Einige Zitate von Daphne du Maurier

ScapegoatSie wandte sich von der Hütte ab und trocknete ihre breiten, kräftigen Hände an der Schürze. “Haben Sie gesehen, wie sie auf den Feldern an der Myxomatose sterben?” Hübsch, was? Jetzt sind wir da angelangt, daß ein Tier, wenn es frei sein will, im Käfig gehalten werden muß. Ich hab´ keine hohe Meinung von den Menschen. Es schadet gar nichts, daß wir dann und wann Kriege haben, damit die Menschen wissen, was es heißt, Schmerzen zu leiden. Eines Tages werden sie einander ausrotten, wie sie die Kaninchen ausgerottet haben. Je mehr, desto besser. Die Welt wird wieder friedlich sein, und nichts wird bleiben als der Wald drüben und der Boden.

She turned away from the hutch, wiping her broad, strong hands on her apron. ‚You’ve seen them in the fields dying of myxomatosis?‘ she said. ‚Pretty, isn’t it? We have come to this now, that for an animal to be free he has to be kept in a cage. I have no great opinion of the human race. It is just as well, now and again, that we have wars, so that men know what it is to suffer pain. One day they will exterminate themselves, as they have exterminated the rabbits. So much the better. The world will be peaceful again, with nothing left but the forest over there, and the soil.‘

Daphne du Maurier: Der Sündenbock  (The scapegoat) 1957


Fragonard,_Die SchaukelCelia setzte sich in den leeren Salon und sah sich um. Die Bücher, die Fotografien und alle persönlichen Besitztümer waren eingepackt. Nichts blieb als die Möbel, die den Eigentümern der Wohnung gehörten. Das steife Sofa, die vergoldeten Stühle, der polierte Tisch. An der Wand war das Bild einer Frau auf einer Schaukel, die Unterröcke wurden sichtbar, ein Schuh war ihr vom Fuß gefallen, und ein junger Mann ließ die Schaukel schwingen. Seltsam war es, sich vorzustellen, daß die Frau hier auf der Schaukel saß und der junge Mann die Schaukel schwingen ließ, und das tagein, tagaus, einen Monat nach dem andern, ein Jahr nach dem andern, seit das Bild gemalt worden war, und daß, nach dieser Nacht, kein Mensch da sein würde, um sie zu betrachten, und sie würden im leeren Raum weiterschaukeln müssen.

Celia went and sat in the empty salon, and looked about her. The books and photographs were packed, and all the personal possessions. There was nothing left but the bare furniture belonging to the owners of the apartment. The stiff sofa, the gilt chairs, the polished table. On the wall was a picture of a woman in a swing, her petticoats showing, and a shoe falling from her foot, while a young man pushed the swing from behind. It was strange to think of the woman sitting there in the swing being pushed by the young man, day in, day out, month after month, year after year, ever since the picture was painted, and that after this night there would be no one to look at them, they would have to swing alone in the empty room.

Daphne du Maurier: Die Parasiten (The parasites) 1949

Jean-Honoré Fragonard: Die Schaukel


ManderleyGestern nacht träumte mir, ich sei wieder in Manderley. Ich sah mich am eisernen Tor der Einfahrt stehen, und ich konnte zuerst nicht hineingelangen, denn der Weg war mir versperrt. Schloß und Kette hingen am Tor. Ich rief im Traum nach dem Pförtner und erhielt keine Antwort und als ich dann durch die rostigen Gitterstäbe spähte, sah ich, daß das Pförtnerhäuschen unbewohnt war. Kein Rauch stieg aus dem Kamin, und die kleinen Butzenfenster starrten verlassen. Dann aber besaß ich plötzlich wie alle Träumer übernatürliche Kräfte, und wie ein körperloses Wesen durchschritt ich das Hindernis. Vor mir wand sich die Auffahrt, wand und schlängelte sich wie seit alters her, aber als ich weiterging, merkte ich, daß sich etwas verändert hatte; der Weg war nicht mehr der, den wir gekannt, er war schmal und ungepflegt. Zunächst verwirrte mich das, und ich verstand es nicht. Und erst als ich mit dem Kopf einem tief herabschwingenden Ast ausweichen mußte, wurde mir klar, was geschehen war. Die Natur war wieder zu ihrem Recht gekommen; ohne Hast, in ihrer leisen, heimlichen Art hatte sie nach und nach mit langen, klammernden Fingern auf den Weg übergegriffen.

