Alles eine Frage des Glaubens

by Bücherstadt Kurier

In „Loney“ beglei­ten wir eine kleine Lon­do­ner Gemeinde auf einer Pil­ger­reise nach The Loney, eine christ­li­che Kult­stätte mit hei­len­der Wir­kung an der Küste Eng­lands. Autor Andrew Micheal Hur­ley stellt in die­sem Roman die Frage: Wie ähn­lich sind sich Glaube und Aber­glaube und was lässt einen Gläu­bi­gen vom Glau­ben abfal­len? Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian Leo­nardo hat sich mit die­sem Roman auseinandergesetzt.

Die Geschichte beginnt in der Gegen­wart, mit der Erzäh­lung des Prot­ago­nis­ten „Tonto“ über die Lei­che eines Babys, wel­ches bei The Loney bei einem Erd­rutsch frei­ge­legt wurde. Von da an fol­gen wir sei­nen Erin­ne­run­gen zurück: Als er mit 13 Jah­ren zusam­men mit sei­ner Fami­lie und dem Rest der klei­nen Glau­bens­ge­meinde über die Kar­wo­che nach The Loney pil­gert. Dort wol­len sie auch für eine Wun­der­hei­lung für „Ton­tos“ stum­men Bru­der Andrew beten.
Als die bei­den Brü­der eines Abends auf ein jun­ges, schwan­ge­res Mäd­chen im Roll­stuhl tref­fen, krat­zen sie damit an einem dunk­len Mys­te­rium, wel­ches die­sen von Gott ver­las­se­nen Ort durch­streift. Denn The Loney birgt noch mehr Geheim­nisse als der Geheim­raum in ihrer Unter­kunft oder das Rät­sel um den Tod des ehe­ma­li­gen Pfar­rers Father Wilfred.

loneyDie Schön­heit der Tristesse

„Loney“ ist von der Erzähl­art ein sehr graues Buch und spie­gelt damit gut das eng­li­sche Wet­ter wider. Mit einer bei­nahe schon melan­cho­li­schen Schön­heit beschreibt Andrew Micheal Hur­ley diese Tris­tesse und schnell fin­det man sich gedank­lich an einem Fens­ter wie­der, an denen man die Was­ser­trop­fen beim Hin­un­ter­lau­fen beobachtet.
Mit „Loney“ hat Hur­ley ein sprach­li­ches Land­schafts­ge­mälde von einer eng­li­schen Küste geschaf­fen. All­ge­mein ist die Bild­spra­che in die­sem Buch sehr detail­reich und es fällt nicht schwer, sich in Situa­tio­nen hin­ein­zu­den­ken oder zusam­men mit dem Prot­ago­nis­ten „Tonto“ durch The Loney zu wandern.

… und die Tris­tesse der feh­len­den Spannung

Wie schön und detail­reich Andrew Micheal Hur­ley sei­nen Roman „Loney“ schmückt, so scheint er einen ande­ren wich­ti­gen Teil zu ver­nach­läs­si­gen: Die Geschichte. Zwar lebt diese auch durch ihre düs­tere Atmo­sphäre, düm­pelt jedoch eher schwach vor sich hin und jeg­li­ches Auf­kom­men von Span­nung ver­läuft sich recht schnell im Sande der eng­li­schen Küste. Erst gegen Ende neh­men die Ereig­nisse rund um das Geheim­nis in The Loney etwas Fahrt auf, was jedoch reich­lich spät erscheint.

Namen, Zeit­sprünge und ande­rer Wirrwarr

Wahr­schein­lich gerade durch seine ruhige Geschichte schafft „Loney“ einen sehr ange­neh­men Lese­fluss, der einen bestän­dig durch das Buch führt. Wären da nicht die Hol­per­steine in Form von ver­wir­ren­den Namen und Bezeich­nun­gen, sowie plötz­li­chen Zeit­sprün­gen. So wird der Gemein­de­pfar­rer nicht in ‚Vater‘ über­setzt, son­dern beim eng­li­schen ‚Father‘ belas­sen, was sich mit dem Spitz­na­men von „Ton­tos“ Vater ‚Far­t­her‘ beißt und somit immer wie­der für eine kurze Lese­pause sorgt, um sich klar zu machen, wer jetzt gemeint ist. Auch die Zeit­sprünge zwi­schen den Ver­gan­gen­hei­ten kom­men immer wie­der über­ra­schend und erst anhand von Namen – etwa durch den ver­stor­be­nen Father Wilf­red – erkennt man, in wel­cher Zeit­li­nie man sich befindet.

(K)ein Got­tes­ge­schenk?

Ich per­sön­lich bin ziem­lich hin- und her­ge­ris­sen was ich nun mit „Loney“ anfan­gen soll. Immer wie­der hatte ich das Bedürf­nis, es aus der Hand zu legen und es einige Tage ruhen zu las­sen. Als ich es mir dann aber wie­der vor­nahm, geriet ich in einen Lese­fluss, wel­cher mich ein bis zwei Kapi­tel am Stück lesen ließ. „Loney“ lebt, wie schon erwähnt, durch seine Bild­spra­che und die träu­me­ri­schen Land­schaf­ten, ver­schenkt jedoch viel Poten­tial in der Geschichte. Dies ist sehr schade, da sie doch einige Mög­lich­kei­ten bot, zu einem ziem­lich düs­te­ren Thril­ler zu werden.
Trotz all sei­ner ver­schenk­ten Chan­cen ist „Loney“ eine Emp­feh­lung. All jene, die an einer ruhi­gen aber stim­mungs­vol­len Geschichte Inter­esse haben, könn­ten mit „Loney“ einige ange­nehme Stun­den haben. Auch ist es als Rei­se­ro­man, für lange Zug- oder Bus­fahr­ten eben­falls gut geeignet.

Loney. Andrew Micheal Hur­ley. Über­set­zung aus dem Eng­li­schen: Yase­min Din­cer. Ull­stein. 2016.

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