10 Fragen an das Nornennetz #BKtastisch

by Bücherstadt Kurier

„Schwer­punkt der Netz­werks­ar­beit ist es, die Sicht­bar­keit von Frauen in der Fan­tas­tik zu erhö­hen und ihre For­de­run­gen nach glei­chen Chan­cen bei Ver­la­gen sowie gerech­ter Ver­gü­tung zu unterstützen.“

Anläss­lich des Phan­tas­tik-Spe­cials #BKtas­tisch hat der Bücher­stadt Kurier dem Nor­nen­netz 10 Fra­gen gestellt. Claudi Feld­haus stellt das Nor­nen­netz vor, spricht über Fan­tas­tik und ver­rät, was in Zukunft geplant ist.

1. Was ist das Nornennetz?

Das Nor­nen­netz ist ein Netz­werk deutsch­spra­chi­ger Fantastik-Autor:innen und besteht seit 2017. Schwer­punkt der Netz­werks­ar­beit ist es, die Sicht­bar­keit von Frauen in der Fan­tas­tik zu erhö­hen und ihre For­de­run­gen nach glei­chen Chan­cen bei Ver­la­gen sowie gerech­ter Ver­gü­tung zu unter­stüt­zen. Durch gegen­sei­tige Hil­fe­stel­lung, krea­tive Ein­zel­pro­jekte und Prä­senz in den sozia­len Medien und auf Buch­mes­sen machen wir auf diese Anlie­gen aufmerksam.

In ande­ren Wor­ten: Wir sind weib­li­che und nicht-binäre Schrei­bende aus dem deutsch­spra­chi­gen Raum und aus aller Welt, die ihre fan­tas­ti­schen Werke vor­nehm­lich in deut­scher Spra­che ver­fas­sen. Unser Sinn­spruch dazu ist: Die Nor­nen, Schick­sals­frauen der Edda, lenk­ten nach der Vor­stel­lung der nor­di­schen Mytho­lo­gie die Geschi­cke der Göt­ter und der Men­schen. Genauso len­ken Autor:innen die Figu­ren ihrer Welten.

2. Wie kann man sich eure Arbeit vor­stel­len? Was macht ihr kon­kret, um eure Ziele zu erreichen?

Wir sind auf Mes­sen (online und im rea­len Leben) prä­sent, orga­ni­sie­ren uns für Aktio­nen, wie zum Bei­spiel die lite­ra­ri­sche Welt­reise oder den Nor­nen­schu­ber, in denen wir gezielt auf Fan­tas­tik und die Geschichte schrei­ben­der Frauen (und künf­tig noch wei­te­ren mar­gi­na­li­sier­ten Per­so­nen) auf­merk­sam machen und unter­stüt­zen uns gegen­sei­tig mora­lisch und mit dem ein oder ande­ren Tipp zum Schrei­ben. Natür­lich ist auch die Arbeit in den Sozia­len Netz­wer­ken ein wich­ti­ger Punkt und so kön­nen unsere Bei­träge auf Twit­ter, Face­book, Insta­gram und You­Tube gefun­den werden.

3. Was bedeu­tet für euch „Fan­tas­tik“?

Fan­tas­tik bedeu­tet uns alles! Als wir mit unse­rer Aktion zu Sub­gen­res anfin­gen, erklär­ten wir, warum wir uns der Fan­tas­tik und nicht „nur“ der Fan­tasy widmen:

„[W]ieso Fan­tas­tik und nicht Fan­tasy? Die Erklä­rung ist recht ein­fach. Fan­tasy ist nicht so umfas­send wie Fan­tas­tik. Sie bil­det nur einen klei­nen Teil des­sen ab, was fan­tas­ti­sche Lite­ra­tur aus­macht. Punk und Sci­ence Fic­tion fal­len bei Fan­tasy zum Bei­spiel raus. Die Fan­tasy ist genau genom­men eine Unter­ka­te­go­rie der Fan­tas­tik. Wir aber schrei­ben in den ver­schie­de­nen Sub­gen­res der Fan­tas­tik und dem­entspre­chend ist auch das Nor­nen­netz nicht auf Fan­tasy beschränkt.”

In der Fan­tas­tik kön­nen wir so inno­va­tiv sein, wie in kei­nem ande­ren Genre. Wir kön­nen die Geschichte der Welt neu schrei­ben, so nie dage­we­sene Gesell­schaf­ten leben. Wir kön­nen zau­bern, flie­gen und neu erfin­den – eben Gren­zen ver­las­sen, die gesell­schaft­li­che Nor­men und Natur­ge­setze uns auf­er­le­gen. Das kann erhol­sam sein und ermu­ti­gend. Und meis­tens ein­fach sehr spa­ßig. Eine Vor­stel­lung der Aktion konn­tet ihr davon auch schon im Gast­bei­trag von Norne Anne Zandt hier lesen.

