Cyberkriminalität – Ein Fall für Sektion 9 (Teil 2)

by Geschichtenzeichnerin Celina

„Ghost in the Shell“ von Man­gaka Masa­mune Shirow wurde mehr­fach als Film sowie als Serie umge­setzt. Wäh­rend Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina im ers­ten Teil auf die grund­le­gende Geschichte und die Manga ein­ge­gan­gen ist, stellt sie im fol­gen­den zwei­ten Teil die fil­mi­schen Adap­tio­nen vor.

Mamoru Oshiis Anime-Adaptionen

Die Filme von Regis­seur Oshii zeich­net beson­ders die Ruhe aus, mit der sie erzählt wer­den. Jene Ruhe erleich­tert es, die detail­rei­chen Bil­der zu ver­in­ner­li­chen und gibt in ihren lang­an­hal­ten­den Stra­ßen­sze­nen einen Ein­blick in den All­tag in der japa­ni­schen Stadt. Zudem erzeu­gen die atem­be­rau­ben­den Atmo­sphä­ren, wel­che durch den Zusam­men­klang von beein­dru­cken­den Bil­dern und Sound­track ent­ste­hen, ein Gän­se­haut-Erleb­nis. Die atem­be­rau­bende Musik ist von Kom­po­nist Kenji Kawai geschrie­ben wor­den. Hier spielt ein gan­zes Orches­ter und teils sin­gen meh­rere Frauen auf Japa­nisch. Am bes­ten hört ihr hier selbst mal rein. Die Ani­mes erschei­nen ernst­haf­ter als die Manga, da es keine car­toon­haf­ten Dar­stel­lun­gen gibt und auch die Gesprä­che der Figu­ren kaum bis gar kei­nen Humor beinhalten.

Der erste Anime setzt den Fokus mehr auf Motoko und die Geschichte rund um den Pup­pet­mas­ter. In Motoko kom­men immer mehr phi­lo­so­phi­sche Fra­gen auf, wie etwa „Wer bin ich?“, „Was macht einen Men­schen zum Men­schen?“ und „Ist auch ein Cyborg mensch­lich?“. Bei die­sem inner­li­chen Kon­flikt Moto­kos wer­den die Zuschau­en­den mit­ge­nom­men, da die­ser in Bil­dern und Wor­ten dar­ge­stellt wird. Daher wird hier die Dar­stel­lung der leicht­be­klei­de­ten Motoko auf­ge­grif­fen, da sie ihren Kör­per mehr als Hülle betrachtet.

„Ghost in the Shell 2: Inno­cence“ ist an das Noir-Genre ange­lehnt. Zwar ist es wei­ter­hin ein Sci­ence-Fic­tion-Film, der aller­dings typisch für Noir eine Low-Key-Beleuch­tung auf­weist, also dun­kele und düs­ter gehal­tene Bil­der, in denen das Spiel zwi­schen Licht und Schat­ten prä­gnant her­vor­sticht. Auch schräge Kame­ra­per­spek­ti­ven, extreme Unter- oder Auf­sich­ten und Auf­nah­men von Per­so­nen in Spie­ge­lun­gen sind im Stil des Noir. Die­ser Anime wird eben­falls lang­sam erzählt. Teil­weise wer­den ein­zelne Frames so gesetzt, dass sie wie ein Stand­bild erschei­nen. Auf­fäl­lig ist ebenso, dass das CGI wei­ter aus­ge­reift ist. Daher wir­ken die Hin­ter­gründe rea­lis­ti­scher. Die gezeich­ne­ten Figu­ren heben sich somit von der Umge­bung ab.

In die­sem Film sind Batou und Togusa die Prot­ago­nis­ten, die eine Mord­se­rie lösen wol­len. Hier zeigt sich, dass der Anime vom Manga „Ghost in the Shell 1.5“ inspi­riert wurde, wel­cher von der Zeit ohne den Major berich­tet. Aller­dings ste­hen nur Batou und Togusa im Mit­tel­punkt, wäh­rend es im Manga die ganze Sek­tion 9 ist. Außer­ge­wöhn­lich ist, dass eine Viel­zahl an phi­lo­so­phi­schen Zita­ten ver­wen­det wird und gene­rell ein recht kom­pli­zier­ter Fall ver­mit­telt wird, was eine hohe Kon­zen­tra­tion des Publi­kums ein­for­dert. Ebenso ist die Frage nach der Grenze zwi­schen Mensch und Maschine wie­der präsent.

