Animes, die verzaubern: Dem Studio Ghibli auf der Spur (Teil I)

by Geschichtenzeichnerin Celina

Eines der hier­zu­lande bekann­tes­ten Ani­me­stu­dios ist Ghi­bli. Durch beliebte Filme von Regis­seur Hayao Miya­zaki oder Isao Taka­hata ist es berühmt gewor­den. Aber wel­che Inspi­ra­tio­nen lie­gen den Fil­men zugrunde, wel­che wei­te­ren Regis­seure waren bei Ghi­bli am Werk und was macht Ghi­bli so ein­zig­ar­tig? Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina geht die­sen Fra­gen nach.

Die 70er und 80er Jahre

Wenn man sich Ani­me­filme und ‑serien aus den 70er und 80er Jah­ren anschaut, ist auf­fäl­lig, dass die meis­ten mensch­li­chen Figu­ren in einem bestimm­ten Stil gezeich­net sind. Sie haben etwa rela­tiv schlichte – nicht über­große – Augen und sind nah an rea­lis­ti­sche Pro­por­tio­nen ange­lehnt. Miya­zaki und Taka­hata, die schon vor der Grün­dung von Ghi­bli bei Ani­ma­ti­ons­se­rien wie Heidi zusam­men­ge­ar­bei­tet haben, zeich­nen im eben benann­ten Figu­ren­stil, wel­cher die Ghi­bli-Filme prägt. Wei­ter­hin sind Miya­zaki und Taka­hata aus die­ser Zeit her­aus mit klas­si­schen Ani­ma­ti­ons­tech­ni­ken ver­traut, wobei der Com­pu­ter kaum genutzt wird. Dies hat Ghi­bli bis heute bewahrt.

In jener Zeit war zudem Sci­ence-Fic­tion ein wie­der­keh­ren­des Thema in Ani­ma­ti­ons­se­rien und Comics. Daher ist es nicht ver­wun­der­lich, dass Miya­za­kis ers­ter, erfolg­rei­cher Ghi­bli-Film „Nau­si­caä – Aus dem Tal der Winde“ davon beein­flusst wurde. In der Arte-Doku­men­ta­tion „Der Tem­pel der Tau­send Träume“ spricht er davon, dass der Ein­fluss von Jean Giraud alias Mœbius ein­deu­tig spür­bar sei. Mœbius ist ein fran­zö­si­scher, renom­mier­ter und hoch geschätz­ter Comic­künst­ler. Beson­ders sein Comic „Arzach“ hat zur Inspi­ra­tion von „Nau­si­caä“ bei­getra­gen. Übri­gens war Miya­za­kis erste Umset­zung von „Nau­si­caä“ ein Comic, der auf Grund der hohen Nach­frage und der Grün­dung Ghib­lis als Anime pro­du­ziert wurde. Miya­zaki und Mœbius hat­ten sogar 2005 eine gemein­same Comi­c­aus­stel­lung in Paris.

Mei­len­stein Nausicaä

In „Nau­si­caä“ ist die Prot­ago­nis­tin die namens­ge­bende Prin­zes­sin des Tals der Winde. Ihre Geschichte spielt in einer Zukunft, in der ein Meer der Fäul­nis exis­tiert, in dem sich rie­sige Insek­ten tum­meln, und hoch gif­tige Pflan­zen und Spo­ren die Über­hand haben. Viele andere Cha­rak­tere sehen diese Fäul­nis als Bedro­hung und sind der Mei­nung, diese zer­stö­ren zu müs­sen. Die tier- und pflan­zen­lie­bende Nau­si­caä sieht dies jedoch anders und ver­steht die öko­lo­gi­sche Bedeu­tung dahin­ter. Das Meer der Fäul­nis ist ele­men­tar, da es die – von den Men­schen – ver­pes­tete Luft auf­nimmt und rei­nigt. Anhand die­ses Films sind erste, des Öfte­ren wie­der­keh­rende Spe­zi­fi­ka­tio­nen in Miya­za­kis Ani­mes zu erkennen:

