Biografie oder Roman?

by Bücherstadt Kurier

Karl Marx gehört zwei­fel­los zu den größ­ten und bekann­tes­ten Phi­lo­so­phen des 19. Jahr­hun­derts. Über sein Leben und Werk wird auch heute noch viel dis­ku­tiert und geschrie­ben. Hans Jür­gen Krys­man­ski möchte mit „Die letzte Reise des Karl Marx“ einen von der For­schung wenig beach­te­ten Teil von Marx‘ Leben beleuch­ten und ver­liert sich dabei lei­der irgendwo zwi­schen Dreh­buch und Biographie.

Nach dem Tod sei­ner Ehe­frau hat Karl Marx mit einer Krank­heit zu kämp­fen und wird von sei­nem Phi­lo­so­phen­kol­le­gen und Freund Fried­rich Engels auf eine Erho­lungs­reise geschickt. Über Frank­reich reist Marx nach Algier, lernt dort eine junge Frau ken­nen und för­dert ihre kom­mu­nis­ti­sche Bil­dung. Das Klima bekommt ihm jedoch nicht, wes­halb er nach Monte Carlo fährt, wo er – ange­regt durch die zahl­rei­chen Casi­nos – viele Noti­zen für wei­tere poli­ti­sche Schrif­ten sam­melt. Schließ­lich kehrt Marx nach Eng­land zurück. Bald dar­auf stirbt er in sei­nem Arbeitszimmer.

Im Vor­wort erklärt der Autor, dass die­ses Buch aus einer „Ideen­samm­lung für einen Spiel­film“ ent­stand. Das merkt man der Erzäh­lung auch deut­lich an. Durch kurze, wenig aus­ge­schmückte Sätze und einen sze­nen­ar­ti­gen Auf­bau, besitzt das Buch Eigen­schaf­ten eines Dreh­buchs. Ebenso, dar­auf wird auch im Vor­wort hin­ge­wie­sen, hat der Autor sich bei der Ent­wick­lung der Geschichte ein paar dich­te­ri­sche Frei­hei­ten erlaubt, auch wenn der größte Teil auf Fak­ten beruht.
Gleich­zei­tig jedoch lässt das Buch den für Romane und Spiel­filme typi­schen Span­nungs­bo­gen ver­mis­sen und ver­passt damit eine große Chance. Marx reist von einem Ort zum ande­ren, krän­kelt und denkt vor sich hin und erlebt nichts wirk­lich Auf­re­gen­des. Dadurch ver­stärkt sich der bio­gra­phi­sche Cha­rak­ter des Buches. Einige Namen und zurück­lie­gende Bege­ben­hei­ten fin­den Erwäh­nung. Außer­dem sind Zitate in den Text mit ein­ge­bun­den. Es wirkt jedoch lei­der oft so, als wür­den die Zitate nur um des Zitie­rens wil­len angebracht.

All­ge­mein lässt sich der Zusam­men­hang zwi­schen eini­gen auf­ein­an­der fol­gen­den Sze­nen ver­mis­sen, wodurch stark der Ein­druck ent­steht, dass die Ideen­samm­lung zum Spiel­film noch nicht ganz abge­schlos­sen war, als Krys­man­ski die­ses Buch verfasste.
Auch scheint es so, als setze der Autor zum Lesen sei­nes Wer­kes zum einen mehr als Grund­kennt­nisse des Mar­xis­ti­schen Wer­kes und Lebens vor­aus, da etli­che Begriffe zwar erwähnt aber nicht wei­ter erklärt oder in den Kon­text ein­ge­bun­den wer­den. Zum ande­ren ent­hal­ten viele Sätze fran­zö­si­sche oder eng­li­sche Wör­ter, manch­mal auch bei­des, wodurch ein gewöh­nungs­be­dürf­ti­ges Spra­chen­wirr­warr ent­steht. Zwar sind diese Ein­würfe meist nicht ver­ständ­nis­re­le­vant, den­noch ist dies für alle Lese­rIn­nen, die eine der Spra­chen oder viel­leicht auch beide nicht spre­chen, even­tu­ell unan­ge­nehm, da es auch keine Über­set­zung in Fuß­no­ten gibt.

Grund­sätz­lich ist der letzte Lebens­ab­schnitt von Karl Marx sicher ein span­nen­des Thema, das viele Mög­lich­kei­ten für Lite­ra­tur und Film bereit hält. Krys­manskis fil­mi­scher Erzähl­stil kann jedoch nicht über den feh­len­den Span­nungs­bo­gen hin­weg­täu­schen und will auch nicht recht zum bio­gra­phi­schen Aspekt des Buches pas­sen. Für eine Bio­gra­phie wie­derum feh­len genauere Aus­füh­run­gen zu Marx‘ Leben, wes­halb lei­der nicht alle Lese­rIn­nen mit­ge­nom­men wer­den. In der Kürze liegt eben nicht immer die Würze.
Für alle, die sich jedoch schon etwas mehr mit Karl Marx beschäf­tigt haben und die eine Vor­liebe für fil­mi­sche Bio­gra­phien haben, ent­hält „Die letzte Reise des Karl Marx“ viel­leicht ein paar bis­her unbe­kannte Infor­ma­tio­nen und die Chance auf eine Kopf­ki­no­reise ins vor­letzte Jahrhundert.

Ronja

Die letzte Reise des Karl Marx, Hans Jür­gen Krys­man­ski, Westend Ver­lag, 2014

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1 comment

Xeniana 18. April 2015 - 14:59

Muss ich haben:)

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