Brauchtum und der Wandel der Zeit

by Bücherstadt Kurier

Ein Land, das noch in sei­ner Tra­di­tion ver­haf­tet ist, aber nach Neue­run­gen strebt, ist im Umbruch. Was aber, wenn der Umbruch her­bei geführt wird, wenn dies gar nicht erwünscht ist? Galsan Tschi­nag, der Autor von „Gold und Staub“, ent­führt den Leser mit bild­ge­wal­ti­gen und inten­siv-per­sön­li­chen Wor­ten ins Herz der Mongolei.

Der Ich-Erzäh­ler lebt einen Teil des Jah­res in Städ­ten, einen Teil reist er durch die Welt und einen drit­ten Teil des Jah­res ver­lebt er in den tra­di­ti­ons­rei­chen Jur­ten des Tuwa-Dor­fes, sei­ner Hei­mat. Er ist ein alter Mann und jedes Mal, wenn er wie­der kommt, fin­det er weni­ger von sei­nen Ver­trau­ten vor. Nicht ver­wun­der­lich, dass er über die Grab­stät­ten der Sei­nen nach­denkt, die in der eher trost­lo­sen Erde der kar­gen mon­go­li­schen Land­schaft ruhen.
Durch seine Rei­sen inspi­riert, plant er, die Grä­ber neu zu rich­ten und die trost­lose Steppe zu begrü­nen. Für die Ahnen. Doch eine uner­war­tete Begeg­nung wirft erste Rät­sel auf. Eine junge Frau, modern und selbst­stän­dig, dazu noch gut betucht, sucht seine Auf­merk­sam­keit. Durch Gesprä­che und gemein­sam ver­brachte Stun­den erken­nen sie, dass sie sich so ver­traut sind, als wären sie enge Geschwis­ter. Bis im so wert­vol­len Gebiet der Tuwa Gold gefun­den wird. Tra­di­tion und Brauch­tum wer­den, genauso wie die­je­ni­gen, die noch dafür ein­ste­hen, auf eine harte Probe gestellt.

Mit gro­ßer Wort­ge­walt und sehr bild­haf­ten Beschrei­bun­gen erzählt der Autor Galsan Tschi­nag eine Geschichte, bei wel­cher es nicht um Aben­teuer geht, obwohl von einem Aben­teuer erzählt wird. Mit gro­ßer Weis­heit und der Klug­heit eines Man­nes, der schon viel gese­hen und erlebt hat, erzählt der Autor über die Tra­di­tion sei­nes Lan­des, sei­nes Jur­ten­dor­fes. Er erklärt Brauch­tum und des­sen Ent­ste­hung und scheut sich nicht, Bezie­hun­gen und Ver­bun­den­heit in einem sehr emo­tio­na­len Rah­men zu beschreiben.
Weis­hei­ten wer­den kei­nes­wegs in einem Satz abge­han­delt und die Aus­sage „Es pas­siert so viel, obwohl nichts pas­siert“ kann tref­fen­der gar nicht sein. In unglaub­li­cher Weise wen­det er Worte so pas­send und tref­fend an, dass man als Leser immer wie­der das Buch zur Seite legen kann, um über Aus­sa­gen nach­zu­den­ken oder diese wir­ken zu las­sen. Er spricht über Scha­ma­nen und das Über­sinn­li­che, das noch immer Teil des tuwi­nis­ti­schen Lebens ist, beschreibt das noch vor­herr­schende Miss­trauen und gleich­zei­tig Fas­zi­na­tion dem Neuen gegen­über, das man­che aus den Städ­ten ken­nen, aber nicht damit leben wollen.

Fast schon scho­ckie­rend ergrei­fend wird man von dem Zwie­spalt getrof­fen, der vor­herrscht, als das Gold gefun­den wird und die Men­schen, ähn­lich dem Gold­rausch des Wil­den Wes­tens in den USA, auf vie­les ver­ges­sen und den Reich­tum vor sich sehen. Auch Kon­flikte und Zwie­spalt grei­fen so tief in die eigene Gefühls­welt ein, dass es nicht mög­lich ist, zu lesen, ohne mit­zu­füh­len, ergrif­fen oder belus­tigt zu sein, tief betrübt oder geschockt.
Der Leser wird schein­bar mit­ten in die Erzäh­lung gestellt, anstatt nur der Beob­ach­ter zu sein. Und so ergrei­fen Zitate, Weis­hei­ten und Aus­sa­gen auf tiefe Weise, denn so man­ches gilt nicht nur für das Tuwa-Volk, son­dern betrifft Zwi­schen­mensch­lich­keit, Ethik eine welt­weit anspre­chende Sicht der Dinge. Ein gran­dio­ses Buch, für wel­ches man sich Zeit neh­men muss. Es wird einen lange beglei­ten und viele Weis­hei­ten bringen.

Eli­sa­beth

Gold und Staub, Galsan Tschi­nag, Uni­ons­ver­lag, 2012

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0 comment

Rabin 15. September 2015 - 18:18

Mich würde inter­es­sie­ren, wie du gerade auf die­ses Buch auf­merk­sam gewor­den bist? Es hört sich inter­es­sant an, obwohl du rela­tiv wenig über den Inhalt verrätst.

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Bücherbändigerin Elisabeth 16. September 2015 - 0:25

Eigent­lich bin ich dar­über gestol­pert. Ich finde es immer inter­es­sant, etwas von Autoren aus „exo­ti­schen“ Län­dern zu lesen, zudem han­delt die­ses Buch auch in der Mon­go­lei, was mich dop­pelt neu­gie­rig gemacht hat. Schluss­end­lich war es dann um mich gesche­hen, als ich mir Hin­ter­gründe über den Autor durch­ge­le­sen habe. Was die­ser schon alles erlebt hat, wo er war, mit wem er sich unter­hal­ten hat (Dalai Lama,...) bringt er alles in seine Erzäh­lung hin­ein und das mit so gewal­ti­gen Wor­ten, dass ich nicht auf­hö­ren konnte zu lesen. Wobei, doch, konnte ich, immer­hin ist es kein Buch, das man mit einem Mal durch­liest. Man muss es immer wie­der bei­seite legen und ein wenig sacken las­sen. Aber ich werde mir ganz bestimmt wei­tere Bücher von Galsan Tschi­nag zu Gemüte führen.

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