Ästhetisierung des Elends

by Worteweberin Annika

Arbeits­los, pleite, keine Per­spek­ti­ven: Das ist die Prot­ago­nis­tin in Sophie Div­rys Roman „Als der Teu­fel aus dem Bade­zim­mer kam“. Worte­we­be­rin Annika hat sich von den wir­ren Stim­men im Roman ins Ohr säu­seln lassen.

Zehn Tage vor Ende des Monats hat die vier­zig­jäh­rige Autorin Sophie noch 17,70 € auf dem Konto und einen lee­ren Magen. Noch schlim­mer kommt es im nächs­ten Monat, als die Sozi­al­hilfe aus­bleibt, weil Gehalts­ab­rech­nun­gen und aller­hand andere Doku­mente feh­len. Von da an ist selbst das Geld für ein Paket Nudeln knapp. Da hilft nur an die Decke star­ren, Bücher ver­kau­fen, sich bei ande­ren durch­fut­tern oder eben die Flucht in die eigene Fan­ta­sie. Zum Glück leis­ten ihr ein Teu­fel, ihre Mut­ter und andere Stim­men dort „Gesell­schaft“ und so geht es hoch her. Ob sich dabei auch ein Aus­weg auftut?

„Als der Teu­fel aus dem Bade­zim­mer kam“ spielt inno­va­tiv mit Buch­sta­ben­kunst: Buch­sta­ben tan­zen aus der Reihe, fal­len auf einem Häuf­chen zusam­men oder bil­den nach Art der kon­kre­ten Poe­sie zum Bei­spiel eine Bombe oder einen Phal­lus. Die Buch­ge­stal­tung wirkt sehr anspre­chend, ebenso wie der Umschlag mit den aus­ge­stanz­ten Teu­fels­hör­nern. Auch Wort­schöp­fun­gen und Bezüge auf Texte klas­si­scher fran­zö­si­scher (und in der Über­set­zung außer­dem deut­scher) Lite­ra­tur fal­len ins Auge. Ele­mente wie die inne­ren Stim­men oder Auf­lis­tun­gen von Unter­la­gen für das Arbeits­amt sind über­ra­schend, sowie auch Pas­sa­gen, in denen sich die Figu­ren ihres Figur-Seins bewusst sind und um bes­sere Wen­dun­gen für die Geschichte bit­ten. Das alles ist unkon­ven­tio­nell und erstaunt beim Lesen.

So besie­gen die Sprach­spiele das Elend der Arbeits­lo­sen, was jedoch dazu führt, dass der Inhalt des Romans hin­ter der Form zurück tritt. Die Geschichte um Sophie und ihren Umgang mit der Armut ver­mag nicht wirk­lich zu berüh­ren oder Span­nung zu erzeu­gen. Den­noch wird durch die Ästhe­ti­sie­rung von Sophies Misere einer­seits Komik erzeugt, gleich­zei­tig aber auch die Kri­tik an der Gesell­schaft deutlich.

Sophie Divry ver­öf­fent­lichte in Frank­reich bereits meh­rere Romane, „Als der Teu­fel aus dem Bade­zim­mer kam“ ist jedoch der erste, der ins Deut­sche über­setzt wurde. In Frank­reich wurde sie damit bereits für meh­rere Lite­ra­tur­preise nominiert.

Als der Teu­fel aus dem Bade­zim­mer kam. Ein Impro­vi­sa­ti­ons­ro­man vol­ler Unter­bre­chun­gen und ohne Anspruch auf Tief­gang. Sophie Divry. Aus dem Fran­zö­si­schen von Patri­cia Klo­bu­si­czky. Ull­stein. 2017. Hier gibt es ein Inter­view mit der deut­schen Über­set­ze­rin und der Buch­ge­stal­te­rin des Romans.

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1 comment

Hart, härter, das Leben – Bücherstadt Kurier 29. August 2019 - 15:54

[…] Leben ist eins der Här­tes­ten“ ist wie ein Witz ohne Pointe. Wäh­rend Autorin­nen wie Sophie Divry dem Elend durch beson­dere sprach­li­che Gestal­tung etwas abge­win­nen kön­nen, macht […]

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