Adventskalender 2016: Türchen 15

by Bücherstadt Kurier

Eine gute Idee?

„Eine Ham­mer-Idee! Wirk­lich.“ R schlug sei­nem Chef etwas zu hart auf den Rücken. Die­ser ver­schluckte sich und begann sogleich zu hus­ten. Sein teu­rer Cock­tail hatte sich einem Sprüh­re­gen gleich über den fei­nen wei­ßen Sand ver­teilt. Er blickte R vor­wurfs­voll an. „Hof­fent­lich klappt das mit dem Nachsende-Auftrag.“
„Wird schon schief gehen.“ R winkte ab und sog an sei­nem Stroh­halm, wäh­rend die nächste weiß­ge­krönte Welle heranrollte.
„Das könnte ich mir nicht ver­zei­hen und die Kin­der sicher auch nicht.“
„Trotz­dem! Guck doch mal.“ R holte weit aus und ließ sei­nen Blick über den Hori­zont schwei­fen. „Das Meer, der Strand, die Sonne … es ist warm. Ganz anders als bis­her. Nass, kalt, dun­kel … bäh.“
„Ja schon …“ W seufzte. „Aber es ist nicht dasselbe.“
„Eben! Es ist viel besser.“
Ein rie­si­ges Schiff bog um den satt­grü­nen Fels­vor­sprung am Ein­gang der Bucht und zer­störte die Idylle augenblicklich.
„Viel­leicht bringt es die erste Post“, phi­lo­so­phierte R.
„Even­tu­ell trans­por­tiert es auch bloß die Krab­ben­ka­da­ver ab, die noch immer quer über die Insel ver­streut lie­gen“, ent­geg­nete W pes­si­mis­tisch. „Wie machen wir das eigent­lich mit dem Schlit­ten?“, fragte er sich leise.
„Der fährt auch auf dem Sand hier. Sieht doch sowieso fast aus wie Schnee.“
W sah sei­nen engs­ten Mit­ar­bei­ter und bes­ten Freund an. „Du hast auch für alles eine Aus­rede parat, was? So lang­sam glaube ich, du hast mir diese fixe Idee unter­ge­ju­belt.“ Er hielt kurz inne. „Ja, genau … jetzt erin­nere ich mich. Anfang des Jah­res. Da hatte uns C doch die Karte aus sei­nem Urlaub geschickt. Damit fing es an. Du hast gere­det und gere­det und auf mich ein­ge­re­det. Bestimmt auch wäh­rend ich schlief …“
„Das ist doch albern“, unter­brach R sei­nen Chef.
„Nein, ist es nicht. Du hast immer wie­der erwähnt, dass der Insel­name kein Zufall sein könne und dass es doch sowieso nie­man­dem auf­fal­len würde, wenn wir dort­hin zie­hen wür­den. Dann hast du Ruhe gege­ben und alles wir­ken las­sen. Du kennst mich und wuss­test, dass es in mir arbei­ten würde.“
R zuckte mit den Schul­tern. „Ist doch schön hier.“
W nickte. „Stimmt, aber wider unse­rer Natur. Ich werde die­ses Schiff neh­men, um wie­der nach Hause zu kommen.“
„Aber …“ Mehr kam R zunächst nicht über die Lip­pen. „… das ist doch jetzt unser Zuhause.“
Das Rau­schen des Mee­res wurde stär­ker. Die Bug­welle reichte bei­nahe bis zu ihren Füßen.
„Ist es nicht. Es ist ein net­ter Ort, der aller­dings so viel mit Hei­mat zu tun hat, wie die­ser Cock­tail mit Weih­nach­ten.“ W erhob sich von sei­nem Lie­ge­stuhl und lief zum Pier.
R folgte ihm. „Und wieso heißt es dann Weihnachtsinsel?“
„Weil die Namens­ge­ber sie zu Weih­nach­ten erreich­ten“, erklärte W, wäh­rend er gera­de­wegs auf die Lan­dungs­brü­cke zuhielt.
„Ist doch egal, wenn die Kin­der ihre Briefe an die Weih­nachts­in­sel, statt ans Weih­nachts­dorf schi­cken. Wir sind doch nicht auf die Oster­in­seln gezogen.“
W rollte die Augen und drehte sich zu R um. „Hör mir mit dem Kram auf. Komm‘ jetzt, wir haben viel zu tun. Außer­dem habe ich mei­nen Sack am Nord­pol vergessen …“

Zwi­schen­zei­len­ver­ste­cker Marco

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1 comment

F.A. Peters 17. Dezember 2016 - 11:32

Eine total schöne Geschichte, die mit einem geheim­nis­vol­len Fra­ge­zei­chen beginnt, einen schö­nen Span­nungs­bo­gen hat und mit einem wun­der­ba­ren Aus­ru­fe­zei­chen endet! Der Weih­nachts­mann und Knecht Ruprecht!
Sehr reiz­voll von hin­ten aufgedröselt. 😉

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