Last night I dreamt I went to Manderley again. It seemed to me I stood by the iron gate leading to the drive, and for a while I could not enter, for the way was barred to me. There was a padlock and a chain upon the gate. I called in my dream to the lodge-keeper, and had no answer, and peering closer through the rusted spokes of the gate I saw that the lodge was uninhabited.
No smoke came from the chimney, and the little lattice windows gaped forlorn. Then, like all dreamers, I was possessed of a sudden with supernatural powers and passed like a spirit through the barrier before me. The drive wound away in front of me, twisting and turning as it had always done, but as I advanced I was aware that a change had come upon it; it was narrow and unkept, not the drive that we had known. At first I was puzzled and did not understand, and it was only when I bent my head to avoid the low swinging branch of a tree that I realised what had happened. Nature had come into her own again and, little by little, in her stealthy, insidious way had encroached upon the drive with long tenacious fingers.

Daphne du Maurier: Rebecca (London 1938, dt. Zürich 1950)


Glück ist kein Besitz, der seinen Preis hat, er ist eine geistige Eigenschaft, ein Gemütszustand.

Happiness is not a possession to be prized, it is a quality of thought, a state of mind.

Daphne du Maurier: Rebecca (London 1938, dt. Zürich 1950)


Das Seltsame war, daß die drei Menschen, denen sie am meisten zugetan gewesen war, binnen eines Jahres dahingingen, während der vierte auch nicht lange hinterher scheiden mußte; und jeder entsann sich, bevor er starb, ihres Lächelns. Sie hörten in irgendeiner Spieldose im Hirn das Lachen, klar und stark und ohne jeden gespenstischen Beiklang; und die Erinnerung überflutete, wie ein jäher Bluterguß, ihren Geist.

The strange thing was that the three she had loved most all went within a year of one another, while the fourth did not lag far behind; and each remembered the smile before he died. They heard the laugh, clear and strong, with nothing ghostly about it, ring in some sound-box in the brain; and memory, like a sudden hæmorrhage, flooded the mind.

Daphne du Maurier: Mary Anne (Zürich 1954)


Vanishing Cornwall

Daphne du Maurier gehört, was meine Sozialisation zum Lesen hin betrifft, in eine Reihe von Schriftstellern, die ich in jüngeren Jahren auch wegen eines wohl gefälligen Unterhaltungsstils gelesen habe, wie etwa Hermann Hesse, Patricia Highsmith, Joan Aiken etc. Auch die berühmten Hitchcock-Verfilmungen von Rebecca und Die Vögel oder der unvergessene Wenn die Gondeln Trauer tragen von Nicolas Roeg haben damals ihren Teil zum Konsum ihrer Romane und Erzählungen beigetragen. Heute finde ich sie rückblickend zu Unrecht als Unterhaltungsschriftstellerin klassifiziert. Man muss sich schon die Mühe machen, auch die weniger bekannten Romane wie Der Sündenbock, Die Parasiten oder Mary Anne zu lesen, um ihre Erzählkunst insgesamt würdigen zu können. Immer wieder überrascht bin ich von der psychologischen Tiefe, der Ausgewogenheit von Dialog und Beschreibung und den verdeckt philosophischen Fragen in ihrer Erzählweise. Vor allem die Romananfänge entfalten ihren ganz eigenen sprachlichen Zauber und eine Atmosphäre, die den Leser wie ein Sog in die Geschichte hineinzieht. Ob es die Bewegung in einem Traum von Manderley ist, das Lächeln einer Frau, dass ihren Männern im Gedächtnis bleibt oder die Identitätskrise eines Mannes, dem das eigene Ich überdrüssig geworden ist, immer gelingen diese Anfänge mit traumwandlerischer Sicherheit. Ich bin nie in Cornwall, ihrer Wahlheimat, gewesen, wo sich ihr Tod dieses Jahr zum dreißigsten Mal jährt, aber immerhin besitze ich sogar die englische Ausgabe von “Vanishing Cornwall”, in dem die Wehmut darüber zum Ausdruck kommt, dass es das Cornwall ihrer Zeit nicht mehr gibt. Gerade muss ich an den Anfang der Erzählung “Don´t look now” denken, wo diese dahingeworfene Bemerkung nicht nur titelgebend, sondern auch eine Warnung beinhaltet, den eigenen Tod könne man letztlich doch nicht selbst voraussehen. Der Film aus dem Jahr 1973 soll dieses Jahr in 4k restauriert neu erscheinen und auch auf die Neuverfilmung des Hitchcock-Klassikers “Rebecca” mit Lily James als “The second Mrs. de Winter” und Kristin Scott Thomas als “Mrs. Danvers” darf man gespannt sein. Die oft szenenhafte Erzählweise Daphne du Mauriers ist geradezu eine Einladung zur Verfilmung ihrer Romane und Erzählungen. Nichtsdestotrotz ist man ihnen und ihr am nächsten, wenn man sie liest.