Daniel Beskos im Interview

by Worteweberin Annika

Mir gefällt beson­ders die Viel­sei­tig­keit unse­rer Arbeit. Dass man in alle Berei­che nicht nur Ein­blick bekommt, son­dern eigene Ideen ent­wi­ckeln und umset­zen kann. Dass man die Gele­gen­heit bekommt, mit tol­len Künst­lern zu arbeiten.

mai­risch ist ein klei­ner, unab­hän­gi­ger Ver­lag mit dem Herz am rech­ten Fleck: Im Inter­view mit Ver­le­ger und Inha­ber Daniel Bes­kos hat Worte­we­be­rin Annika zum Bei­spiel in Erfah­rung gebracht, wie in einer Mischung aus Grö­ßen­wahn und völ­li­gem Unwis­sen der mai­risch Ver­lag ent­stand, was an der Arbeit im Ver­lag beson­ders Spaß macht und wer in die­ser Sai­son Meis­ter wird.

Bücher­stadt Kurier: Zum Ein­stieg: Kön­nen Sie den mai­risch Ver­lag und das Pro­gramm kurz vorstellen?

Daniel Bes­kos: mai­risch ist ein Inde­pen­dent-Ver­lag mit Sitz in Ham­burg. 1999 gegrün­det, ist der Ver­lag seit 2005 im Buch­han­del ver­tre­ten. Ob Roman, Erzähl­band, Hör­spiel oder Musik: Wir ver­öf­fent­li­chen nur, was uns am Her­zen liegt – und legen dabei Wert auf hoch­wer­tige Gestal­tung, gründ­li­ches Lek­to­rat und eine lang­fris­tige, freund­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit mit unse­ren Autor*innen. Dabei wird der „klei­nen Form“ der Erzäh­lung ebenso viel Auf­merk­sam­keit geschenkt wie dem Roman. Autor*innen wie Finn-Ole Hein­rich, Michael Weins, Ben­ja­min Maack, Donata Rigg, Ste­fan Beuse, Dorian Stein­hoff, Stevan Paul, Flo­rian Wacker, Andreas Stich­mann und Lisa Kreiß­ler zäh­len zu den auf­re­gen­den Stim­men der jun­gen Gegenwartsliteratur.
Wei­tere Schwer­punkte lie­gen in der freien Hör­spiel­szene, aber wir ver­öf­fent­li­chen auch Musik (u.a. die Alben von Spa­ce­man Spiff), Gra­phic Novels sowie Sach­bü­cher (z.B. „Die Phi­lo­so­phie des Rad­fah­rens“). Wir ver­öf­fent­li­chen bewusst nur sehr wenige Titel pro Jahr, um die­sen mehr Auf­merk­sam­keit und Ener­gie wid­men zu kön­nen. Zu unse­ren High­lights aus dem aktu­el­len Jahr gehört sicher der Roman „Das Buch der Wun­der“ von Ste­fan Beuse und das neue, im Sep­tem­ber erschei­nende Kin­der­buch „Tre­cker kommt mit“ von Finn-Ole Hein­rich und Dita Zip­fel, illus­triert von Halina Kirschner.

BK: Was für eine Auf­gabe über­neh­men Sie selbst im Verlag?

DB: Ich bin Ver­le­ger und einer der drei Inha­ber des mai­risch Ver­lags. Da wir ein recht klei­nes Team von 4 bis 5 Leu­ten sind, tei­len wir uns natür­lich viele Auf­ga­ben – ich bin also etwa in die Pro­gramm­pla­nung, ins Lek­to­rat, in die Her­stel­lung, in die Pres­se­ar­beit, den Ver­trieb und in die Ver­an­stal­tun­gen invol­viert, bin dane­ben aber auch für Ver­träge, Lizen­zen und Finan­zen zuständig.

