Adventskalender 2016: Türchen 17

by Bücherstadt Kurier

Weiß

Leise rie­selt der unbe­rührte Schnee
Still­schwei­gend liegt unter ihm der tief­blaue See
Irgendwo dazwi­schen flat­tert ein schnee­wei­ßer Vogel mit beflü­geln­den Federn
Den man durch die hel­len Flo­cken gar nicht mehr sieht
Nur im See spie­gelt sich sein Bild
Das durch den Auf­prall der Flo­cken entflieht
Und irgend­wie wird es mild
Der Wind, der zuvor das Wet­ter so wild gestimmt hat,
Ver­zieht sich in die Stadt
Und am Land, inmit­ten vom Wald
Wo wir pau­sen­los stehen
Ein­ge­nis­tet in einen Hochstand

In ein Nest für ver­irrte ver­wirrte Vögel mit krit­zeln­den Federn,
Das wie das Bild im See verschwand

Wird mir plötz­lich kalt
Kalt um mich herum
Kalt um mein Herz
Kalt um meine Seele
Um mein Leben

Kalt!
Ich ver­su­che meine Gefühle, alles zu erheben
Ein Stre­ben nach Glück

Nur für ein klei­nes Stück Freude in mir
Dann denk ich an die Zeit mit der Feder – mit dir
Und wie schnell sie entwich
Wie der Schmerz bei einem Stich in die Brust
Und die Trauer wird zu Frust
Und ich suche wei­ter im Dun­kel des Schnees
Des tief­schwar­zen Sees
Und nichts erscheint,
Nichts lacht mich an,
Nur ein ein­sa­mer Mann
Der aus dem Spie­gel spricht
Und die Sicht auf eine andere Welt zerbricht
Denn im Spie­gel­bild bin nur ich
Die Flo­cken die zuvor schon verdeckten
Die auf­pral­len und mich erschreckten
Las­sen mich nicht mehr schlafen
Denn sie war­fen mich immer wie­der zurück
Auf den Boden für ein Stück Realität

Und Sie sagen mir, seht: „Der Wind weht!“
Er dreht die Rich­tung und ich muss weitersuchen
Wei­ter ver­su­chen, eine Gabe­lung zu finden
Um mich zu überwinden
End­lich den Weg zu gehen
Der mich so lange zum Ste­hen ver­ur­teilt hat
Doch jetzt hab ich es satt
Statt dass ich mich zum Affen mach
Werd ich es sein, der lacht
Und end­lich mit Freu­den über die Ziel­li­nie fahren
Und erfah­ren wie es ist
Den rich­ti­gen Weg zu gehen
Im Ram­pen­licht zu stehen

Es mit Applaus und Aner­ken­nung zu versehen
Wenn das Licht auf mich fällt

Und mich nichts mehr hält

Und ich alles aus mir her­aus red
Die Welt für die­sen klitze klei­nen Moment still steht
Der Wind nicht mehr weht
Und dann, wenn das erste Wort gespro­chen… ist
„Mist!“

Der Schnee prallt auf den tief­blauen See
Und alles, was ich seh

Unbe­rühr­ter wei­ßer, scheiß­kal­ter Schnee!

Raoul Eisele

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