Kenji Kami­ya­mas Serie und Anime

In der Serie und dem Anime von Regis­seur Kami­yama wird eine sozial- und gesell­schafts­kri­ti­sche Per­spek­tive ein­ge­nom­men. Es wer­den poli­ti­sche Macht­in­tri­gen und (Cyber)-Kriminalität in der Sek­tion 9 ermit­telt. In der ers­ten Staf­fel „Ghost in the Shell: Stand Alone Com­plex“ gibt es einen Vil­lain-of-the-week, also ein Fall pro Woche bezie­hungs­weise Folge. Nur der Fall des lachen­den Man­nes erstreckt sich über meh­rere Fol­gen. Durch die zweite Staf­fel „Ghost in the Shell: S.A.C. 2nd GIG“, die zwei Jahre spä­ter spielt, zieht sich die The­ma­tik Flücht­linge als roter Faden hin­durch. Aus heu­ti­ger Sicht erscheint diese zweite Staf­fel aus dem Jahr 2004 aktu­el­ler und vor­aus­schau­en­der denn je.

Der Anime „Ghost in the Shell: S.A.C. Solid State Society“ von 2006 schließt an die Serie an, aller­dings setzt auch hier die Hand­lung zwei Jahre spä­ter ein. Irri­tie­rend ist anfangs, dass die deut­sche Syn­chro­ni­sa­tion anders ist als in allen vor­he­ri­gen Adap­tio­nen. Die Sek­tion 9 steht wie­der im Vor­der­grund und die Cha­rak­tere haben sich wei­ter­ent­wi­ckelt. So ist bei­spiels­weise Togusa nun Grup­pen­lei­ter, nach­dem der Major die Gruppe ver­las­sen hat. Im Film wird ein Fall von Kin­des­ent­füh­rung behandelt.

In Kami­ya­mas Dar­stel­lung wirkt Motoko – vor allem in der Serie – uner­fah­re­ner als in Oshiis Ani­mes und es kris­tal­li­siert sich mehr her­aus, wie ent­schei­dend das Zusam­men­wir­ken inner­halb der Sek­tion 9 ist. Hinzu fällt auf, wie immer wie­der Stand-alone-Kom­plexe, bei denen meh­rere Nach­ah­mungs­tä­ter exis­tie­ren, auf­ge­grif­fen wer­den, sodass der wahre Täter nur schwer zu ermit­teln ist.

In der gan­zen Serie und dem Anime kommt den Tachi­ko­mas, den KI-Pan­zern, noch ein wich­ti­ger neben­dar­stel­le­ri­scher Part zu. Sie brin­gen etwas Humor mit ein und zei­gen nach­voll­zieh­bar auf, wie künst­li­che Intel­li­genz funk­tio­nie­ren kann.

Film­reihe und Anime von Kazu­chika Kise

Der Anime „Ghost in the Shell: The New Movie“ baut auf der Film­reihe „Ghost in the Shell – Arise“ auf, die ich noch nicht gänz­lich sehen konnte und des­halb nur auf den Anime ein­gehe. Gene­rell soll die Vor­ge­schichte zum ers­ten Anime von Oshii erzählt wer­den. Jedoch wirkt diese nicht wie eine düs­tere Dys­to­pie, son­dern hel­ler und bunter.

Da ein ganz neuer Stil ver­wen­det wird, wäre es sinn­voll gewe­sen, die Film­reihe und den Anime für sich ste­hen zu las­sen, anstatt diese als Vor­ge­schichte zu ver­kau­fen. Wei­ter­hin ist es teils schwie­rig, dem Anime zu fol­gen, da Logik­lü­cken ent­ste­hen. Zum Bei­spiel soll Togusa, der erst kurz vor den Ereig­nis­sen des 1995er Films zur Sek­tion 9 stieß, schon frü­her dabei gewe­sen sein.

Geschicht­lich wird beson­de­res auf zwei The­men ein­ge­gan­gen. Ein­mal auf die Situa­tion, dass voll­stän­dige und par­ti­elle Cyborgs nicht mehr nach­ge­rüs­tet wer­den, sodass diese lang­sam zer­fal­len. Dies steht im poli­ti­schen und sozi­al­ge­sell­schaft­li­chen Kon­flikt mit dem Recht auf Lebens­er­hal­tung. Eine wei­tere Ebene ist Moto­kos Vor­ge­schichte. Aller­dings lei­det hier die Nach­voll­zieh­bar­keit durch zu wenig Infor­ma­tio­nen. Zudem fin­det auch hier teils eine Neu­in­ter­pre­ta­tion, bei­spiels­weise im Cha­rak­ter­de­sign, statt. Das Kon­zept von Mako­tos ambi­va­len­tem Kör­per­ge­fühl, das einen gro­ßen Teil von Oshiis ers­ten Film aus­macht, wird hier etwa kom­plett igno­riert. Ins­ge­samt legt die­ser Anime mehr Wert auf Action und somit schnelle und knal­lige Hand­lungs­ab­fol­gen, mit weit­aus mehr Schnitten.

WOW

Oshiis und Kami­ya­mas Werke sind bild­sprach­lich und erzäh­le­risch ver­schie­den und den­noch für sich betrach­tet beein­dru­ckend. Auch hat „Ghost in the Shell“ von 1995 gemein­sam mit „Akira“ einen Mei­len­stein im Anime-Genre ebenso wie im Bereich der Sci­ence-Fic­tion gesetzt, damals zu mehr Popu­la­ri­tät des Anime bei­getra­gen und ebenso Filme wie „Matrix“ inspi­riert. Alle Geschich­ten aus dem „Ghost in the Shell“-Universum emp­fehle ich einem erwach­se­nen Publi­kum, da der Inhalt dann bes­ser nach­zu­voll­zie­hen ist. Zur­zeit kün­digt auch Net­flix eine Serie zu „Ghost in the Shell“ an, erneut mit Kami­yama im Regie­stuhl. Hier dazu ein Teaser.

Anime:

  • Ghost in the Shell. Regie: Mamoru Oshii. Musik: Kenji Kawai. Pro­duc­tion I.G. 1995.
  • Remas­te­ring des Films: Ghost in the Shell 2.0. 2008. Stu­dio Nip­pon­art, Deutsch­land: 2015.
  • Ghost in the Shell 2: Inno­cence. Regie und Dreh­buch: Mamoru Oshii. Musik: Kenji Kawai. Uni­ver­sum Anime. 2004.
  • Ghost in the Shell: S.A.C. Solid State Society. Regie: Kenji Kami­yama. Pro­duc­tion I.G. 2006.
  • Ghost in the Shell: The New Movie. Regie: Kazu­chika Kise, Kazuya Nomura. Uni­ver­sum Anime. 2017.

Serien:

  • Ghost in the Shell: Stand Alone Com­plex. Regie: Kenji Kami­yama. Pro­duc­tion I.G. 2002.
  • Ghost in the Shell: S.A.C. 2nd GIG. Regie: Kenji Kami­yama. Pro­duc­tion I.G. 2004.

Im Uni-Spe­cial 2 hat Stadt­be­su­che­rin Melissa einen Blick auf die Real­ver­fil­mung von „Ghost in the Shell“ gewor­fen. Den Text fin­det ihr auf Seite 17.

Foto: Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina

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1 comment

Cyberkriminalität – Ein Fall für Sektion 9 (Teil 1) – Bücherstadt Kurier 23. April 2020 - 9:45

[…] 05.03.20 erscheint der zweite Teil, in dem Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina auf die Ani­mes aus dem „Ghost in the […]

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