Be-geistert?

by Worteweberin Annika

Ein paar Lei­chen im Kel­ler, ein paar Hei­lige auf dem Sofa – dem sowie eini­gen ande­ren Rät­seln begeg­net die Prot­ago­nis­tin in Jess Kidds „Hei­lige und andere Tote“. Ob Worte­we­be­rin Annika be-geis­tert war?

Maud ist Sozi­al­be­treue­rin. Für alte oder hilfs­be­dürf­tige Men­schen berei­tet sie Essen zu, sorgt für Ord­nung im Haus und dafür, dass die Men­schen gewa­schen wer­den. Ihr neuer Schütz­ling Cat­hal Flood ist aller­dings eine Her­aus­for­de­rung: Der ehe­ma­lige Kurio­si­tä­ten­händ­ler lebt auf sei­nem Anwe­sen Brid­le­mere in einem Wust aus altem Kram, toten Mäu­sen, Kat­zen, Schmutz und einer gro­ßen Mauer aus Natio­nal Geo­gra­phic-Hef­ten. Was dahin­ter liegt? Nur lang­sam dringt Maud in die­sen Teil des Hau­ses vor, denn wenn Cat­hal sie erwi­schen würde, gäbe es sicher Ärger. Der alte Herr freun­det sich zwar lang­sam mit sei­ner neuen Betreue­rin an, doch oft zeigt er sich über­aus rup­pig. Außer­dem deu­ten selt­same Vor­komm­nisse im Haus und alte Fotos dar­auf hin, dass Cat­hal mehr als eine Lei­che im Kel­ler haben könnte.

Krimi und Mystery

Wäh­rend Maud vor allem auf­ge­wühlt über ihre Funde ist, wecken sie das kri­mi­na­lis­ti­sche Inter­esse ihrer Ver­mie­te­rin und Freun­din Renata. Sie plant mit Maud Ermitt­lungs­ar­bei­ten, die die bei­den jedoch in Gefahr brin­gen. Hat Cat­hal Flood seine Frau ermor­det? Hatte er nicht nur einen Sohn, son­dern auch eine Toch­ter? Und wer ist das Mäd­chen, das spur­los aus einem Wai­sen­haus ver­schwand? Zum Glück kann Maud auf die Unter­stüt­zung der Hei­li­gen zurück­grei­fen, die sie als ein­zige sehen kann.

In Mauds Ver­gan­gen­heit schlum­mert eine tiefe see­li­sche Erschüt­te­rung, über die sie nie spricht. Im Laufe des Romans wird deut­lich, dass ihre eigene Schwes­ter in ihrer Jugend ver­schwand, was Mauds Inter­esse an dem ver­schwun­de­nen Kind auf Brid­le­mere noch stei­gert. Ob sie auch die­sen „Fall“ auf­klä­ren kann, wird hier nicht verraten!

Mög­lich, dass sich damit auch ihre beson­dere Gabe, die Hei­li­gen zu sehen, erklä­ren lässt. Das bleibt ebenso offen wie die Begrün­dung für das Auf­tau­chen der geheim­nis­vol­len Bil­der und andere Vor­komm­nisse auf Brid­le­mere. Für mich, die ich mit einer ???-arti­gen, logi­schen Erklä­rung für alle über­na­tür­li­chen Phä­no­mene im Laufe des Kri­mis gerech­net hatte, war das etwas ent­täu­schend. Wer aber ein Freund von Mys­ti­schem und Geheim­nis­vol­lem ist, der fin­det in „Hei­lige und andere Tote“ sicher­lich gute Unterhaltung.

Ein Herz für Geister?

Die Figu­ren in Jess Kidds zwei­tem Roman sind ver­schro­ben und teils unge­wöhn­lich gezeich­net. Das trifft auf den kau­zi­gen Cat­hal genauso zu wie auf die Hei­lige sehende Maud. Beson­ders Renata, die als Trans­gen­der-Frau immer wie­der auf Ableh­nung stößt und sich des­we­gen nicht mehr aus dem Haus traut, ist als Figur her­vor­zu­he­ben. Ihre Geschlechts­iden­ti­tät wird im Roman ange­neh­mer­weise zwar ange­spro­chen – jedoch nicht direkt, als sie ein­ge­führt wird. So bekommt sie als Figur eine Iden­ti­tät, die dar­über hinausgeht.

Sprach­lich hin­ge­gen konnte mich Jess Kidds Roman nicht kom­plett über­zeu­gen. Zwar ver­wen­det die Autorin einige ver­spielte, unge­wöhn­li­che Meta­phern, ansons­ten bleibt ihr Stil etwas plump. Nach­dem der Vor­gän­ger „Der Freund der Toten“ sogar in der ZEIT gelobt wurde, hätte man vom nächs­ten Roman etwas mehr erwar­ten kön­nen außer Span­nung und Geister.

Hei­lige und andere Tote. Jess Kidd. Über­set­zung: Klaus Tim­mer­mann, Ulrike Wasel. Dumont. 2018.

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