4. In Deutsch­land wurde bis­her haupt­säch­lich Fan­tas­tik von männ­li­chen Autoren ver­öf­fent­licht. Inwie­weit ist eine Ver­än­de­rung bemerkbar?

Es ist lei­der in fast allen Gen­res und allen Medien so, dass vor­nehm­lich männ­li­che Arbeit sicht­bar ist. Vor allem wenn wir uns in der soge­nann­ten Main­stream-Bub­ble bewe­gen, das heißt, in Räu­men, die von gro­ßen Ver­la­gen für die breite Masse zugäng­lich gemacht wer­den. Sobald wir nur ein biss­chen von die­sem Pfad abrü­cken, fin­den wir sehr schnell die weib­li­chen, quee­ren oder unab­hän­gi­gen Stim­men. In den letz­ten Jah­ren wurde es auch immer ein­fa­cher, die eige­nen Bücher im Self­pu­bli­shing zu ver­öf­fent­li­chen, was vor­nehm­lich Schrei­bende wie wir nut­zen, die eben nicht für die breite, oft sehr kon­ser­va­tive Masse schrei­ben. Klei­nere Ver­lage sehen offen­bar schon län­ger die­ses Poten­zial und so las­sen sich dort inno­va­ti­vere Ideen ver­brei­ten. Als Bei­spiele kann ich da den OhneOh­ren Ver­lag oder den Alea Libris Ver­lag empfehlen.

Ich habe auch das Gefühl, dass die gro­ßen Ver­lage lang­sam mit­be­kom­men, dass ein ande­rer Wind weht und sich auch mal trauen, neue Stim­men aus den eige­nen Lan­den zuzu­las­sen, als immer nur das zu repro­du­zie­ren, was gerade in den USA oder Eng­land läuft. Dass Autorin­nen wie Jenny-Mai Nuyen oder nun auch unsere Norne Nora Bendzko in gro­ßen Ver­la­gen ver­öf­fent­li­chen, sind gute Zei­chen. Also: Die Müh­len mah­len auch hier lang­sam, aber eine Ver­än­de­rung ist sicher erkenn­bar, denn Lesende inter­es­sie­ren sich immer mehr für Stim­men, die nicht weiß und männ­lich sind.

5. Auf eurer Web­site wer­den die aktu­el­len Fan­tas­tik-Werke der Nor­nen­netz-Mit­glie­der prä­sen­tiert. Inwie­fern wer­den diese beim Pro­zess des Schrei­bens bis hin zur Ver­öf­fent­li­chung beglei­tet und unterstützt?

Oft ent­ste­hen durch die Nor­nen­schaft enge Zusam­men­ar­bei­ten und Freund­schaf­ten. Neben „alten Häsin­nen“ fin­den sich auch abso­lute Schreib­be­gin­nende im Nor­nen­netz, die erst ein­mal eine Ori­en­tie­rung fin­den, die ein oder andere Inspi­ra­tion, bevor sie die Angst vorm wei­ßen Blatt able­gen. Wir haben auf unse­rem Dis­cord-Ser­ver ver­schie­dene Räume, von einem rei­nen Chat-Kanal, wo wir ein­fach alles bespre­chen, her­um­blö­deln oder gegen­sei­tig auf­bauen, über Kanäle, in denen wir unsere Plot­ideen prä­sen­tie­ren oder einen Titel fin­den. Wir lesen gegen­sei­tig Kor­rek­tur oder bera­ten ein­an­der, wenn wir an einer Text­stelle nicht wei­ter­kom­men. Oft­mals ist es auch so, dass wir ein­an­der aus einem Loch der Selbst­zwei­fel her­aus­ho­len müs­sen oder uns gegen­sei­tig vom Pro­kras­ti­nie­ren abhal­ten. Das sind ja alles sehr indi­vi­du­elle Pro­zesse, doch nach ein paar Wochen im Nor­nen­netz merkt jemensch schließ­lich, ob das Geschwis­ter eher Zucker­brot oder Peit­sche braucht, um am Buch weiterzuarbeiten.

Zusätz­lich dazu bie­ten wir mit unse­ren Mes­se­auf­trit­ten Neu­lin­gen die Chance, sich in die wuse­lige Welt der Mes­sen mit Unter­stüt­zung ein­zu­ar­bei­ten oder sich auch mal an einem Talk über ver­schie­dene The­men (wie zum Bei­spiel auf der Leip­zi­ger Buch­messe 2019, der aus einem wei­te­ren Gast­bei­trag unse­rer Norne Anne Zandt für den Bücher­stadt Kurier ent­stand) zu betei­li­gen oder sich an einer Lesung oder einem Q&A zu versuchen.

