlilje”, zwei Gedichte, die man hoffentlich lesen kann, wenn man die Abbildungen anklickt. Mit den Engeln geht es ihm, was die erste Strophe über seinen Glauben betrifft, ähnlich wie mir, aber seit einem Ereignis am Anfang des Jahres 2009 hängt auch über meinem Bett ein Metallengel mit silbernem Körper und kupfernen, biegsam weichen Flügeln. Nur ein Symbol, ein Schutzengel, der mich vielleicht an eigene Überlebenskräfte erinnern soll und auf diesem Wege wahrscheinlich schon geholfen hat.
Der illustrative Kontrast dieser beiden weit auseinander liegenden Ausgaben von Gedichtbänden, in denen sich Gedichte Heines finden, hat mich gereizt. Der “Deutsche Dichterwald” kommt der Zeit vor über hundert Jahren entsprechend noch mit reichlich Nationalismus und Deutschtümelei daher. Alles reimt sich und ist nach heutigen Maßstäben oft ziemlich kitschig. Das Ornamentale der Illustrationen ist dennoch reizvoll und von den heute völlig zu recht unbekannten vielen kitschigen Rosen- und Blümchendichtern abgesehen, findet sich auch ab und zu noch Lesenswertes. Ebenfalls nett anzusehen sind die Dichterporträts am Anfang der Abschnitte.
Name und Wohnort meines Großvaters mütterlicherseits, Heinrich Kage Bishausen, stehen auf der ersten Innenseite des Bandes mit Füllfederhalter in Sütterlinschrift. Diesen Großvater habe ich überhaupt nicht gekannt, denn er starb noch vor meiner Geburt Ende der vierziger Jahre an gesundheitlichen Folgen des Krieges, so drückte man es mir gegenüber jedenfalls immer aus. Dennoch muss mir etwas an dieser Hinterlassenschaft eines einzigen Buches von ihm gelegen haben, denn während meiner bibliothekarischen Ausbildung ließ ich das Buch mit dem Goldschnitt sogar neu binden. Die Lyrik macht wohl ein weiches Herz, so weich wie die Flügel meines Engels. In der Weihnachtszeit fangen alle davon an, danach werden sie wieder schnell vergessen. Der Mond scheint und die Wasserlilie rankt floral über dem ertrunkenen Jüngling, romantische Melancholie. Heute illustriert Isabel Große Holtforth ganz anders, farbig schlicht mit einer moderneren Ornamentik und Figuren, die in ihrer Schlankheit und Länge an Alberto Giacomettis Plastiken erinnern. Dies ist nur als kleiner Adventsbeitrag gemeint, ein Lückenfüller, während ich an der Lektüre und Rezension eines ganz anderen Buches sitze.
Nachtrag am 07.12.2012:
Apropos optischer Wandel. Wo doch Gemälde lesender Frauen immer mein Interesse wecken. Beim Recherchieren lief mir heute morgen folgende Gemäldeverwandlung über den Bildschirm: