Der Fall Fabian – Ein Meerschweinchen-Mord? (Teil I)

by Wortklauberin Erika

(Das kommt dabei her­aus, wenn ich zu viel CSI sehe.)

Es gab nichts Erfri­schen­de­res am Mor­gen als gleich mon­tags zur Arbeit zu kom­men und einen Tat­ort vor­zu­fin­den. Beson­ders, wenn man spät dran war – und Detec­tive Mar­ley war spät dran an die­sem Mor­gen. Ihre Mit­fahr­ge­le­gen­heit hatte ver­schla­fen und war nach­her gleich noch­mal über ihrem Kaf­fee ein­ge­schla­fen. Mar­ley hatte sich schon Sor­gen gemacht, ob sie nicht an ihrer Arbeits­stelle würde anru­fen müs­sen, um einen freien Tag anzu­mel­den. Ihr Herz machte noch immer einen auf­ge­reg­ten Sprung, wenn sie daran dachte, dass sie den Anruf hätte täti­gen müs­sen. Doch am Ende war sie doch noch unver­sehrt ange­kom­men, und wurde gleich von Finn, ihrer rech­ten Hand, auf­ge­regt begrüßt. „Detec­tive Mar­ley!“ Finn keuchte als hätte er einen Mara­thon­lauf hin­ter sich und wippte auf­ge­regt auf den Fuß­bal­len vor Mar­ley auf und ab. „End­lich bist du da!“

Finn war einer der jün­ge­ren Mit­glie­der des Depart­ment, und er hatte wohl einen auf­re­gen­den Sonn­tag hin­ter sich, sah man sich sei­nen blon­den, ver­wu­schel­ten Schopf an, durch den kaum ein­mal ein Kamm drin­gen konnte. Er sprang förm­lich vor Auf­re­gung auf der Stelle, wäh­rend er ver­kün­dete: „Wir haben einen Tat­ort!“ Und damit hatte er auch schon eine halbe Dre­hung absol­viert und flitzte zurück in den Haupt­raum. Er war stets vol­ler Ener­gie, beson­ders wenn es um einen Tat­ort ging – nor­ma­ler­weise stand das gesamte Depart­ment unter Strom, doch beson­ders Finns Ener­gie und Lei­den­schaft für den Beruf war immer wie­der faszinierend.
Manch­mal sorgte sich Mar­ley auch darum. Manch­mal fragte sie sich, wie Finn wohl bei einem rich­ti­gen Fall reagie­ren würde. Finn war … manch­mal ein wenig emp­find­lich. Mar­ley wech­selte Schuhe und streifte sich den Kit­tel über, der zur Arbeits­klei­dung gehörte, und horchte. Hat­ten sie einen neuen Fall, war der Haupt­raum nor­ma­ler­weise erfüllt von geschäf­ti­gem Sum­men und Brum­men, von dem immer­wäh­ren­den Chit-Chat der Abtei­lung, die die wil­des­ten Theo­rien wälzte, gehör­ten sie nicht zum inners­ten Kreis der Ermittlungen.

Heute jedoch war es unge­wöhn­lich still. Mar­ley run­zelte die Stirn, folgte ihrer inof­fi­zi­el­len rech­ten Hand dann end­lich in den Haupt­raum. Sie hatte vie­les erwar­tet – nach drau­ßen gelei­tet zu wer­den, irgend­wo­hin in eine Wiese etwa, oder zum Spiel­platz, wo sich die Opfer schein­bar öfters zum Kaf­fee­kränz­chen tra­fen. Ihre Tat­orte spiel­ten sich meist im Gar­ten, in freier Natur, ab. Kaum hatte Finn sie ent­deckt, kam er aber­mals auf sie zu und packte sie am Hand­ge­lenk, einen selt­sam erns­ten Aus­druck auf sei­nem Gesicht. Mar­ley stoppte instink­tiv, wo ihr Schritt sie gerade noch in Rich­tung der Küche gelei­tet hatte, und ver­wirrt run­zelte sie die Stirn. „Du soll­test bes­ser nicht hin­ein­ge­hen“, erklärte Finn ernst und stellte sich ihr in den Weg. Mar­ley war bekannt dafür, dass sie nur ungern ande­ren folgte. Doch unter Finns fes­tem Blick wurde ihr mul­mig zumute, auch wenn sie es nicht zulas­sen wollte – wer wollte dies auch?
Sie run­zelte kon­zen­triert die Stirn, mus­terte Finn ver­wirrt. „Aber das Team-?“, erwi­derte sie lang­sam und wollte sich los­ma­chen, doch Finns Griff war eisern. Er kannte sie bereits zu gut, stellte Mar­ley fest. Er blickte sie wei­ter­hin fest an. „Wir haben einen Tat­ort“, erklärte er erneut. Mar­ley ver­zog ihren Mund. „Das hab‘ ich mit­be­kom­men“, erwi­derte sie ange­spannt, wusste nicht, wie sie mit der Situa­tion umge­hen sollte. Ihr kam kurz in den Sinn, ob er kurz­zei­tig sein Gedächt­nis ver­lo­ren hatte oder ob sie gerade bloß etwas nicht begriff, was wohl offen­sicht­lich sein musste. Finn nickte noch­mals zur Bekräf­ti­gung und führte sie am Hand­ge­lenk zum Ein­gang der Küche.
„Er ist hier.“

Der kleine Raum, in dem das fünf­köp­fige Team gerade so Platz fand, war im Chaos unter­ge­gan­gen. Die Schränke, wel­che nor­ma­ler­weise mit über­mä­ßig viel Geschirr gefüllt waren, jedoch nie­mals mit Essen, weil nie­mand sich um Ein­käufe küm­merte, stan­den weit offen. Das Plas­tik­ge­schirr lag auf Anrichte und dem Boden ver­teilt, bedeck­ten auch die Plat­ten des Spiel­her­des. Detec­tive Mar­ley schwankte einen Moment lang zwi­schen purem Ent­set­zen und Ärger, ehe sie sich für letz­te­res ent­schied und ener­gisch die Hände in die Hüf­ten stemmte. „Warum ist hier nicht abge­sperrt?“, wandte sie sich in schar­fem Ton­fall an Finn, wel­cher neben ihr stand und das Klemm­brett, wel­ches er bei jeder Ermitt­lung mit sich her­um­trug, voll­schrieb. Woher auch immer er es gerade gezo­gen hatte – vor­hin hatte es noch auf dem klei­nen Tisch im Auf­ent­halts­raum gelegen.
Junge, Finn war schnell. Nun jedoch erstarrte er mit­ten in der Bewe­gung und betrach­tete den Tat­ort, als würde er ihn zum ers­ten Mal rich­tig begut­ach­ten, als löse sich der Nebel der Befan­gen­heit um ihn herum. „Oh“, er machte ein Geräusch, sein Mund formte dabei ein per­fek­tes O. Mar­ley wollte sich die Hand gegen die Stirn klat­schen, doch beließ es dabei. Es hieß viel mehr, mög­lichst schnell die Ermitt­lung zu beginnen.

Jes­sica kam her­bei­ge­eilt, das rote Seil in den Hän­den, wel­ches sie für die Absper­run­gen benutz­ten. „‚Tschul­dige, Mar­ley!“, meinte sie has­tig und lächelte ver­le­gen, „Ich hab’s in all der Auf­re­gung total ver­ges­sen!“ Mar­ley blin­zelte und konnte nicht anders, als Jes­si­cas brei­tes, son­ni­ges Lächeln zu erwi­dern. „Schon okay“, erwi­derte sie und beob­ach­tete, wie die Blon­dine in dem rosa­ro­ten Kleid und den wei­ßen Strumpf­ho­sen den Ein­gang zum Küchen­be­reich absperrte.

Finn tippte ihr auf die Schul­ter, um ihre Auf­merk­sam­keit auf sich zu zie­hen. „Du, Mar­ley“, er blickte sie mit tief­trau­ri­gen Augen an, und Mar­ley wusste, etwas konnte nicht stim­men – das unge­wöhn­li­che Schwei­gen im gesam­ten Raum hätte ihr eigent­lich Hin­weis genug sein sol­len. „Was ist?“, erkun­digte sie sich mit äußerst, äußerst mul­mi­gem Gefühl bei ihrer rech­ten Hand, wel­cher sein Klemm­brett umklam­merte als wäre es eine die­ser Schaum­stoff­stan­gen im Schwimm­bad. Er konnte noch nicht schwim­men. „Wir haben auch ein Opfer“, infor­mierte er und nickte in Rich­tung Küche.
„Wen?“, erkun­digte sich Mar­ley besorgt, und Jes­sica zog mit wäss­ri­gen Augen die Nase hoch. Sie hatte die Unter­lippe vor­ge­scho­ben und gleich würde Anna, ihrer aller Vor­ge­setzte kom­men müs­sen, um sie zu trös­ten. „Fabian“, kam es aus Finns Mund, und Mar­ley blin­zelte angestrengt.
Das Meer­schwein­chen der Gruppe war tot? Das konnte nicht sein!

(Und hier kommt das Rät­sel: Dies ist kein rich­ti­ger Tat­ort. Aber wo befin­den wir uns dann? Erfahrt des Rät­sels Lösung am 8.09.17 im bücher­städ­ti­schen Krea­tiv­la­bor!)

Wort­klau­be­rin Erika
Illus­tra­tion: Buch­stap­le­rin Maike

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