Kill or be killed – „Chang“, ein Stück Zeitgeschichte #BKUmwelt

by Bücherstadt Kurier

Wäh­rend heut­zu­tage jedes Kind „King Kong“ kennt, ist kaum jeman­dem bewusst, dass die­sel­ben Fil­me­ma­cher einige Jahre zuvor im Dschun­gel mit ech­ten, wil­den Tie­ren dreh­ten. Bücher­städ­te­rin Zarah hat sich „Chang“ dort ange­se­hen, wo er gedreht wurde: in Süd­ost­asien, bei brü­ten­der Hitze.

Eine Stadt im Nor­den von Laos, es ist frü­her Abend, eine kaum erkenn­bare Brise weht durch die drü­ckende Hitze. Die ers­ten Later­nen sind ange­gan­gen und tau­chen die Straße in bei­nahe rosa­ro­tes Licht.

Hin­ter einer schma­len wei­ßen Mauer mit Metall­zaun die Anlage eines Luxus­ho­tels. Akku­rat gemäh­ter Rasen, Kies­wege, schmale Pal­men. Und mit­ten auf der größ­ten Rasen­flä­che: eine Lein­wand, davor ein­zelne Stühle. Noch wird nichts auf die weiße Flä­che pro­ji­ziert, weit und breit ist nie­mand zu sehen.

Aber um Punkt 18 Uhr, die Sonne ist nun voll­stän­dig unter­ge­gan­gen, so früh tat­säch­lich schon, fin­den sich einige Men­schen ein, ver­tei­len sich auf den Sit­zen, bestel­len über­teu­er­tes Bier, das absur­der­weise genauso heißt wie der Film­klas­si­ker, der nun auf diese Lein­wand gestrahlt wird: „Chang“.

Der Dschun­gel als Zuhause

„Chang“ ist thai­län­disch für „Ele­fant“, aber viel­mehr als das wirkt es im gesam­ten Film wie eine Art Syn­onym für die Wild­nis, den Dschun­gel, das Andere. Das, was es nicht nur zu besie­gen gilt, son­dern was auch zum Unter­tan gemacht wer­den soll.

„Chang“ (Ori­gi­nal: „Chang: A Drama of the Wil­der­ness“) ist ein Stumm­film aus dem Jahr 1927, die musi­ka­li­sche Beglei­tung die­ser Ver­sion stammt von einem Orches­ter aus einer Stadt im Süden von Laos, Cham­pasak, und kaum eines der Instru­mente wür­den wir in Mit­tel­eu­ropa fin­den. Das Orches­ter ist sehr geprägt von Trom­meln, bringt eine flir­rende Atmo­sphäre in die­sen Film, ver­stärkt das, was die Bil­der und Zwi­schen­ti­tel sagen.

„Chang“ erzählt die Geschichte von einer Fami­lie, die im Dschun­gel von Thai­land (damals Siam) lebt und über­lebt. Um sich vor wil­den Tie­ren zu schüt­zen, haben sie ihr Haus auf Stel­zen gestellt und mit hohen Bret­tern einen Ver­schlag für die Nutz­tiere gebaut. Vater, Mut­ter, Kin­der und ein Affe, dem humor­voll in den Zwi­schen­ti­teln Sätze zuge­schrie­ben werden.

Sie alle kön­nen nicht ver­hin­dern, dass Leo­par­den und Tiger ihr Unwe­sen trei­ben, ihren Was­ser­büf­fel töten, an die Zie­gen wol­len. Teil­weise allein, teil­weise mit­hilfe des nächst­ge­le­ge­nen Dorfs sin­niert der Bauer und Zim­mer­mann Kru über Metho­den, die Raub­kat­zen ein­zu­fan­gen und all das gelingt tat­säch­lich, bis sich eines Tages ein „klei­ner“ Chang, ein Baby-Ele­fant in einer sei­ner Fal­len ver­fängt. Kru wird über­mü­tig, will aus dem grauen Rie­sen ein Nutz­tier machen – und rech­net dabei nicht mit der Reak­tion von des­sen Mut­ter. Eine der beein­dru­ckends­ten Sze­nen des Films zeigt eine ganze Ele­fan­ten­herde, die das Dorf über­rennt und durch größte List gefan­gen­ge­nom­men wird.

Fil­men unter Lebensgefahr

Mensch ver­sus Natur in sei­ner reins­ten Form wird hier erzählt. Das ist weder zim­per­lich noch beschö­ni­gend. Es wen­det den Blick nicht ab von dem, was es bedeu­tet, nicht nur zu über­le­ben, son­dern auch die soge­nannte Krone der Schöp­fung zu sein. Raub­tiere wer­den erschos­sen, der Wille von Ele­fan­ten wird gebro­chen, um sie gefü­gig zu machen und gleich­zei­tig wird um das blanke Leben gerannt. Zusam­men­le­ben heißt hier, immer stär­ker zu sein als das Andere. Das ist bru­tal. Aber es ist auch ehr­lich. Und es wirkt umso beein­dru­cken­der, wenn man sich die Hin­ter­gründe des Films bewusst macht.

1927 bre­chen Merian C. Coo­per und Ernest B. Schoed­sack (die Regis­seure von „King Kong“) mit einer Film­crew in den Dschun­gel vom heu­ti­gen Laos und Thai­land auf, suchen sich lau­ter Laiendarsteller*innen zusam­men, mie­ten die Ele­fan­ten des dama­li­gen Königs von Siam und fil­men unter gro­ßer Gefahr für Cast und Crew Sze­nen mit unge­zähm­ten Wild­tie­ren des Urwalds. Der Film erzählt von einer ganz ande­ren Lebens­weise. 1929 erhielt der Film eine Nomi­nie­rung für die beste künst­le­ri­sche Pro­duk­tion bei den Oscars.

Zeit­reise ins alte Siam

Heute ist „Chang“ kaum noch bekannt. Und so grau­sam der Umgang mit der Umwelt im Film ist, so sehr sind wir doch mitt­ler­weile an einem ganz ande­ren Punkt ange­kom­men, der mehr Aus­beu­tung als Sym­biose ist.

Wer die Chance hat, „Chang“ zu sehen, sollte das tun: Es ist ein Stück Zeit­ge­schichte, gleich­zei­tig Doku­men­tar­film, Komö­die und Tra­gö­die. Wie ein Schlüs­sel­loch offen­bart das Werk Sze­nen aus einer längst ver­gan­ge­nen Welt, die noch kaum etwas von Rodung und Aus­beu­tung weiß. Und es bie­tet wahn­sin­nig beein­dru­ckende Auf­nah­men aus dem Urwald, gegen den der Mensch hof­fent­lich nie gewin­nen wird.

Chang: A Drama of the Wil­der­ness. Regie: Merian C. Coo­per, Ernest B. Schoed­sack. Dreh­buch: Ach­med Abdul­lah. Mit Kru, Chan­tiu, Nah, Ladah u.a. Para­mount Pic­tures. USA. 1927.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #BKUm­welt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Illus­tra­tion: Satz­hü­te­rin Pia

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