Der unappetitliche Serviervorschlag der Literatur

by Buchstaplerin Maike

Ein Gedan­ken­krü­mel von Buch­stap­le­rin Maike im Rah­men der Blog­pa­rade #Ende von schraeg­le­sen.

Es gibt Bücher, die es ein­fach ver­die­nen, nicht zu Ende gele­sen zu wer­den. Das klingt jetzt hart, aber ich meine es nur gut mit ihnen. Viel zu häu­fig hat mir das letzte Kapi­tel die lang­sam auf­ge­baute Lese­liebe im letz­ten Augen­blick rui­niert. Der Schre­cken lau­ert poten­zi­ell in jedem unge­le­se­nen Buch, das harm­los im Bücher­re­gal steht. Er war­tet dar­auf, in den unpas­sends­ten Momen­ten zuzu­schla­gen. Das Grauen hat sogar einen Namen: Epilog.

„Was? Das war’s jetzt?! Echt?? Das macht doch gar kei­nen Sinn!!“

Was eine Schluss­rede oder ein Nach­spiel sein soll, nimmt bis­wei­len gro­teske For­men an, die mir nichts als Augen­rol­len ent­lo­cken. Sei es bei „Harry Pot­ter“ oder „Die Tri­bute von Panem“, um die zwei bekann­tes­ten Bei­spiele zu nen­nen. Plötz­lich wird mir ein erzwun­gen har­mo­ni­sches, um nicht zu sagen kit­schi­ges und höchst unplau­si­bles Ende vor­ge­setzt, das nur einen Zweck zu haben scheint: Mir ein woh­li­ges Gefühl zu geben. Aber viel­leicht möchte ich das nicht? Viel­leicht mag ich ja die Ambi­va­lenz, die Unbe­stimmt­heit und die Frei­heit, mir die Zukunft der Figu­ren selbst aus­zu­ma­len? Viel­leicht war die Grat­wan­de­rung zwi­schen unge­schön­tem Rea­lis­mus und Hoff­nung genau das, was mir die ganze Zeit über gefal­len hat? Zumal Har­mo­nie nicht das ist, was sich über Hun­derte oder gar Tau­sende Sei­ten aus­ge­rollt hat. Tja, und sofort schlägt die Wohl­fühl-Inten­tion des Epi­logs ins Gegen­teil um: Er lässt mich rat­los, ver­wirrt, wütend, zurück. Sehr ärger­lich, so ein Schluss bei lan­gen Buch-Reihen.

„All was well.“ And boring.

Also bin ich dazu über­ge­gan­gen, sol­che mehr oder weni­ger expli­zit benann­ten Epi­loge als „Ser­vier­vor­schlag“ zu begrei­fen. Genau wie auf den Mag­gi­tü­ten zei­gen sol­che unap­pe­tit­li­chen Epi­loge mir sonst ein hüb­sches retu­schier­tes Bild, ein uner­reich­bar per­fek­tes Was-Wäre-Wenn, ein Und-Sie-Leb­ten-Glück­lich-Bis-Ans-Ende-Ihrer-Tage. Wozu muss ich nun wis­sen, dass Harry und alle seine Freund*innen glück­lich heteroro­man­tisch ver­part­nert und mit Kin­dern geseg­net sind? Dass er und Ginny ihren Kin­dern die denk­bar schlech­tes­ten Vor­na­men gege­ben haben? Wozu hat Kat­niss plötz­lich all ihre Prin­zi­pien über Bord gewor­fen, um mit Peeta glück­li­che Klein­fa­mi­lie zu spie­len? Mir ist egal, was so und so viele Jahre spä­ter alles rosa­rot Schö­nes pas­siert. Schlechte, sprich aus der Luft gegrif­fene Enden bedeu­ten wohl ein­fach: viele hit­zige Gesprä­che, Texte und Memes.

„I tell him: ‚Real.‘“ Really?

Was also tun? Nun, ich halte mich nicht an Ser­vier­vor­schläge. Ich sage mir: „Das ist nicht das fest­ste­hende Ende. Die­ses Kapi­tel ist genauso plau­si­bel wie jedes unge­schrie­bene andere auch. Rich­tig ist nur, was sich rich­tig anfühlt.“ Klar, manch­mal ist diese meta­pho­ri­sche Gar­ni­tur mit Peter­si­lie und Pho­to­shop toll, aber es gibt Gren­zen des guten Geschmacks. Man­chen Büchern tut es ein­fach gut, den Epi­log zu über­sprin­gen. Wer sagt, dass ich Bücher wider bes­se­ren Wis­sens bis zur letz­ten Seite lesen muss? Und falls ich es ver­se­hent­lich doch tue, gibt es zum Glück immer noch Fanfiction.

Und ihr? Braucht ihr Epi­loge? Mögt ihr sie? Oder habt ihr auch Lieb­lings­bü­cher mit Alb­traum-Enden? Erzählt uns davon.

Illus­tra­tion: Buch­stap­le­rin Maike

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13 comments

Blogparade: Ende? | schraeglesen 11. Dezember 2017 - 22:32

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Ich hasse Enden. | schraeglesen 11. Dezember 2017 - 22:33

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Traumfänger mit losen Enden | schraeglesen 11. Dezember 2017 - 22:34

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Ende? Anfang. | schraeglesen 11. Dezember 2017 - 22:34

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Game over! – Bücherstadt Kurier 12. Dezember 2017 - 18:01

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Caecilia 13. Dezember 2017 - 17:46

Liebe Maike – erstein­mal auch hier wie­der: Vie­len Dank für dei­nen Bei­trag 🙂 An Epi­loge hatte ich bis­her noch gar nicht gedacht. (Dafür sind ja aber Blog­pa­ra­den auch da.) 

Viel­leicht habe ich aber auch noch gar nicht dran gedacht, weil ich sie zuge­ge­be­ner­ma­ßen ein wenig ver­dränge. Dei­nen Frust kann ich näm­lich über­aus gut ver­ste­hen. Ich kann mich auch an kei­nen ein­zi­gen wirk­lich sinn­vol­len Epi­log erinnern.Du hast es schon recht gut beschrie­ben – kit­schig, lang­wei­lig und „Friede, Freude, Eier­ku­chen“ trifft es da wohl ganz gut. Eben nicht mehr als ein Fanservice.
Ner­vig (aber auf eine andere Art und Weise) finde ich übri­gens auch Epi­loge in Hor­ror­fil­men. Die­ses stän­dige „schein­bar ist alles gut – aber dann!“ – nur damit noch etwas Unbe­ha­gen für einen mög­li­chen 2. Teil blei­ben kann. (Das ist ja mitt­ler­weile lei­der in vie­len Fil­men mit den After-Credit-Sce­nes auch schon gang und gäbe geworden.)
Liebe Grüße, Caecilia

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Ein Kreis hat kein Ende | schraeglesen 13. Dezember 2017 - 18:11

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Montagsfrage: Wenn ich am Ende bin | schraeglesen 18. Dezember 2017 - 8:39

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Do-it-yourself-Ende | schraeglesen 20. Dezember 2017 - 19:22

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In Endlosschleife | schraeglesen 22. Dezember 2017 - 11:10

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Endgame: Computerspiele bewahren? | schraeglesen 26. Dezember 2017 - 8:41

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schraegesEnde: Eine Playlist | schraeglesen 2. Januar 2018 - 12:11

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In Endlosschleife | schraeglesen 15. Januar 2018 - 17:40

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