BK: Gibt es Dinge, die Ihnen bei der Ver­lags­ar­beit beson­ders viel Spaß machen? Und gibt es auch etwas, dass Ihnen nicht gut gefällt?

DB: Mir gefällt beson­ders die Viel­sei­tig­keit unse­rer Arbeit. Dass man in alle Berei­che nicht nur Ein­blick bekommt, son­dern eigene Ideen ent­wi­ckeln und umset­zen kann. Dass man die Gele­gen­heit bekommt, mit tol­len Künst­lern zu arbei­ten. Dass man manch­mal mit ihnen mit­rei­sen kann, sei es mit einem Autor nach Island oder mit einem Musi­ker nach Bie­le­feld. Und dass man mit Men­schen, die man mag, Dinge her­stel­len kann, die man toll fin­det. Nicht so toll ist natür­lich, dass die Buch­hal­tung immer auf­wän­dig wird. Man sitzt ein­fach zu lange Zeit vor irgend­wel­chen Tabellen.

BK: Wie ist es damals über­haupt dazu gekom­men, dass Sie einen Ver­lag gegrün­det haben?

DB: mai­risch war ja gar nicht als Ver­lag oder als Unter­neh­men oder Beruf geplant. Es hat alles zum Ende unse­rer Schul­zeit Mitte der 90er Jahre mit Lesun­gen in Süd­hes­sen begon­nen, wo wir drei – Blanka Stolz, Peter Rei­chen­bach und ich – her­kom­men. Da haben wir kleine Lesun­gen in einem Kul­tur­zen­trum orga­ni­siert, mit Autor*innen aus unse­rem Freun­des- und Bekann­ten­kreis. Es war sehr gut besucht, alle fan­den es toll, und wir haben es dann monat­lich gemacht.
Nach der drit­ten Ver­an­stal­tung kam die Frage, ob man die Texte auch kau­fen könne. Konnte man natür­lich nicht. Also haben wir kleine Hefte mit den Tex­ten vom letz­ten Mal selbst auf dem Com­pu­ter gelay­ou­tet, sie zusam­men­ge­tackert und Fotos rein­ge­klebt – echte! – und einen auf­wän­di­gen Umschlag gemacht und diese Hefte haben wir dann in einer Auf­lage von 100 oder 150 Stück bei der nächs­ten Ver­an­stal­tung ver­kauft, für zwei Mark. In der Zeit sind wir dann auch zum Gewer­be­amt gelau­fen und haben in einer Mischung aus Grö­ßen­wahn und völ­li­gem Unwis­sen den Ver­lag angemeldet.
Wir haben dann wäh­rend unse­rer gan­zen Stu­di­en­zeit in ver­schie­de­nen Städ­ten Lite­ra­tur­ver­an­stal­tun­gen gemacht, haben Lite­ra­tur­zeit­schrif­ten her­aus­ge­ge­ben, ein biss­chen Radio gemacht und aber immer eben auch kleine Ver­öf­fent­li­chun­gen her­aus­ge­bracht. 2004 hat­ten wir dann einige Manu­skripte vor­lie­gen (u.a. den ers­ten Erzähl­band von Finn-Ole Hein­rich), bei denen wir dach­ten: Jetzt pro­bie­ren wir mal, wie man rich­tige Bücher macht und die dann auch ganz offi­zi­ell im Han­del ver­kauft. Kei­ner von uns hat eine Aus­bil­dung im Ver­lags­we­sen oder so. Wir sind ein­fach dem Prin­zip Do It Yourself gefolgt.

BK: Als unab­hän­gi­ger Ver­lag hat man es bestimmt nicht immer leicht. Was fas­zi­niert Sie so an der Arbeit, dass Sie trotz­dem dabei bleiben?

