Der Kampf zwischen Gut und Böse kurzweilig erzählt

by Erzähldetektivin Annette

Die erste Staf­fel von „Seraph of the End“ erfin­det das Rad nicht neu. Der Kampf zwi­schen Vam­pi­ren und Men­schen um die Vor­herr­schaft auf die­ser Welt wird nicht zum ers­ten Mal prä­sen­tiert. Und den­noch hat der Anime des japa­ni­schen Ani­ma­ti­ons­stu­dios Wit Stu­dio einen hohen Unter­hal­tungs­wert, fin­det Erzähl­de­tek­ti­vin Annette.

Seraph of the End Staffel 1Basie­rend auf der gleich­na­mi­gen Manga-Reihe von Takaya Kagami (Idee), Dai­suke Furuya (Sto­ry­boards) und Yamato Yama­moto (Zeich­nun­gen) erzählt die Anime-Serie „Seraph of the End“ von Dämo­nen, Vam­pi­ren und Men­schen, die sich in einer post­apo­ka­lyp­ti­schen Welt gegen­über­ste­hen. Im Mit­tel­punkt der Anime-Adap­tion von Regis­seur Dai­suke Tokudo steht der junge Yūi­chirō Amane, ein Sol­dat in der Mond­dä­mo­nen-Armee, einer Eli­te­ein­heit des japa­ni­schen Mili­tärs. Hier kämpft er gegen Vam­pire und andere Mons­ter, vor­nehm­lich jedoch gegen seine eige­nen Dämonen.

Bereits die erste Epi­sode der Serie steigt ohne Umschweife in die dra­ma­ti­sche Hand­lung der Geschichte ein. Im Schnell­durch­lauf rot­tet ein mys­te­riö­ses Virus alle Men­schen über 13 Jah­ren aus und stellt die über­le­ben­den Kin­der und Jugend­li­chen unter die Auf­sicht von Vam­pi­ren. Den ver­meint­li­chen Schutz müs­sen sie sich mit abso­lu­tem Gehor­sam und regel­mä­ßi­gen „Blut­spen­den“ erkau­fen. Auch Yu und seine Freunde aus dem Hya­kuya-Wai­sen­haus sind unter den Über­le­ben­den. Gemein­sam mit sei­nem Freund Mikaela Shindō plant er die Flucht. Doch der Ver­such miss­lingt und Yu kann als ein­zi­ger aus der Gruppe mit dem Leben davon kom­men. Außer­halb der Vam­pir­stadt trifft er auf Guren Ichi­nose, den Anfüh­rer der Mond­dä­mo­nen-Ein­heit, und schwört im Namen sei­ner toten Freunde, sämt­li­che Vam­pire umzubringen.

Fortan ist diese Auf­gabe Yus ein­zi­ger Antrieb, wei­ter zu leben. Dabei gibt sich „Seraph of the End“ alle Mühe, die Hand­lun­gen sei­ner Prot­ago­nis­ten mit Sinn auf­zu­la­den. In Rück­blen­den wird immer wie­der Bezug auf die heile Welt des Wai­sen­hau­ses und die Fami­lie genom­men, die Yu an die Vam­pire ver­lo­ren hat. Für west­li­che Zuschauer, die an sen­ti­men­tale Hol­ly­wood-Strei­fen gewöhnt sind, mag die Erzähl­weise hin und wie­der etwas abge­hackt wir­ken. Zu wenig schei­nen Gegen­wart und Ver­gan­gen­heit in der Erzähl­struk­tur zusam­men zu pas­sen. Die Rück­blen­den sind teil­weise recht plump ein­ge­baut und auch die japa­ni­sche Syn­chro­ni­sa­tion wirkt stel­len­weise über­trie­ben. Das geübte Anime-Publi­kum kennt diese typi­sche Nar­ra­ti­ons­struk­tur jedoch und fin­det sich schnell zurecht. Den­noch wir­ken einige Zusam­men­hänge eher erzwun­gen und die Ent­wick­lung der Per­so­nen nicht immer bis ins Letzte durchdacht.

Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß

So hat auch Mika wider Erwar­ten den Hin­ter­halt des Vam­pirs Ferid Báthory über­lebt, wurde jedoch gegen sei­nen Wil­len selbst zum Blut­sauger. Wäh­rend er Yu davor bewah­ren möchte, von den Men­schen aus­ge­nutzt zu wer­den, möchte die­ser sei­nen Freund aus den Fän­gen der Vam­pire ret­ten. Diese starke Schwarz-Weiß-Male­rei ist gleich­zei­tig eine Schwä­che und eine Stärke der Serie. Auf der einen Seite wir­ken die Figu­ren über­zeich­net und wer­den sämt­lich auf einen oder wenige Haupt­cha­rak­ter­züge redu­ziert. Yu ist der ein­zel­gän­ge­ri­sche Held, des­sen tra­gi­sche Ver­gan­gen­heit ihn gelehrt hat, kei­ner­lei Bezie­hun­gen zu sei­nen Mit­men­schen auf­zu­bauen, um nicht einen erneu­ten Ver­lust erle­ben zu müs­sen. Sein inne­rer Dämon wird im Laufe sei­ner Armee-Aus­bil­dung zu einem wortwörtlichen.

