Adventskalender 2016: Türchen 24

by Erzähldetektivin Annette

Tierische Weihnachts(un)freuden

Weih­nach­ten im Kreis der Fami­lie – für viele viel­leicht noch immer das ange­strebte Ideal. Dabei muss „Fami­lie“ kei­nes­wegs bei Bluts­ver­wandt­schaft enden. In mei­nem Fall schließt sie neben Mut­ter, Vater, Schwes­ter und Bru­der noch einen Hund und sie­ben Kat­zen mit ein.

Bis vor eini­gen Jah­ren lebte neben unse­rer Hün­din Ronja auch deren beste Freun­din Tina bei uns. Tina war stets ein auf­ge­weck­ter Hund – wer sie per­sön­lich kannte, weiß, dass dies ein Euphe­mis­mus ist. Eigent­lich saß Tina so gut wie nie still, selbst im Schlaf hat sie „gespro­chen“ und wild mit den Pfo­ten gescharrt. Klar, dass ihr Kör­per einen rie­si­gen Bedarf an Ener­gie­zu­fuhr hatte – oder anders gesagt: Tina hat alles geges­sen, was ihr vor die Schnauze kam.

In unse­rer Fami­lie ist es nun Tra­di­tion, dass es neben diver­sen Keks- und Plätz­chen­sor­ten Hei­lig­abend einen Buche de Noël gibt, einen fran­zö­si­schen Weih­nachts­ku­chen. Mit sei­nen diver­sen Lagen aus Crème, Mar­me­la­den­fül­lung und Teig ist er nicht ganz ein­fach her­zu­stel­len und braucht seine Zeit. Nach dem üppi­gen Weih­nachts­menü ist sel­ten für mehr als ein Stück Platz im Magen, sodass die Reste in der Regel noch für die Weih­nachts­fei­er­tage rei­chen. Nicht so jedoch vor ein paar Jahren.

Nach Essen, Besche­rung und besinn­li­chem Zusam­men­sein gin­gen wir schließ­lich glück­lich ins Bett. Am nächs­ten Mor­gen freu­ten wir uns auf ein aus­gie­bi­ges Früh­stück inklu­sive Buche de Noell. Meine Mut­ter war als erste unten. Ihr Schrei hallte durch das ganze Haus. Es war ein Schrei des Ent­set­zens – zu glei­chen Tei­len der Tat­sa­che geschul­det, dass der gesamte Weih­nachts­ku­chen auf­ge­ges­sen war sowie der Fest­stel­lung, dass die vie­len Kilo­ka­lo­rien schein­bar alle ihren Weg in Tinas Magen gefun­den hat­ten. Das konnte der Hund doch eigent­lich gar nicht über­lebt haben? Zumin­dest musste ihr doch furcht­bar schlecht sein!

Aber weit gefehlt! Nach dem ers­ten Schreck und nach­dem wir uns ver­ge­wis­sert hat­ten, dass Tina wohl­auf war, stellte sich meine Mut­ter erneut in die Küche und zau­berte Donau­wel­len als unzu­rei­chen­den, aber den­noch aus­ge­spro­chen lecke­ren Ersatz für den Kuchen. Am Abend waren auch hier­von noch einige Stü­cke übrig und dies­mal stell­ten wir den Tel­ler abge­deckt auf den Schrank und ver­schlos­sen die Tür zum Ess­zim­mer. Wir staun­ten nicht schlecht, als wir am nächs­ten Mor­gen zum Früh­stück kamen und der Tel­ler auf dem Boden vor der offe­nen Tür lag – selbst­ver­ständ­lich ohne Inhalt. Tinas schein­bar unzer­stör­ba­rer Magen ist seit­dem zum Run­ning Gag geworden.

Nur ein Jahr spä­ter taten sich zwei andere Mit­be­woh­ner durch ihre „Arbeits­be­reit­schaft“ her­vor. Hei­lig­abend, noch vor der Besche­rung, saß ich in eine Decke geku­schelt auf der Couch und war in den neu­es­ten Ste­phen King-Roman ver­tieft, als ich plötz­lich ein lau­tes Schep­pern hörte. Erschro­cken blickte ich auf und sah gerade noch, wie der gesamte, über zwei Meter hohe Weih­nachts­baum umstürzte, sei­nen Stän­der mit sich riss und das Was­ser darin über den Berg Geschenke ergoss, der zu sei­nen Füßen lag. Für einen Moment war ich wie gelähmt, da sah ich plötz­lich zwei kleine, rot-braune Köpf­chen aus dem Grün der Zweige her­vor­gu­cken. Fin­dus und Mico besa­hen sich ihr Werk und waren sicht­lich zufrie­den mit ihrer Leis­tung. Seit­dem wird der Weih­nachts­baum mit meh­re­ren Sei­len gesichert.

Ja, mit tie­ri­schen Haus­ge­nos­sen kann man so eini­ges erle­ben, auch an den Fei­er­ta­gen. Und den­noch: Gibt es ein woh­li­ge­res Gefühl, als Hei­lig­abend mit der gesam­ten Fami­lie bei­sam­men­zu­sit­zen, die besinn­li­che Besche­rung in vol­lem Gange, auf dem Tisch leckere Kekse und damp­fen­der Kakao, um (und auf) uns diverse schnur­rende Kat­zen, gemüt­lich zusam­men­ge­rollt. Die Hun­de­dame birgt zwar eine nicht geringe Stol­per­ge­fahr, wie sie da so mit­ten im Raum liegt und den Schlaf der Gerech­ten schläft, aber was wäre das Leben ohne Risiko? Im Hin­ter­grund ertönt leise Musik und ich weiß: Das ist Weihnachten.

Erzähl­de­tek­ti­vin Annette

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