  • Ein Mäd­chen erlebt ein Aben­teuer und erscheint selbst­be­wusst sowie selbstständig.
  • Der Anime spielt in einer Fan­ta­sie­welt und ist bis ins kleinste Detail ausgestaltet.
  • Die Öko­lo­gie nimmt einen hohen Stel­len­wert ein. Es wird an die Zukunft appelliert.
  • Prin­zen und Prin­zes­sin­nen wer­den nicht wie bei Dis­ney in Prunk und Reich­tum gebo­ren, son­dern erschei­nen als Figu­ren, denen ein höhe­rer Stel­len­wert zukommt und die somit mehr Ver­ant­wor­tung über­neh­men müssen.
  • Durch Detail­auf­nah­men wie Pan­ora­men wer­den unglaub­li­che Sze­nen­bil­der und Atmo­sphä­ren erzeugt.
  • Miya­za­kis Liebe zum Flie­gen und zu Flug­ob­jek­ten wird aufgegriffen.
  • Es gibt nicht das Böse und das Gute, son­dern ver­schie­dene Per­spek­ti­ven, Ein­stel­lun­gen, Werte und Normen.
  • Tiere oder tier­ähn­li­che Gestal­ten sind eingebunden.
  • Das Gefühl, dass ein gewis­ser Spi­rit, eine spi­ri­tu­elle Erfah­rung, eröff­net wird.
  • Alten Men­schen kommt ein hoher Stel­len­wert zu. Sie wer­den als weise dar­ge­stellt und fun­gie­ren häu­fig als Berater.
  • Ein Neu­an­fang steht des Öfte­ren am Ende.

Totoro vs. Glühwürmchen 

1988 erschie­nen zeit­gleich bei Ghi­bli die zwei Ani­mes „Mein Nach­bar Totoro“ von Regis­seur Miya­zaki und sei­nem Team sowie „Die letz­ten Glüh­würm­chen“ vom Team rund um Regis­seur Taka­hata. Miya­zaki und Taka­hata sind beide sehr gute Pro­du­zen­ten und Regis­seure, die sich gegen­sei­tig ansporn­ten, indem sie sich in die­ser Zeit anein­an­der maßen. Jedoch sind beide Filme sehr verschieden.

Mein Nach­bar Totoro

Die letz­ten Glühwürmchen

Sats­uki (8 Jahre) und ihre kleine Schwes­ter Mei zie­hen mit ihrem Vater, einem Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor aufs Land. Sie wol­len in der Nähe ihrer Mut­ter blei­ben, die sich in einem nahe gele­ge­nen Kran­ken­haus auf­hält, um sich von einer schwe­ren Krank­heit zu erho­len. Im nahe­lie­gen­den Wald ler­nen sie den Wald­geist Totoro ken­nen. Fan­ta­sie und Rea­li­tät begin­nen zu verschmelzen.

Der Film spielt im Jahr 1945, gegen Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges. Japan steht kurz vor der Kapi­tu­la­tion. Viele Men­schen erlei­den unter Hun­gers­nö­ten und Bom­ben­an­grif­fen den Tod. Auch Seita und seine kleine Schwes­ter Set­s­uko sind davon betroffen.

In den 80er Jah­ren ist die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Krieg in Ani­mes ein wie­der­keh­ren­des Thema. Ein wei­te­res Bei­spiel dafür wäre „Bar­fuß durch Hiro­shima“ (Mad­house, 1986)

Die Geschwis­ter erle­ben eine freie Kind­heit mit kaum Gren­zen und nichts Bösartigem.

Ein hoher rea­lis­ti­scher und sehr emo­tio­na­ler Bezug zur dama­li­gen Situa­tion ist vor­han­den. Nichts für schwa­che Nerven!

