Der Osten, der Westen und andere Sorgen

by Worteweberin Annika

Hecken­heim im Hecken­tal: Hier, im klei­nen Nest in Baden-Würt­tem­berg, ist die Welt noch in Ord­nung, fin­den die Hecken­hei­mer selbst. Dass aber auch hier nicht alles so gut­bür­ger­lich idyl­lisch ist wie es scheint, hat Worte­we­be­rin Annika in Rai­ner Dohs neuem Roman „1990 – Ganz andere Sor­gen“ erfahren.

1990. Aus Ost- und West­deutsch­land wird eins. Wäh­rungs­union, Rei­se­frei­heit und Fami­li­en­zu­sam­men­füh­run­gen ver­än­dern das Leben Tau­sen­der. Und das auch im Hecken­tal. Gott­fried Käfer, Lei­ter eines erfolg­rei­chen Rei­se­un­ter­neh­mens und stol­zer Vater, wit­tert seine Chance: Er will expan­die­ren, Bus­rei­sen für die Ost­deut­schen anbie­ten und Filia­len in Erfurt, Jena und Apolda eröff­nen. Seine Toch­ter Vero­nika hin­ge­gen kämpft zur glei­chen Zeit mit ganz ande­ren Pro­ble­men, denn auch wenn sie schon in der Schule einen genauen Lebens­plan erstellt hat, will sich jetzt, sie ist über 30, ein­fach kein (frucht­ba­rer) Mann fin­den, mit dem sie die­sen Plan umset­zen kann. Als auch Adop­tion und künst­li­che Befruch­tung keine Lösung mehr sind, muss sich Vero­nika etwas ande­res ein­fal­len las­sen, und das führt zu reich­lich Ver­wick­lun­gen. Und auch ansons­ten läuft für die Käfers nicht alles wie am Schnürchen...

Nicht umsonst ist der Unter­ti­tel „Roman einer Fami­lie“, denn der Leser beglei­tet Fami­lie Käfer durch all die Umbrü­che der 90er Jahre. Erzählt aller­dings wird aus der Sicht eines Bekann­ten, der man­chen kri­ti­schen bis säu­er­li­chen Blick für die Ent­wick­lun­gen übrig hat, aber letzt­end­lich doch irgend­wie in alles ver­wi­ckelt ist. Das macht die Lek­türe kurz­wei­lig und sorgt für den ein oder ande­ren Lacher.

Auch sonst ist „1990 – Ganz andere Sor­gen“ inter­es­sant zu lesen. Ins­be­son­dere auch, wer die DDR und die Wie­der­ver­ei­ni­gung nicht selbst mit­er­lebt hat, kann einen span­nen­den Ein­blick in die dama­li­gen Gescheh­nisse bekom­men und sich danach bes­ser vor­stel­len, was zu die­ser Zeit in den Köp­fen der Men­schen vor sich ging.

Sprach­lich über­zeugt Doh eben­falls mit einer sehr kla­ren, anspre­chen­den Schreibe. Lus­tig wird es, wenn die Figu­ren und teil­weise auch der Erzäh­ler in Mund­art ver­fal­len und „der“ durch „wo“ erset­zen – aber das bleibt voll­kom­men im Rah­men und wirkt sehr passend.

Warum „1990 – Ganz andere Sor­gen“ trotz­dem nicht rest­los über­zeugt? Es mag daran lie­gen, dass die Fami­lie Käfer zwar sehr dra­ma­ti­schen Ereig­nis­sen unter­liegt, aber diese teil­weise nicht span­nend genug erschei­nen, um über 250 Sei­ten hin­weg durch­ge­hend zu fes­seln. Wer den­noch dran bleibt, wird mit einer unter­halt­sa­men Lek­türe belohnt und kann aus Dohs Roman eini­ges mitnehmen.

1990 – Ganz andere Sor­gen. Roman einer Fami­lie. Rai­ner Doh. Divan Ver­lag. 2015.

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Rezension | Rainer Doh: 1990 - Ganz andere Sorgen 1. November 2015 - 22:59

[…] Bücher­stadt Kurier ist untrer dem Titel “Der Osten, der Wes­ten und andere Sor­gen” eine Rezen­sion von 1990 […]

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