1000 Mark, 7 Flaschen Schnaps und das schönste Mädchen der Welt Deutscher Buchpreis 2016

by Worteweberin Annika

Mit „Skizze eines Som­mers“ hat André Kubic­zek es auf die Short­list des Deut­schen Buch­prei­ses 2016 geschafft. Von die­sem wun­der­ba­ren Roman hat Worte­we­be­rin Annika sich in eine Zeit mit­neh­men las­sen, als man noch Mix­tapes auf­nahm, um das Herz eines Mäd­chens zu erobern.

U1_978-3-87134-811-2.inddEs ist 1985, René ist 16 und die Som­mer­fe­rien ste­hen vor der Tür. Ferien, das bedeu­tet, sechs Wochen Frei­heit, denn Renés Vater wird wäh­rend der Zeit in der Schweiz sein, und René alleine in Pots­dam zurück­las­sen. Mit ein­tau­send Mark in der Tasche und sie­ben Fla­schen Napo­léon im Schrank steht einem wun­der­ba­ren Som­mer nichts mehr im Weg. Zeit­weise ver­schwin­det nun sogar die Melan­cho­lie, die René seit dem Tod sei­ner Mut­ter befal­len hat und die er in phi­lo­so­phi­schen Tex­ten zu erträn­ken versucht.

Doch nun begin­nen also die Som­mer­fe­rien, die letz­ten, bevor René ins Inter­nat und damit raus aus Pots­dam muss. Von nun an ver­sinkt René in einem Stru­del aus Disko-Aben­den im Orion, Bau­de­laire-Tex­ten, Songs von den Simple Minds und The Cure und Gedan­ken an das schönste Mäd­chen der Welt. Doch wer ist das nun eigent­lich, Bianca, Rebecca oder doch das Mäd­chen ohne Namen?

Ein Roman wie ein Song

„Skizze eines Som­mers“ heißt Kubic­zeks Roman, nach dem Song „Sketch of a Sum­mer“ von Durutti Column, den René für das Mäd­chen ohne Namen auf Kas­sette auf­nimmt. Und so wie die­ser Song auch ist Kubic­zeks Roman stim­mungs­voll und atmo­sphä­risch, feder­leicht und unbe­schwert. Er ent­führt in eine andere Zeit, ins Pots­dam der 80er Jahre. Mit René erin­nert sich der Leser daran, wie es ist, 16 zu sein, wenn sich noch stünd­lich ändern kann, in wen man gerade ver­liebt ist. Wenn man seine Schuhe mit schwar­zem Lack anmalt, um rebel­lisch zu wir­ken. So ent­steht die Skizze einer Jugend, eines Gefühls, eines Som­mers – und sie ist so prä­zise und tref­fend, dass man meint, gemein­sam mit René und sei­nen Freun­den diese Ferien zu durchleben.

Sehr genau gezeich­net ist auch René, der Junge mit der schwar­zen Klei­dung, der Bau­de­laire und Brecht liest, wenn er in der DDR an die Bücher kommt, der sich zwi­schen sei­nen „intel­lek­tu­el­len Freun­den“ und Mario, dem Arbei­ter­sohn, hin- und her­ge­ris­sen fühlt und noch dazu ver­sucht, auf sein Herz zu hören. „Eigent­lich ist es über­all schön. Es kam dar­auf an, wen man bei sich hatte, sei es an der Hand oder im Kopf.“ (S.286) Das jeden­falls ist die Weis­heit, die René am Ende des Som­mers gewon­nen hat. Was vor die­ser Ein­sicht alles pas­siert, macht viel Spaß zu lesen.

Völ­lig zu recht ist André Kubic­zek damit auf der Short­list des Buch­prei­ses gelan­det, denn „Skizze eines Som­mers“ sticht aus vie­len ande­ren Neu­erschei­nun­gen her­vor. Ganz neben­bei wird darin ein Stück deut­scher Geschichte ver­han­delt und spür­bar, auch für jeman­den, der die DDR nicht mit­er­lebt hat. Vor allem aber trans­por­tiert der Roman eine Stim­mung, von der man sich als Leser trei­ben las­sen kann, so wie René durch sei­nen Som­mer treibt. Das alles zusam­men genom­men macht „Skizze eines Som­mers“ unbe­dingt emp­feh­lens- und lesenswert.

Skizze eines Som­mers. André Kubic­zek. Rowohlt Ber­lin. 2016.

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