Der kleine König Dezember

by Zeichensetzerin Alexa

Was wäre, wenn wir unsere Kind­heit am Ende des Lebens hätten?

Axel Hackes „Der kleine König Dezem­ber“ erschien erst­mals 1993 im Kunst­mann Ver­lag und ent­hält Illus­tra­tio­nen von Michael Sowa. Die Geschichte han­delt von einem König, der so klein ist wie ein Zei­ge­fin­ger und so fett, dass sich sein Man­tel vor dem Bauch nicht mehr schlie­ßen lässt. Am liebs­ten isst er Gum­mi­bär­chen und unter­hält sich mit dem Ich-Erzähler.

Oft fragt er die­sen, ob er nicht etwas aus sei­nem Land erzäh­len könnte. Ein­mal ant­wor­tet der Erzäh­ler: „Bei uns wird man klein gebo­ren, und dann wird man immer grö­ßer, manch­mal so groß wie ein Bas­ket­ball­spie­ler. Zum Schluß schrumpft man wie­der ein biß­chen ein. Dann kommt der Tod, und man ist weg.“ Das fin­det der kleine König unlo­gisch und fragt, warum es nicht genau anders­rum sei, in sei­nem Land sei es so: Man wird ganz groß gebo­ren und dann schrumpft man, bis man verschwindet.

Der Erzäh­ler kann sich so etwas natür­lich nicht vor­stel­len, denn wie könnte man groß gebo­ren wer­den? Wie sollte das mög­lich sein? In der Welt des klei­nen Königs ist so etwas mög­lich, denn die Men­schen dort wachen eines Tages ein­fach in einem Bett auf und gehen direkt zur Arbeit. Vom ers­ten Tag ihres Lebens an kön­nen sie alles: essen, gehen, lesen, schrei­ben, arbei­ten. Aber von Jahr zu Jahr wer­den sie klei­ner und ver­ges­sen immer mehr. Wenn sie nicht mehr zur Arbeit gehen kön­nen, dür­fen sie zu Hause blei­ben und Dinge tun, auf die sie Lust haben. „Je klei­ner einer ist, desto mehr ist er Bestim­mer, weil… weil er ja die grö­ßere Lebens­er­fah­rung hat.“ Und die gro­ßen müs­sen ihm alle Fra­gen beant­wor­ten. Der Erzäh­ler ist wahr­lich ver­wun­dert: eine Kind­heit am Ende des Lebens? Der kleine König ver­si­chert ihm, dass man auf diese Weise etwas hat, wor­auf man sich sein Leben lang freuen kann.

Was ist Traum, was Wirk­lich­keit? Der kleine König defi­niert es auf seine ganz eigene Weise: „Also, du schläfst mor­gens ein und träumst den gan­zen Tag, daß du ein Ins­bü­ro­ge­her bist und daß du arbei­test, arbei­test und arbei­test. Und abends, wenn du ins Bett gegan­gen bist, wachst du auf und bist die ganze Nacht, was du wirk­lich bist. Mal ein Pilot und mal ein Rude­rer und mal ein Was­wei­ßich. Ist es nicht bes­ser so herum?“

Was wäre, wenn? Die Gedan­ken, die in die­sem Buch geäu­ßert wer­den, sind sehr inter­es­sant geschrie­ben und brin­gen einen dazu, sich das eigene Leben auch mal ganz anders vor­zu­stel­len. Der kleine König wirkt mit sei­nen Aus­sa­gen so weise, dass man sich wünscht, die Geschichte würde noch lange so fort­fah­ren. Aber lei­der ist diese schon nach 59 Sei­ten zu Ende. Ein klei­ner Trost sind die wun­der­vol­len Illus­tra­tio­nen von Michael Sowa, die die Gedan­ken und Gefühle ver­deut­li­chen, aber trotz­dem noch genug Inter­pre­ta­ti­ons­frei­raum las­sen. „Der kleine König Dezem­ber“ ist ein wahr­lich ein­zig­ar­ti­ges Werk.

Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Der kleine König Dezem­ber. Axel Hacke. Illus­tra­tor: Michael Sowa. Kunst­mann Ver­lag. 1993.

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2 comments

puzzleblume 5. Februar 2014 - 20:37

Nicht ganz ein­zig­ar­tig, was die­ses spe­zi­elle Thema betrifft.
Viel­leicht hat der Fan­tasy-Roman „Alt gebo­ren“ (Ori­gi­nal­ti­tel „Other­born“), den Joan Gould 1980 bei Coward, McCann & Geo­ghe­gan ver­öf­fent­lichte, nicht zu Bekannt­heit gebracht, denn das Buch wurde in nur einer ein­zi­gen Auf­lage 1995 im Wil­helm Heyne Ver­lag in deut­scher Spra­che her­aus­ge­bracht, aber auch die­ses ist sowohl fas­zi­nie­rend als auch sehr berührend.

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Bücherstadt Kurier 5. Februar 2014 - 20:55

Ein ähn­li­ches Thema wird auch im Film „Der selt­same Fall des Ben­ja­min But­ton“ behan­delt. In die­sem wird das Kind auch alt gebo­ren und über die Jahre immer jün­ger. Wer sich für die­ses Thema inter­es­siert, dem sei die­ser Film ans Herz gelegt. Ich finde aber, die Art und Weise wie das Thema in „Der kleine König Dezem­ber“ ver­packt wurde, ein­fach einzigartig!

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