(Br)Exit Now! – Demokratie ist tot, tu etwas

by Bücherstädterin Jasmin

Bald ist es soweit: Groß­bri­tan­nien hat vor, die EU zu ver­las­sen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Bre­xit voll­zo­gen wird. Doch was pas­siert danach? Diese Frage hat sich auch Teri Terry gestellt und sie als Grund­idee für ihren neus­ten Roman benutzt. – Von Bücher­städ­te­rin Jasmin

„Wie wäre es mit Demo­kra­tie ist tot, also D‑I-T?“ „Und tu etwas! Demo­kra­tie ist tot, tu etwas – DITTE“ sagt er. „Gar nicht schlecht. Aber als Wort klingt es viel­leicht albern.“ „Dafür prägt es sich gut ein. Und für Erwach­sene klingt es wie ein Mäd­chen­name, kei­ner denkt sich was dabei, wenn er ihn zufäl­lig auf­schnappt.“ „Stimmt.“ „Und nicht nur das, es fühlt sich rich­tig an. Leben­dig. So kann es funk­tio­nie­ren.“ (S. 273)

Eng­land 2024: Sam ist die Toch­ter des stell­ver­tre­ten­den Pre­mier­mi­nis­ters, lebt in einem gro­ßen Haus, lächelt in die Kame­ras und trägt maß­ge­schnei­derte Klei­der. Ava hat ein Sti­pen­dium, ihr Vater ist Taxi­fah­rer und ihre Mut­ter hat die bei­den ver­las­sen. Als Ava beginnt, Sam Nach­hilfe zu geben, tref­fen zwei völ­lig ver­schie­dene Wel­ten in einer gefähr­li­chen Zeit auf­ein­an­der. „Exit Now“ erzählt von einem Eng­land nach dem Bre­xit, von einem Pul­ver­fass, das auf den zün­den­den Fun­ken wartet.

Die Men­schen sind wütend. Die Kluft zwi­schen arm und reich wird immer grö­ßer und immer häu­fi­ger gibt es Atten­tate. Die Regie­rung weiß sich nicht mehr zu hel­fen. Auch Sam und Ava bekom­men das mit, ver­su­chen aber trotz­dem ihren All­tag zu meis­tern, wobei sie sich von Anfang an gut ver­ste­hen. Durch Ava wer­den Sam die Augen geöff­net und sie fängt an, die Regie­rung und ihre Vor­ge­hens­wei­sen immer wei­ter zu hin­ter­fra­gen. Als dann die Jugend­li­chen für den Ter­ror ver­ant­wort­lich gemacht wer­den, müs­sen sich die bei­den Teen­ager ent­schei­den, ob sie sich gegen diese Vor­würfe zur Wehr set­zen oder sie hinnehmen.

Lang ersehn­tes Prequel

Da ich ein gro­ßer Fan der „Gelöscht“-Trilogie bin, habe ich mich rie­sig gefreut, als ich erfuhr, dass ein Pre­quel zur Geschichte rund um Kyla erschei­nen wird und ich wurde nicht ent­täuscht. „Exit Now“ ist in kur­zen Kapi­teln aus der Sicht von bei­den Prot­ago­nis­tin­nen geschrie­ben, wodurch man einen guten Über­blick behält.

Auf dem Cover ist Sam zu sehen, was an die Umschlag­ge­stal­tung der Tri­lo­gie erin­nert – gene­rell gibt es viele Ver­bin­dun­gen und Par­al­le­len zwi­schen dem Pre­quel und der Tri­lo­gie, da nur ein paar Jahre zwi­schen den bei­den Geschich­ten lie­gen. Trotz­dem ist es mög­lich, das Buch als Ein­zel­band zu lesen.

Teri Terry hat einen sehr ange­neh­men, fes­seln­den Schreib­stil, durch den man sich sofort in der aktu­el­len Situa­tion wie­der­fin­det. Und aktu­ell ist das Buch auf jeden Fall. Es ist eine gute Mischung aus Sci­ence-Fic­tion und Poli­tik, wobei vor allem viel Wert auf die Mei­nung der Jugend gelegt wird, denn diese muss mit dem Bre­xit klar­kom­men, ohne dafür ver­ant­wort­lich zu sein. Dadurch ent­steht ein inter­es­san­ter Genera­tio­nen­kon­flikt, der mei­ner Mei­nung nach lei­der ein wenig über­spitzt dar­ge­stellt wird. Ins­ge­samt ist es sehr schwarz und weiß: Alle Jugend­li­chen sind auf der einen und alle Erwach­se­nen auf der ande­ren Seite, was etwas unrea­lis­tisch, aber durch­aus span­nend zu lesen ist.

Die Hand­lung kommt erst nach den ers­ten 100 Sei­ten wirk­lich in Fahrt, dafür steigt die Span­nung umso schnel­ler. Dadurch hat es sich etwas hin­aus­ge­zö­gert, was mich per­sön­lich aber nicht gestört hat.

Cha­rak­tere

Sam und Ava, die bei­den Prot­ago­nis­tin­nen, waren mir von Anfang an sehr sym­pa­thisch und ich hatte keine Pro­bleme damit, ihr Han­deln nach­zu­voll­zie­hen. Ihre Lie­bes­ge­schichte ist ein­fach nur herz­er­wär­mend, wobei ich finde, dass sie etwas zu kurz gera­ten ist, was ich sehr ent­täu­schend fand. Nichts­des­to­trotz sind sie mir sofort ans Herz gewach­sen und ich bin für ihre unglaub­li­che Geschichte mehr als dank­bar. Auch die meis­ten ande­ren Cha­rak­tere waren sehr rea­lis­tisch und authen­tisch geschrie­ben. Sams Eltern dage­gen wirk­ten etwas ober­fläch­lich, sie schie­nen keine feste Bezie­hung zu ihrer Toch­ter zu haben und ihre Gefühle waren oft nur ein Rätsel.

Ein vol­ler Erfolg

Trotz klei­ner Makel ist „Exit Now“ abso­lut emp­feh­lens­wert, wie alle Bücher von Teri Terry. Es ist wahn­sin­nig fes­selnd, wie sie eine Welt beschreibt, die so erschre­ckend nah an der Rea­li­tät liegt oder zumin­dest für Groß­bri­tan­nien in einer abge­schwäch­ten Form zur Rea­li­tät wer­den könnte. Dazu weist sie dar­auf hin, wie schnell aus einer Demo­kra­tie eine Dik­ta­tur wer­den kann und wie wich­tig daher unser Grund­ge­setz und des­sen Rechte sind.

Die Geschichte ist einer­seits ziem­lich ernst und zum Ende hin auch etwas trau­rig, hat aber ande­rer­seits etwas unglaub­lich Schö­nes und Bewe­gen­des an sich und löst Gefühle in mir aus, wie es noch kein ande­res Buch zuvor geschafft hat.

Dar­über hin­aus ist das Ende sehr gut gewählt und bil­det einen per­fek­ten Über­gang zur „Gelöscht“-Trilogie oder lässt, wenn man die Tri­lo­gie schon kennt, die „Gelöscht“-Bücher in einem ande­ren Licht erscheinen.

Exit Now. Teri Terry. Über­set­zung: Petra Knese. Cop­pen­rath. 2019.

Mehr von Teri Terry, rezen­siert von Bücher­städ­te­rin Jasmin:
GelöschtBook of Lies | Tri­lo­gie: „Infi­ziert“ (Band 1), „Mani­pu­liert“ (Band 2), „Eli­mi­niert“ (Band 3)

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