Der Fall von Gondolin

by Bücherstadt Kurier

„Der Fall von Gon­do­lin“ von J. R. R. Tol­kien beinhal­tet ver­schie­dene Texte zu einem Ereig­nis, das im „Sil­ma­ril­lion“ beschrie­ben ist, wobei die ver­schie­de­nen Texte über die­ses Ereig­nis teil­weise etwas unter­schied­lich berich­ten. – Von Bücher­städ­ter Alexander

Beim Buch „Der Fall von Gon­do­lin“ han­delt es sich nicht um einen in sich geschlos­se­nen Roman wie „Der Herr der Ringe“ oder „Der Hob­bit“, son­dern um eine Samm­lung von Schrif­ten, die J.R.R. Tol­kien hin­ter­las­sen hat und die nach sei­nem Tod von sei­nem Sohn Chris­to­pher Tol­kien her­aus­ge­ge­ben wur­den. Dar­über wird im Vor­wort aus­führ­lich berichtet.

Den Fall von Gon­do­lin, eine Epi­sode aus dem Ers­ten Zeit­al­ter von Mit­tel­erde, lange vor den Gescheh­nis­sen des „Hob­bit“ und des „Herrn der Ringe“, war mir aus dem „Sil­ma­ril­lion“ schon bekannt. Den­noch war ich neu­gie­rig, was mich in die­ser Edi­tion erwartete.

Mein Lese­er­leb­nis

Trotz des Vor­worts und trotz mei­ner Kennt­nisse bezüg­lich die­ser Geschichte, zumin­dest so, wie sie im „Sil­ma­ril­lion“ erzählt wird (das ich aller­dings schon vor etli­chen Jah­ren gele­sen hatte), war ich den­noch etwas über­rascht, als die Geschichte, die den Fall von Gon­do­lin erzählte, bereits nach einem guten Drit­tel des Buches zu Ende war (ich hätte doch bes­ser das Inhalts­ver­zeich­nis genauer gelesen).

Tat­säch­lich han­delt es sich dabei um „Die ursprüng­li­che Geschichte“, der wei­tere, aller­dings wesent­lich kür­zere, Erzäh­lun­gen fol­gen, die sich alle um die Vor­ge­schichte, den Fall von Gon­do­lin und des­sen Kon­se­quen­zen dre­hen. Inter­es­sant dabei war für mich vor allem, dass die Geschich­ten nicht alle gleich waren. Es wurde nicht nur die­selbe Geschichte jeweils in ande­ren Wor­ten erzählt, son­dern es gab auch inhalt­li­che Unter­schiede. Bis­her dachte ich immer, dass es sich bei den Erzäh­lun­gen von Tol­kien um einen voll­stän­di­gen Ent­wurf einer zwar fik­ti­ven, aber den­noch in sich geschlos­se­nen und kon­sis­ten­ten Welt han­delte, ange­fan­gen bei der Schöp­fung durch Gott­va­ter Ilú­vatar und den Ainur bis zum Abschied von Frodo am Ende von „Der Herr der Ringe“.

Nun musste ich erken­nen, dass es für man­che Epi­so­den zwar keine fun­da­men­tal unter­schied­li­che, aber doch den Cha­rak­ter der han­deln­den Figu­ren durch­aus in ver­schie­de­nem Licht erschei­nen las­sende Vari­an­ten in den nach­ge­las­se­nen Schrif­ten von Tol­kien gibt. Das war für mich span­nend, aber auch etwas ent­täu­schend, da das Gefühl der geschlos­se­nen Welt Mit­tel­erde, in die man immer wei­ter hinein­for­schen kann, wenn man nur die rich­ti­gen Texte fin­det, beein­träch­tigt wurde. Ande­rer­seits fühlte man sich dadurch im wahrs­ten Sinne des Wor­tes auch wie­der etwas geer­det und der Tat­sa­che bewusst, dass es sich nun mal bei Mit­tel­erde um eine Fan­ta­sie­welt han­delt, die kei­nen Bezug zu unse­rer Welt hat.

Bezie­hun­gen zu ande­ren Büchern von und über Tolkien

Ähn­li­ches war mir aller­dings auch schon auf­ge­fal­len, als ich mich mit Hilfe ande­rer Bücher mit Kar­ten über Tol­ki­ens „Mit­tel­erde“ befasst hatte. Tat­säch­lich gibt es kein geschlos­se­nes Kar­ten­werk, kei­nen Atlas, in dem die ganze Mit­tel­erde umfas­send und kon­sis­tent dar­ge­stellt wird, ins­be­son­dere was die für die Men­schen (und auch die meis­ten Elben) uner­reich­bare Welt des gött­li­chen Wes­tens betrifft (jeden­falls ist mir noch kei­nes unter­ge­kom­men). Und man muss sich immer wie­der bewusst machen, dass sich Tol­kien letzt­lich auch nicht die ganze Zeit chro­no­lo­gisch mit sei­ner Welt befasst hatte, son­dern dass seine Geschich­ten mal hier, mal dort ent­stan­den, mal in Skiz­zen, mal näher aus­ge­führt. Schließ­lich sind seine bekann­tes­ten Bücher „Der Hob­bit“ und „Der Herr der Ringe“ nicht ein­fach aus der inne­ren Logik der bis­her errich­te­ten Welt ent­stan­den, son­dern auch aus einer Laune her­aus bezie­hungs­weise dem Ver­such, sei­nen Kin­dern schöne Geschich­ten erzäh­len zu können.

Was mir trotz der sich wie­der­ho­len­den Geschich­ten den Spaß an der Lek­türe erhielt, war schließ­lich ein­fach die gran­diose Spra­che Tol­ki­ens (natür­lich auch ein Ver­dienst des Über­set­zers), die einen auch bei der drit­ten Vari­ante immer wie­der in den Bann der Gescheh­nisse zieht.

Als Fazit würde ich sagen, dass es für mich, wie oben dar­ge­stellt, ein inter­es­san­tes und span­nen­des Lese­ver­gnü­gen war, aber in sei­ner Epi­so­den­haf­tig­keit und Wie­der­ho­lung letzt­lich doch ein Buch für Fans ist und nicht geeig­net für einen Ein­stieg in die Tol­kien-Welt. Wer sich mit dem Fall von Gon­do­lin und sei­ner Rolle für die Gescheh­nisse in den ver­schie­de­nen Zeit­al­tern von Mit­tel­erde wirk­lich beschäf­ti­gen möchte, sollte bes­ser den „Sil­ma­ril­lion“ lesen.

Der Fall von Gon­do­lin. J. R. R. Tol­kien. Über­set­zung: Hel­mut W. Pesch. Klett-Cotta. 2018.

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