„Das Gute ist in der Überhand.“ Première von Fitzeks neuem Buch „Der Insasse“

by Poesiearchitektin Lena

Das 12. Ham­bur­ger Kri­mi­fes­ti­val begann vorab mit Deutsch­lands erfolg­reichs­tem Psy­cho­thril­ler­au­tor: Sebas­tian Fit­zek. Nach nur vier Tagen waren 1600 Kar­ten weg und somit die Ver­an­stal­tung aus­ver­kauft. Poe­sie­ar­chi­tek­tin Lena hat die ers­ten offi­zi­el­len Ein­drü­cke und Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zu dem 18. Buch des sym­pa­thi­schen Man­nes mit den grau­sa­men Ideen zusammengefasst.

Die Lesung

Fit­zek kam auf die Bühne und ern­tete einen rie­si­gen Applaus. Ein eher unschein­ba­rer Mann mitt­le­ren Alters, der even­tu­ell nicht mit sei­nem Äuße­ren Auf­merk­sam­keit erregte, aber auf jeden Fall durch seine düs­te­ren Gedan­ken, Ein­fälle und die dar­aus ent­ste­hen­den Geschich­ten. Seine Bücher wur­den in 24 Spra­chen über­setzt und trotz­dem kam er nicht wie ein abge­ho­be­ner Mensch her­über, son­dern wie ein Typ, mit dem man gerne mal ein Abteil im Zug tei­len und die ganze Fahrt über reden würde.

Sein Unter­hal­tungs­pro­gramm bestand aus Face­book­posts, einem Video mit sei­nem Freund Michael Tsokos (Rechts­me­di­zi­ner und Mit­au­tor von „Abge­schnit­ten“) und dem Trai­ler zur Ver­fil­mung des eben genann­ten Buches. Auch hat er wie­der eini­ges aus sei­nem Pri­vat­le­ben erzählt. Seine Frau sam­melt bei­spiels­weise Dis­ney­fi­gu­ren, die sie in einem Kel­ler­raum aus­ge­stellt hat. Seine Kin­der imi­tie­ren bei „Wer bin ich“ den Augensamm­ler und Fit­zek selbst benutzt „Gute Nacht Febreze Laven­del­duft“ als Mons­terex gegen die Unge­heuer im Schrank.

Eben­falls ein inter­es­san­ter Aspekt sei­ner Lesung war ein lite­ra­tur-psy­cho­lo­gi­sches Expe­ri­ment, bei dem Test­le­ser beob­ach­tet wur­den, wäh­rend sie das neu­este Buch lasen. Aller­dings nicht zu Hause auf dem Sofa mit Kakao und einer Kuschel­de­cke, son­dern in einem ehe­ma­li­gen Gefäng­nis in Ber­lin, wel­ches zu einem Hotel umge­baut wurde.

Acht Frei­wil­lige wur­den iso­liert und wie echte Insas­sen wurde ihnen alles abge­nom­men. Unter medi­zi­ni­scher Auf­sicht und mit Kame­ras. 20.000 haben sich bewor­ben und woll­ten diese Erfah­rung machen – oder das Buch viel­leicht auch nur vor allen ande­ren lesen. Doch was hat es mit einer Kli­nik, Insas­sen und Iso­la­tion auf sich?

Ein Buch – viele Fragen

Tim Berg­hoff ist Fami­li­en­va­ter, Feu­er­wehr­mann und hat ein wei­ches Herz. Beson­ders wenn es um sei­nen Sohn geht. Als die­ser ent­führt wird, stellt er sich die zen­trale Frage: Sterbe ich lie­ber inner­lich und finde mich damit ab, dass mein Sohn wohl tot ist, oder quäle ich mich mein Leben lang und habe noch einen Fun­ken Hoff­nung, dass er doch noch lebt?

