Die neun Romane von Penelope Fitzgerald
Es muss ja nicht immer eine eher hochtrabende Buchanalyse sein, Anlass für diesen Beitrag ist schlicht eine neue Literaturverfilmung, die ich mir demnächst wohl anschaue. Die Buchhandlung der Florence Green ist eine Verfilmung des Romans “The bookshop” von Penelope Fitzgerald. Diese im Jahr 2000 verstorbene englische Schriftstellerin hat mich vor einiger Zeit richtig süchtig gemacht. Ich habe mir eine ganze Reihe günstiger deutscher Taschenbuchübersetzungen zugelegt.
Ich erinnere mich, dass “Die blaue Blume” als deutsche Übersetzung antiquarisch ziemlich teuer gehandelt wurde, im Moment allerdings erstaunlicherweise erschwinglich und sehr zu empfehlen ist. Es war ihr letzter Roman über die Beziehung des jungen Friedrich von Hardenberg (Novalis) zur fast noch kindlichen Sophie von Kühn und greift wie schon andere davor ein historisches Thema auf. Dabei besticht vor allem immer wieder die Fähigkeit, sehr detailreich eine beinahe naturalistische Atmosphäre von Zeit und Personen entstehen zu lassen. Auch “Die Buchhandlung” beschreibt neben der Protagonistin die gesamte soziale Topographie des fiktiven Küstenstädtchens Hardborough und ist anscheinend schon mit dem neuen Filmcover erschienen. Buchhandlungen sind überhaupt ein beliebtes Sujet in Filmen, ich erinnere mich gerade an “inimitable Jeeves” im Beitrag “French Bookshop”. Von ihren neun Romanen sind leider vier bisher nicht ins Deutsche übersetzt worden, was für mich allerdings kein Grund sein sollte, auf sie zu verzichten: The golden child, Human voices, At Freddies und Innocence. Den Essayband "Am Fenster" von Julian Barnes mit dem lesenswerten Beitrag "Der trügerische Schein von Penelope Fitzgerald" hatte ich mir als Sekundärliteratur ausgeliehen. Außerdem befand sich darin auch noch ein Essay über Ford Madox Fords “Allertraurigste Geschichte”. Zwei Fliegen mit einer Klappe, wie man so schön und unbarmherzig sagt.
Oft bleiben dem Leser seine eigenen Lesemotivationen verborgen und so geht es wohl auch mir. Mir fällt eigentlich erst beiläufig auf, wie oft ich immer wieder auf englische Schriftsteller und Schriftstellerinnen stoße, die mein Interesse zu wecken vermögen. Ob es dabei eine Vorliebe aufgrund des besseren Sprachverständnisses gibt oder eine Art Noblesse und Kultur englischer Art, die mich bei der Auswahl anzieht, ich vermag es nicht genau zu sagen. Da ich auch Anthony Powells “Ein Tanz zur Musik der Zeit” lese, fällt mir sogar gerade eine Gemeinsamkeit zwischen Fitzgerald und Powell auf. Beide vertrauen mehr auf das historische Element als auf das phantastische. Powell soll in einem Interview gesagt haben: “Meine Bücher wollten von Anfang an naturalistisch sein, das heißt, niemals etwas beschreiben, was nicht im Leben des Alltags geschehen sein konnte.” Auch “The blue flower” beginnt mit dem Eintreffen zweier junger Männer an einem ordinären Waschtag, so der Titel des ersten Kapitels. Erst durch die jeweils individuelle Erzählweise findet dennoch das Geheimnisvolle in beider Werk, bei Fitzgerald auch durch ein spartanisches Erzählen des Auslassens, bei Powell durch die ganze kühle Distinktion seines Sprachstils.
zum film „der buchladen der florence green“ habe ich hier geschrieben:
https://filmkalender.wordpress.com/2018/05/13/der-buchladen-der-florence-green/
Nachdem ich nun gestern Abend die Verfilmung gesehen habe, kann ich Ihnen endlich auf Ihre Filmkritik antworten. Ich erinnere mich noch gut an „Das geheime Leben der Worte“ von Isabel Croixet. Deshalb scheint mir Ihr Resümee „langweilig“ nicht berechtigt. Genau wie jener Film würde ich eher zur Bezeichnung „leise“ tendieren. Sicher kommt es auch auf den musikalischen Geschmack an, Klavier und elegisches Cello kann man als ausdrucksstark wahrnehmen, ein einziger langgestrichener Ton, oder eben einschläfernd. Der leise Ton der wortlosen Zwischenräume macht die Musik in diesem Film. Die Bilder sind manchmal geradezu malerisch, die Farben sehr frisch, manchmal vielleicht sogar zu knallig wie in der Werbung. Die Schauspieler allesamt gut, das Drehbuch entspricht weitestgehend der Vorlage von Penelope Fitzgerald. Gerade den „turn of the screw“ am Schluss, dass sich die junge Christine als die Erzählerin aus dem Off herausstellt, fand ich sehr gelungen. Auch das gerade sie, die wenig an Literatur interessierte Schülerin, im späteren Leben quasi das Erbe von Florence Green fortsetzt, indem sie selbst wieder eine Buchhandlung betreibt. Und was auf Bücher und Filme gleichermaßen zutrifft, man muss nicht immer gleicher Meinung sein.