DB: Die Gründe, warum wir das machen und gut fin­den, hab ich oben ja schon beschrie­ben. Und ich glaube, die Mög­lich­keit, krea­tiv zu gestal­ten und zugleich als Orga­ni­sa­tor und Ermög­li­cher zu wir­ken, gefällt mir. Außer­dem kön­nen wir frei ent­schei­den, zumin­dest meis­tens: Über unsere Zeit, unser Geld, unsere Auf­ga­ben und mit wem wir arbei­ten möch­ten und mit wem nicht.

BK: Das Team vom mai­risch Ver­lag hat den Indie­book­day ins Leben geru­fen, was genau ist das eigentlich?

DB: Der Indie­book­day, der 2013 erst­mals statt­fand, ist ein Akti­ons­tag im Buch­han­del. An die­sem Tag soll sich jeder Teil­neh­mer ein Buch kau­fen, das in einem unab­hän­gi­gen Ver­lag erschie­nen ist, und das natür­lich am bes­ten in einer unab­hän­gi­gen, inha­ber­ge­führ­ten Buch­hand­lung. Die­ses Buch soll er dann foto­gra­fie­ren und im Netz ein­stel­len, mit dem Hash­tag #indie­book­day. Das war‘s im Grunde schon. Wenn das an einem Tag sehr viele Men­schen machen, ist es aber eben eine gute Aktion. Es gibt so viele tolle kleine Ver­lage, die mit viel Herz­blut und Lei­den­schaft schöne Bücher machen. Nur krie­gen die wenigs­ten die­ser Bücher eine grö­ßere Auf­merk­sam­keit. Der Indie­book­day soll da also ein biss­chen Wer­bung machen.
Im ers­ten Jahr, 2013, hatte der Indie­book­day glaube ich gerade ein aktu­el­les Thema getrof­fen: Kam­pa­gnen wie „buy local“ waren prä­sent, über­all ging es um „regio­nale Pro­dukte“, „Nach­hal­tig­keit“ und ein Hin­ter­fra­gen der Struk­tur. Nur im Buch­han­del inter­es­sierte sich eigent­lich kaum einer der Käu­fer für die Hin­ter­gründe. Dann kam diese ZDF-Repor­tage über die Arbeits­ver­hält­nisse bei Ama­zon und auf ein­mal waren die unab­hän­gi­gen Ver­lage und Buch­hand­lun­gen wie­der etwas mehr im Fokus. Das hat im ers­ten Jahr für einige Titel, Ver­lage und Läden viel an Ver­käu­fen gebracht. Auch in den Fol­ge­jah­ren gab es immer wie­der Bücher, die vom Indie­book­day pro­fi­tie­ren, und auch im Aus­land pas­siert inzwi­schen eini­ges, es gibt Ver­an­stal­tun­gen in den Nie­der­lan­den, Ver­lage in Ita­lien und Por­tu­gal betei­li­gen sich, Buch­hand­lun­gen in Polen und sogar in Bra­si­lien, die Presse in Groß­bri­tan­nien hat berich­tet. Aber ins­ge­samt ist noch Luft nach oben – es könn­ten noch viel mehr Käu­fer, Buch­händ­ler und Ver­lage teil­neh­men, in Deutsch­land und natür­lich auch international.

BK: Wie wäh­len Sie unter den schier unend­li­chen lite­ra­ri­schen Pro­jek­ten die­je­ni­gen aus, die in Ihr Pro­gramm passen?

DB: Zum einen ist das natür­lich Bauch­ge­fühl. Ent­we­der ein Text kriegt uns, reißt uns mit, erzählt uns etwas, was wir so noch nicht gele­sen haben, oder eben nicht. Ande­rer­seits würde ich sagen, dass es gerade in der jun­gen Gegen­warts­li­te­ra­tur gar nicht so viele Autor*innen gibt, die uns gefal­len und in unser Pro­gramm pas­sen. Da geht es also eher darum, sie zu über­zeu­gen, ihr Buch bei mai­risch zu machen.

BK: Wie hat sich die Buch­bran­che seit der Grün­dung des mai­risch Ver­lags ver­än­dert, das ist ja schon eine Weile her?