Totoro: Steht für Frei­heit und die Krea­ti­vi­tät von Kindern

Glüh­würm­chen: Ein Hoff­nungs­schim­mer, wo keine mehr ist

Frei und unabhängig

Ernst und herzzerreißend

Anime-Räume: blü­hende Land­schaf­ten, das Kran­ken­zim­mer der Mutter

Anime-Räume: ein vom Krieg zer­stör­tes Land und Erin­ne­rungs­räume, in denen die Ver­stor­be­nen sicht­bar werden

Ab 0 Jahren.

Laut FSK kann der Film ab 6 Jah­ren geschaut wer­den, was viel zu gering ein­ge­schätzt ist. Der Anime ist ab 12 Jah­ren zu empfehlen.

„Das 21. Jahr­hun­dert ist ein har­tes Zeitalter“

Diese Ein­stel­lung wird von Miya­zaki in „Prin­zes­sin Monon­oke“ (2001) wie­der auf­ge­grif­fen und ist im Gegen­satz zu „Mein Nach­bar Totoro“ oder „Kikis klei­ner Lie­fer­ser­vice“ (1989) wie­der an etwas ältere Kinder/Jugendliche gerichtet.

Der Film beginnt mit Prinz Ashitaka, der sein Dorf von einem abnorm gro­ßen Kei­ler, der sich in einen Dämon ver­wan­delt hat, befreit. Dabei wird er am Arm schwer ver­letzt und von einer Krank­heit befal­len, die sich von da an durch sei­nen gan­zen Kör­per frisst. Um sein Schick­sal mög­lichst abzu­wen­den, zieht er los zur Eisen­hütte, wel­che von der Her­rin Ebo­shi regiert wird. Dort wurde die eiserne Kugel, die im Kör­per des Kei­lers steckt und ihn in Rase­rei ver­setzt, her­ge­stellt. Im nahe­ge­le­ge­nen Wald der Eisen­hütte lebt San, alias Prin­zes­sin Monon­oke, die von der Wölfs­göt­tin Moro auf­ge­zo­gen wurde. Sie lebt mit die­ser und zwei wei­te­ren Wolfs­ge­schwis­tern in einem Rudel. Monon­oke will Ebo­shi umbrin­gen, da diese in ihren Augen eine Gefahr für die Natur dar­stellt. In die­sen Kon­flikt zwi­schen Monon­oke und Ebo­shi gerät Ashitaka. Wei­ter­hin leben im Wald Wald­geis­ter und ein Wald­gott, dem Ebo­shi den Kopf abschla­gen will.

Beson­ders wer­den hier The­ma­ti­ken wie die Sicht­weise der jun­gen Genera­tion, der Zusam­men­hang zwi­schen Mensch und Natur, der üble Dämon Hass in jedem von uns und gesell­schaft­li­che Par­ti­zi­pa­tion oder Dis­kri­mi­nie­rung auf­ge­grif­fen. Miya­zaki hat noch bei vie­len wei­te­ren bemer­kens­wer­ten Meis­ter­wer­ken, wie etwa „Das Schloss im Him­mel“ (1986), „Chi­hi­ros Reise ins Zau­ber­land“ (2001) und „Das wan­delnde Schloss“ (2004) Regie geführt.

Im wei­ter­füh­ren­den Arti­kel, der am 20. März erscheint, wer­den – in Anbe­tracht der Menge die­ses unglaub­li­chen Schaf­fens­ver­mö­gens – die Werke eini­ger wei­te­rer Regis­seure des Ghi­bli Stu­dios fokussiert.

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1 comment

„Das letzte Einhorn“ im Comicformat – Bücherstadt Kurier 22. Februar 2020 - 18:46

[…] Hayao Miya­zaki, Toshio Suzuki und Isao Taka­hata kauf­ten das Stu­dio und benann­ten es in Stu­dio Ghibli […]

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