Biografische Nachkriegsliteratur

by Zeichensetzerin Alexa

Susanne Schäd­lich beschreibt in ihrem Roman „Herr Hüb­ner und die sibi­ri­sche Nach­ti­gall“ das Schick­sal zweier Men­schen – nach wah­rer Begebenheit.

Diet­rich Hüb­ner ist 21 Jahre alt und Mit­glied der Libe­ral­de­mo­kra­ti­schen Par­tei, die 43 jäh­rige Mara Jakisch ist Ope­ret­tensän­ge­rin und Film­schau­spie­le­rin. Beide wer­den wegen Spio­nage für die west­li­chen Besat­zungs­mächte zu 25 Jah­ren Arbeits­la­ger ver­ur­teilt. Die Hand­lung beginnt im Jahre 1948 in Dres­den, die Ver­ur­teil­ten kom­men ins Gefäng­nis der Sowje­ti­schen Mili­tär­ad­mi­nis­tra­tion und kom­mu­ni­zie­ren über Klopf­zei­chen durch die Zel­len­wand. Wäh­rend Mara sich die Zeit mit Gesang ver­treibt, beginnt Diet­rich Gedichte zu schrei­ben. Dafür nutzt er die feuchte Platte des Klapp­ti­sches und ein Stück Holz. Sobald er sie nie­der­ge­schrie­ben hat, wischt er sie wie­der weg. Ein sehr beein­dru­cken­des fin­det sich auf Seite 55:
Kennst du das Haus, das auf dem Fel­sen steht, dort, wo die Frei­heit hin­ter Git­tern geht und Liebe schweigt, vom Hass besiegt.
Kennst du das Haus, das dort im Schat­ten liegt, wo jeder Mor­gen freud­los tagt, und nachts die Eule nach den Toten fragt. […]

Ihre Lage erscheint hoff­nungs­los. Diet­rich wird nach Baut­zen geschickt, dann nach Bran­den­burg-Gör­den, Mara in den Gulag nach Sibi­rien. Was sie ermun­tert, ist die Hoff­nung auf bes­sere Zei­ten und die weni­gen Briefe, die sie von ihren Fami­lien erhal­ten. Zwi­schen­zeit­lich erfährt man von den erfolg­lo­sen Ver­su­chen Diet­richs Mut­ter, ihren Sohn aus dem Gefäng­nis zu holen. Über­zeu­gend wer­den hier zwei Lebens­ge­schich­ten erzählt, gespickt mit rus­si­schen Voka­beln, die anfangs noch recht häu­fig in den Text ein­ge­baut wer­den, aber so, dass man ver­steht, was gemeint ist, sobald man wei­ter­liest. Zum Ende hin nimmt die rus­si­sche Spra­che ab, die Schwer­punkte wer­den mehr auf Gefühle und Erin­ne­run­gen gelegt als auf Ein­drü­cke und Beobachtungen.

Wäh­rend die Geschichte mit Tiefe und Authen­ti­zi­tät über­zeugt und einen nach­hal­ti­gen Ein­druck hin­ter­lässt, fas­zi­niert der Schreib­stil eher weni­ger. Die­ser liest sich holp­rig, teils mit sehr kur­zen Sät­zen, oft­mals mit Gedan­ken ohne wei­tere Satz­zei­chen. Ein Stil, an den man sich im Laufe der Geschichte zu gewöh­nen ver­sucht. Man könnte sagen, es sei Kunst und doch ist es eben­diese, die einen von der eigent­li­chen Geschichte ablenkt.
Wenn die Arbeit vor­bei war, wenn er auf die Zelle zurück­ging, fuhr er in den Urlaub. Immer ging es in Rich­tung Nor­den. Er fragte sich, wie es wohl am Meer sei. Wie es sich anfühle. Die Far­ben kannte er von Gemäl­den. Er dachte, Wenn ich drau­ßen bin, reise ich um die Welt. (S. 120)

„Herr Hüb­ner und die sibi­ri­sche Nach­ti­gall“ ist ein Stück Lite­ra­tur, das durch die Tat­sa­che glänzt, dass hier eine Geschichte nach wah­ren Bege­ben­hei­ten erzählt wird und Gedichte und Verse von Diet­rich Hüb­ner und Mara Jakisch beinhaltet.

Alexa

Herr Hüb­ner und die sibi­ri­sche Nach­ti­gall, Susanne Schäd­lich, Droemer Ver­lag, 2014
www​.susan​ne​scha​ed​lich​.de

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1 comment

Wunsch nach Freiheit | Bücherstadt Kurier 9. Juni 2015 - 20:12

[…] zu schrei­ben. Die­ses Phä­no­men begeg­nete mir bereits in “Die Schlaf­lo­sen” und “Die sibi­ri­sche Nach­ti­gall“, und nun auch in die­sem Werk “Köni­gin der Insel”. Ob sich diese Art von […]

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