6. Drei Fan­tas­tik-Tipps für unsere Leser:innen: Wel­che Bücher möch­test du ande­ren ans Herz legen?

Ich lege euch unsere Liste der deutsch­spra­chi­gen Fan­tas­tik-Autorin­nen ans Herz. Lest ein­fach alle Bücher, die dar­auf zu fin­den sind – dann könnt ihr wirk­lich behaup­ten, ihr kennt das Genre! Und es sind dezent mehr als drei Bücher, ihr habt also auch ein biss­chen län­ger was davon. Wir haben auch eine eigene Liste mit den Wer­ken unse­rer Nor­nen. Da wir recht bunt durch­mischt sind, wäre es ein guter Anfang, mit die­sen Büchern anzu­fan­gen, um das Genre ken­nen­zu­ler­nen, wenn euch der Wulst an fan­tas­ti­scher Lite­ra­tur deutsch­spra­chi­ger Autorin­nen doch zu viel auf ein­mal ist.

7. Was wünscht ihr euch für die Zukunft des Nor­nen­net­zes? Sind in nächs­ter Zeit Aktio­nen bezie­hungs­weise Pro­jekte geplant?

Gerade hat­ten wir sehr große Pro­jekte, zum Bei­spiel unse­ren 4. Geburts­tag als Online-Messe. Quasi neben­bei läuft der Nor­nen­schu­ber, der sich auf fan­tas­ti­sche Werke kon­zen­triert. Die nächste lite­ra­ri­sche Welt­reise soll sich auch nun um fan­tas­ti­sche Werke rund um den Glo­bus dre­hen, die star­tet aber erst wie­der am 19. Januar, dem Jah­res­tag des deut­schen Frau­en­wahl­rechts. Außer­dem stel­len wir auf You­tube Sub­genre-Videos vor. Da gibt es schon eini­ges zu gucken und zu ler­nen. Und wenn wir schon auf You­tube sind: Schaut in unsere Wri­ters on Wri­ters Reihe, Nor­nen inter­viewen sich gegen­sei­tig, wie zum Bei­spiel Jana Jewor­reck und Roxane Bicker.

Die Zukunft ist noch etwas loser defi­niert. Wir wol­len wei­ter­hin groß­ar­tige Autor:innen in inter­es­san­ten Pro­jek­ten vor­stel­len und sie in das Licht rücken, das sie ver­die­nen. In die­sem Rah­men wol­len wir auch mehr auf Diver­si­tät ach­ten und uns über­dies eine sen­si­ble Spra­che aneig­nen, von der sich mög­lichst viele Leute ange­spro­chen füh­len. Es ist ein Pro­zess und wir haben noch eini­ges zu lernen.

Es bleibt außer­dem span­nend, wie es mit den Prä­senz-Buch­mes­sen wei­ter­geht. Die Buch­Ber­lin und die Leip­zi­ger Buch­messe feh­len uns sehr! Online wer­den wir auf der ein oder ande­ren Ver­an­stal­tung bestimmt auch wie­der dabei sein.

8. Wer kann beim Nor­nen­netz mitmachen?

Alle schrei­ben­den Frauen der deut­schen Fan­tas­tik sind bei uns herz­lich will­kom­men. Dazu möch­ten wir sagen, dass trans Frauen Frauen sind und sehr gerne Norne wer­den kön­nen. Bei uns sind ebenso inter* und nicht binäre Per­so­nen will­kom­men, ein­fach alle, die sich unter dem Schirm eines Autorin­nen­netz­wer­kes wohl­füh­len und sich mit dem Begriff Norne iden­ti­fi­zie­ren kön­nen. Unser Bewer­bungs­for­mu­lar fin­det ihr hier.

9. Zum Abschluss zwei bücher­städ­ti­sche Fra­gen, denen sich alle stel­len müs­sen: Wenn du ein Buch wärst, wel­ches wärst du?

Ein Buch, in dem die Prin­zes­sin nicht auf den Rit­ter war­tet und den Dra­chen nicht erschlägt, son­dern zähmt und auf ihm durch die Welt fliegt.

10. Wel­che Frage hast du dir schon immer in einem Inter­view gewünscht? Und wie wäre deine Ant­wort auf deine Frage?

Die Frage, ob ich gut geschla­fen habe. Und ja, danke, ich habe gut geschlafen.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #BKtas­tisch. Hier fin­det ihr alle Beiträge.
Bild: Ele­nor Avelle, Esther Wagner

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