Der König der Schmerzen

by Zeichensetzerin Alexa

„Schmerz. Das ist nur ein kur­zes Wort. Schnell gespro­chen und auf­ge­schrie­ben, aber eigent­lich ist es viel schwie­ri­ger.“ Was ist Schmerz? Diese Frage ver­sucht Sven Völ­ker in sei­nem Bil­der­buch „Da ist heute ein klei­ner schwar­zer Fleck auf der Sonne“ zu beant­wor­ten. Und das auf eine sehr mutige Weise, fin­det Zei­chen­set­ze­rin Alexa.

Die Idee zum Bil­der­buch ent­stand auf einer Auto­fahrt: Wäh­rend Vater und Sohn eine ihrer vie­len Rei­sen zu Ärz­ten und Kran­ken­häu­sern antre­ten, hören sie im Radio den Song „King Of Pain“ von The Police. „Das bin ich, ich bin der König der Schmer­zen“, sagt der kleine Malo, der im Alter von drei Jah­ren schwer erkrankte. Dar­über schreibt Völ­ker in die­sem Bil­der­buch – und er geht noch einen Schritt wei­ter, indem er sei­nen Sohn bit­tet, Da ist ein kleiner schwarzer Fleck auf der Sonneden Schmerz zu beschrei­ben. Jede Beschrei­bung erhält in die­sem Buch eine Dop­pel­seite. Viel Raum für nur einen (Halb-)Satz, wel­cher als Fort­set­zung für den am Anfang vor­an­ge­gan­ge­nen Haupt­satz „Aber ich glaube mein Schmerz fühlt sich an, als wäre ich…“ dient. Malos Ant­wor­ten fal­len meta­pho­risch aus: „vom Wind ganz zer­fetzt wie die Fahne am Mast“, „im Spin­nen­netz gefan­gen wie der Schmet­ter­ling“.
Ver­gleicht man den Text mit dem Song­text von „King Of Pain“, fal­len Gemein­sam­kei­ten sowie Unter­schiede auf. Völ­ker hat den Song­text nicht ein­fach nur kopiert, son­dern das Wesent­li­che für das Bil­der­buch her­aus­ge­zo­gen und die Wie­der­ho­lun­gen gestri­chen. Der Text in sei­ner Ver­sion folgt einem ande­ren Rhyth­mus, vor allem auf­grund der oben beschrie­be­nen Ergänzungstechnik.

„Schmerz hat viele Far­ben und fühlt sich für jeden anders an“, heißt es im Bil­der­buch. Das erklärt die gra­phi­sche Umset­zung die­ses Wer­kes: Geo­me­tri­sche For­men und knal­lige, teil­weise kom­ple­men­täre Far­ben zei­gen auf mini­ma­lis­ti­sche Weise, worum es geht. Jede Dop­pel­seite beinhal­tet eine Leit­farbe, wel­che durch zwei bis drei wei­tere in ande­ren For­men ergänzt wird. Dies ver­stärkt den Ein­druck, wel­cher bereits beim Lesen ent­steht: Jeder Schmerz hat eine (Leit-)Farbe und eine Beschrei­bung – und dafür wird aus­rei­chend Raum geboten.
Aus­rei­chend Raum gibt es dank die­ser Umset­zung auch für eigene Gedan­ken. Wie fühlt sich wohl ein Schmerz an, der so beschrie­ben wird: „gefan­gen in einer Baum­krone wie der schwarze Hut dort“? Pas­send zur The­ma­tik wird mit ecki­gen Moti­ven gear­bei­tet. Denn etwas, das spitz ist, kann ste­chen und Schmer­zen verursachen.

Wäre die­ses Bil­der­buch etwas für Kin­der? Sicher­lich ist es – vor allem auf­grund der gra­phi­schen Umset­zung und im Ver­gleich zu ande­ren Bil­der­bü­chern – etwas gewöh­nungs­be­dürf­tig. Doch gerade Grund­schul­kin­der, die in der Schule begin­nen, sich mit geo­me­tri­schen For­men aus­ein­an­der­zu­set­zen, kön­nen Gefal­len daran fin­den. Nicht zuletzt bie­tet das Bil­der­buch einen ästhe­ti­schen Anspruch – und das nicht nur auf der bild­li­chen, son­dern auch auf der text­li­chen Ebene. Auf den ers­ten Blick mag die gra­phi­sche Umset­zung zwar schlicht wir­ken, doch beschäf­tigt man sich län­ger mit der Sym­bo­lik und den Aus­sa­gen des Wer­kes, wird ersicht­lich, warum das Bil­der­buch so gestal­tet wurde. Das macht es beson­ders lesens- und betrachtenswert.

Da ist ein klei­ner schwar­zer Fleck auf der Sonne. Text: Sting.
Illus­tra­tion: Sven Völ­ker. Nord­Süd Ver­lag. 2015.

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