Er ent­schei­det sich für die Hoff­nung. Jedoch kann er nicht taten­los her­um­sit­zen und abwar­ten. Die Poli­zei hat den Ver­däch­ti­gen fest­ge­nom­men, wes­halb die Unter­su­chung des Fal­les ein­ge­stellt wurde. Tim ist sich sicher, dass Guido Tram­nitz sein Tage­buch mit ins Gefäng­nis genom­men hat, in dem Hin­weise zu sei­nem Sohn notiert sind. Doch wie soll er da heran kom­men? Er nimmt die Iden­ti­tät eines Man­nes namens Patrick Win­ter an, der sich selbst ange­zün­det hat, weil er ster­ben wollte.

Fazit zur Lesung

Fit­zek behan­delte sein Publi­kum nicht wie Fremde, son­dern wie seine Freunde oder min­des­tens Bekannte. Er teilte Pri­va­tes, seien es Fotos oder Erzäh­lun­gen aus sei­nem All­tag. Seine Lesun­gen haben nichts Gru­se­li­ges oder Grau­sa­mes an sich, es wurde viel gelacht und die Stim­mung war sehr gut. Es gab im Ver­gleich zum letz­ten Jahr keine Fra­ge­runde, da sich Fit­zek wohl mehr Zeit für seine Leser bei der Signier­stunde neh­men wollte. Er blieb so lange, bis der Letzte in der Schlange ein signier­tes Exem­plar hatte. Als Beglei­tung war die Band „Bato­mae“ gebucht, um die War­te­zeit zu ver­kür­zen. Es war eine gelun­gene Pre­mière, wel­che Lust auf sein neues Buch gemacht hat, und ein sehr guter vor­ge­zo­ge­ner Start für das Krimifestival.

Fazit zum Buch

Psy­cho­thril­ler und psych­ia­tri­sche Kli­ni­ken pas­sen nicht nur akus­tisch zusam­men, son­dern auch the­ma­tisch. Meine Erwar­tun­gen waren hoch. Nicht nur auf­grund der Lesung, son­dern auch, weil seit Juli ordent­lich Wer­bung für das Buch gemacht wurde. Sei es durch das lyrisch-psy­cho­lo­gi­sche Expe­ri­ment oder den Hin­weis auf das Erschei­nungs­da­tum bereits im April.

Es ist mei­ner Mei­nung nach defi­ni­tiv nicht Fit­zeks bes­tes Buch. Ich war zwi­schen­zeit­lich ver­wirrt, sodass ich man­che Stel­len zwei Mal lesen musste. Es sind gleich­zei­tig so viele Dinge pas­siert, dass ich den Über­blick ver­lo­ren habe. Viel­leicht war dies auch beab­sich­tigt, damit man sich auch fühlt, als wäre etwas mit dem eige­nen Ver­stand nicht in Ord­nung. Jedoch war vie­les etwas zu extrem. Sei es eine Axt im Kopf oder das eis­kalte Über­fah­ren einer Schwan­ge­ren. Die „Bösen“ sind nur auf­grund ihrer schlim­men Kind­heit zu Mons­tern gewor­den und Alko­hol ist sowieso ganz schlecht.

Auch die Kli­nik an sich war viel zu schön und harm­los. Aus dem Thema hätte man viel mehr her­aus­ho­len kön­nen. Wenn man erfährt, dass das Buch zum größ­ten Teil in einer psych­ia­tri­schen Anstalt spielt, erwar­tet man auch meh­rere Erkrankte. Nicht nur einen, der etwas genauer beschrie­ben wird und ein paar, die in einer Selbst­hil­fe­gruppe auf­tau­chen. Es hät­ten mehr Cha­rak­tere eine Rolle spie­len kön­nen, wel­che, die hel­fen oder auch zu mehr Pro­ble­men füh­ren. Das Ende war dann doch ziem­lich über­ra­schend, doch lei­der nicht zu 100% genieß­bar, da noch etli­che Fra­gen und feh­len­des Ver­ständ­nis der gan­zen Geschichte im Kopf umherschwirrten.

Der Insasse. Sebas­tian Fit­zek. Droemer Knaur. 2018.

Fotos: Poe­sie­ar­chi­tek­tin Lena

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