DB: Haha, naja: Das Inter­net natür­lich. In all sei­nen Facet­ten. Das hat quasi fast alle Berei­che der Ver­lags­ar­beit ver­än­dert. Das E‑Book dage­gen hat nicht ganz so viel bewegt, wie viele erwar­tet haben. Was uns und die Ent­de­ckung neuer Autoren angeht: Wir haben uns seit­dem deut­lich pro­fes­sio­na­li­siert, die Autor*innen aber auch. Wäh­rend man frü­her noch auf Lesun­gen zufäl­lig auf Autoren und Autorin­nen gesto­ßen ist und sich dar­aus dann Buch­ver­öf­fent­li­chun­gen ent­wi­ckelt haben, pas­siert das heute nur noch sel­ten, heute läuft viel mehr über Agen­tu­ren und andere pro­fes­sio­nelle Kanäle.
Ansons­ten ist natür­lich die Kom­mu­ni­ka­tion, intern wie nach außen, viel ein­fa­cher gewor­den. Und die Pro­dukte selbst, also die Bücher, sind bei uns im Laufe der Zeit vor allem schö­ner gewor­den, was sicher auch mit der wach­sen­den Kon­kur­renz durch die digi­ta­len Ange­bote zusam­men­hängt. Denn wenn schon gedruckte Bücher, dann aus­ge­wählte und schöne. Und durch die E‑Books hat sich uns ein wei­te­rer Kanal eröff­net, wenn auch kein welt­be­we­gen­der. Aber ins­ge­samt muss man auch ein­fach beob­ach­ten, dass es viel zu viele Bücher gibt. Da ist es, gerade als Ver­lag, nötig, wirk­lich nur aus­ge­wählte, sinn­volle Titel auf den Markt zu brin­gen, finde ich.

BK: Wie lesen Sie in ihrer Frei­zeit? Hat die Ver­lags­ar­beit da einen Ein­fluss auf die Buch­aus­wahl oder das Lesen selbst?

DB: Ja, Manu­skripte lese ich ja auch, wenn ich da auch nicht haupt­säch­lich ver­ant­wort­lich bin. Und durch das Ver­an­stal­ten von Lesun­gen und Fes­ti­vals (wie z.B. HAM.LIT in Ham­burg) lese ich natür­lich viele Bücher, die dafür in Frage kom­men, also zumeist junge Gegen­warts­li­te­ra­tur. Pri­vat lese ich dann gar nicht mehr so viel (Danke, Net­flix), aber wenn, dann meist Autoren aus dem eng­li­schen Sprach­raum. Und Sach­bü­cher, vor allem zu Natur­the­men: Welt­raum, Evo­lu­tion, Kon­ti­nen­tal­drift, so was.

BK: Nun noch zu unse­ren bücher­städ­ti­schen Fra­gen: Wenn Sie selbst ein Buch wären, wel­ches wären Sie dann?

DB: Ui, lus­tige Frage! Hm, viel­leicht die „Stil­übun­gen“ von Ray­mond Que­neau? Nach dem Motto: Wenn sich schon alles wie­der­holt, dann wenigs­tens immer anders herangehen.

BK: Und schließ­lich: Wel­che Frage haben Sie sich schon immer für ein Inter­view gewünscht und was wür­den Sie antworten?

DB: Was glau­ben Sie, wer diese Sai­son Meis­ter wird? Ant­wort natür­lich: Wer­der Bre­men. Haha.

BK: Vie­len Dank für das Interview!

Foto: Andreas Hornoff

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1 comment

Oh, Amerika – Bücherstadt Kurier 14. November 2019 - 13:32

[…] dem mai­risch-Ver­le­ger und Indie­book-Initia­tor Daniel Bes­kos und der Autorin Karen Köh­ler (zuletzt „Miro­loi“, 2019) sind für die Über­set­zung der […]

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