Zur Ver­stär­kung im Kampf wer­den die Sol­da­ten mit Dämo­nen-Waf­fen aus­ge­stat­tet, was bedeu­tet, dass sie einen Ver­trag mit einem sol­chen Dämon ein­ge­hen müs­sen. Auf dem Spiel ste­hen für sie dabei nicht weni­ger als Kör­per und Seele. Mika wie­der­rum ist ein des­il­lu­sio­nier­ter Idea­list, der nach dem miss­glück­ten Flucht­ver­such und der Indok­tri­na­tion durch die Vam­pire sei­nen Platz in kei­ner der bei­den Wel­ten sieht. Um zu über­le­ben ist er auf die regel­mä­ßige Ein­nahme von Blut ange­wie­sen. Nach­dem er frü­her selbst als Blut­bank der Vam­pire diente, hat sich diese Rolle nun ins Gegen­teil verkehrt.

Auf der ande­ren Seite gelingt es „Seraph of the End“ in eben die­sem Span­nungs­feld die Begriffe Gut und Böse grund­sätz­lich in Frage zu stel­len. Ver­fol­gen die Men­schen – nament­lich die „Japa­ni­sche Kai­ser­li­che Dämo­nen­ar­mee“ – nur hehre Ziele? Oder haben die Vam­pire Recht, wenn sie behaup­ten, die Welt vor der Arro­ganz der Mensch­heit ret­ten zu müs­sen? Doch sind sie selbst mehr als bloße Skla­ven­hal­ter? Selbst­ver­ständ­lich sind beide Sei­ten gänz­lich von ihrer mora­li­schen Über­le­gen­heit über­zeugt und ent­spre­chend eif­rig im Kampf gegen den Geg­ner. Diese gegen­sätz­li­chen Posi­tio­nen gip­feln in der Bezie­hung zwi­schen Mika und Yu, die sich einer­seits auf feind­li­chen Sei­ten eines gro­ßen Krie­ges gegen­über­ste­hen, ande­rer­seits jedoch für­ein­an­der die jeweils wich­tigste Per­son auf Erden, wenn nicht gar ein­zi­ger Über­le­bens­an­trieb, sind. Die Deu­tungs­ho­heit liegt jedoch beim Publikum.

Yu und Mika

To be continued…

Die erste Staf­fel von „Seraph of the End“ dient als etwas län­gere Ein­füh­rung in die eigent­li­che Geschichte. Manga-Leser wis­sen, dass die Ver­bin­dung zwi­schen Mika und Yu noch wesent­lich grund­le­gen­der für das Gesche­hen auf der Erde ist, als es die ers­ten zwölf Epi­so­den erklä­ren. Eine Rolle wer­den die titel­ge­ben­den Seraph spie­len, die die Aus­lö­schung der Vam­pire zum Ziel haben. Ihr Name ist dabei nicht ohne Grund von einer beson­ders bedeut­sa­men bibli­schen Engel-Klasse abge­lei­tet. Doch die wei­tere Hand­lung soll hier natür­lich nicht vor­weg­ge­nom­men werden.

Bereits Staf­fel 1 zeigt dabei eine deut­li­che qua­li­ta­tive Ent­wick­lungs­kurve und macht Lust auf mehr. Im Ver­lauf der Epi­so­den ver­mischt sich die Ernst­haf­tig­keit der Grund­hand­lung mit zuneh­men­dem Humor, gleich­zei­tig wer­den die Kämpfe bru­ta­ler und blu­ti­ger. Auch die Prot­ago­nis­ten wer­den rei­fer, wenn sie sich cha­rak­ter­lich auch nur sehr lang­sam wei­ter ent­wi­ckeln. In jedem Fall ist „Seraph of the End“ nicht für kleine Kin­der geeig­net, was sich auch in der FSK-Kenn­zeich­nung ab 16 zeigt. Wem Bru­ta­li­tät und Bäche aus Blut nichts aus­ma­chen und wer sich auf die stark pola­ri­sie­rende Hand­lung ein­las­sen kann, wird mit kurz­wei­li­ger Unter­hal­tung belohnt.

Die zweite Staf­fel von „Seraph of the End“ fei­erte am 10.10.2015 in Japan Pre­mière. Ein euro­päi­sches Erschei­nungs­da­tum ist noch nicht bekannt.

Seraph of the End – Vam­pire Reign, Staf­fel 1. Regie: Dai­suke Tokudo. Autor der Vor­lage: Takaya Kagami. Wit Stu­dio, Japan, 2015. In Deutsch­land erschie­nen bei Uni­ver­sal Pic­tures, 2016.

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