Der Weltraum – Unendliche Weiten …

by Bücherstädterin Kathrin

Stell dir vor, du bist High School-Leh­re­rIn. Doch dann wachst du auf. Du befin­dest dich in einem Raum­schiff. Maschi­nen brum­men um dich herum, Schläu­che lau­fen in dei­nen Arm. Deine Crew-Mit­glie­der sind tot – schon lange. Du bist allein in den unend­li­chen Wei­ten des Welt­raums und du hast keine Ahnung, was hier pas­siert ist. Dir fehlt ein Groß­teil dei­ner Erin­ne­rung. Ledig­lich an einige Schnip­sel kannst du dich erin­nern. Du bist der ein­zige Mensch, der den Kol­laps der Sonne auf­hal­ten kann. Es geht ums Über­le­ben der gesam­ten Mensch­heit. Und du fragst dich, wie zur Hölle du hier hin­ein gera­ten bist. So ergeht es Ryland Grace, dem Prot­ago­nis­ten in Andy Weirs „Der Astro­naut“. Klingt span­nend? Ist es auch. Bücher­städ­te­rin Kath­rin hat sich auf eine weite Reise bege­ben, um die Erde zu retten.

Die Sonne stirbt

Der Pla­net Erde steht vor dem Unter­gang. Die Sonne ver­liert immer mehr Ener­gie. Dafür ver­ant­wort­lich sind win­zige, unbe­kannte Mikro­ben, eine außer­ir­di­sche Lebens­form, die sich von der Ener­gie der Sonne ernäh­ren. Wer­den sie nicht auf­ge­hal­ten, wird die Sonne ster­ben – und das Leben auf der Erde mit ihr. Um die Mensch­heit zu ret­ten, wird ein bemann­tes Raum­schiff in die unend­li­chen Wei­ten des Welt­raums geschickt, um die­ses Schick­sal viel­leicht doch noch abzukehren.

Ryland Grace ist eigent­lich Leh­rer, fin­det sich aber als Crew­mit­glied in die­ser aber­wit­zi­gen Mis­sion wie­der. Wie ist er da nur hin­ein­ge­ra­ten? Und die wich­tigste Frage: Wie soll er die Erde über­haupt ret­ten? Und wohin zum Teu­fel ist er eigent­lich unter­wegs? Mil­lio­nen von Licht­jah­ren von sei­nem Hei­mat­pla­ne­ten ent­fernt, ist er ganz auf sich allein gestellt, denn seine Crew­mit­glie­der sind alle tot. Funk­kon­takt gibt es durch die rie­sige Ent­fer­nung natür­lich auch nicht. Noch dazu feh­len ihm Teile sei­ner Erin­ne­rung. Doch nach und nach keh­ren sie zurück und zeich­nen ein erschre­cken­des Bild. Ist die Mensch­heit noch zu retten?

Moment mal, habe ich ein Déjà-vu?

Ein Mann, ganz auf sich allein gestellt im Welt­raum – die­ses Sze­na­rio dürfte den einen oder ande­ren bekannt vor­kom­men. Die­ses erin­nert näm­lich stark an Andy Weirs Erst­lings­werk „Der Mar­sia­ner“. Trotz eines ver­gleich­ba­ren Set­tings ist „Der Astro­naut“ jedoch ganz anders. Der Roman arbei­tet mit zwei Zeit­ebe­nen. Eine spielt im Hier und Jetzt, in wel­chem wir den Prot­ago­nis­ten Ryland Grace auf sei­ner Mis­sion beglei­ten. Die andere Ebene zeigt die Ver­gan­gen­heit: Wie konnte ein ein­fa­cher High School-Leh­rer in diese Sache hin­ein rut­schen? Immer­hin hängt von ihm das gesamte Schick­sal der Mensch­heit ab.

Der Ein­stieg in die Geschichte erfolgt unmit­tel­bar. Genau wie Ryland Grace sind wir kom­plett ahnungs­los, was hier eigent­lich los ist. Zusam­men mit sei­nen wie­der­keh­ren­den Erin­ne­run­gen setzt sich das Puz­zle mehr und mehr zusam­men. Anders als „Der Mar­sia­ner“ ist diese Geschichte deut­lich lang­sa­mer, was der Span­nung aber kei­nen Abbruch tut. Ganz im Gegen­teil, sub­til ver­flech­tet Andy Weir Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart und streut immer wie­der Infor­ma­tio­nen, aber auch Ant­wor­ten ein. So wer­den neue Fra­gen auf­ge­wor­fen, die Hand­lung vor­an­ge­trie­ben und span­nend erzählt.

Dies alles geschieht unter der Prä­misse des unend­li­chen Welt­raums in all sei­ner Stille und nur einem ein­zi­gen Prot­ago­nis­ten – eine One-Man-Show also. Doch anders als im „Mar­sia­ner“, in wel­chem Mark Wat­ney diese Rolle über­nimmt, bekommt Ryland Grace einen wei­te­ren Mit­spie­ler, der ihm fast die Show stiehlt. Wer das ist und wo die­ser plötz­lich her­kommt, ob es sich dabei um eine außer­ir­di­sche Lebens­form han­delt oder etwas ganz anders, wird an die­ser Stelle natür­lich nicht ver­ra­ten. Es ist sich also defi­ni­tiv kein Abklatsch vom „Mar­sia­ner“, auch wenn dies zunächst den Anschein haben mag.

Und wie war die Reise?

Bei die­sem Buch kommt die Unter­hal­tung defi­ni­tiv nicht zu kurz. Es braucht nicht immer rie­sige, men­schen­fres­sende Außer­ir­di­sche á la „Krieg der Wel­ten“, um die Bedro­hung und Grau­sam­keit zu ver­deut­li­chen. In die­sem Fall rei­chen dazu win­zige, außer­ir­di­sche Mikro­ben, die sich noch nicht ein­mal direkt auf der Erde befin­den. Was die Bedro­hung nicht ver­rin­gert, son­dern im Gegen­teil, eine Lösung erschwert.

Zu kurz kommt aller­dings das Schick­sal der Mensch­heit, die immer­hin der Aus­lö­schung nahe ist. Über das Leben auf der Erde nach Bekannt­wer­den der dro­hen­den Kata­stro­phe erfah­ren wir nichts. Außer in den Rück­blen­den zur Mis­si­ons­vor­be­rei­tung gibt es kei­ner­lei Infor­ma­tio­nen dazu, wie das Leben der Men­schen dadurch beein­flusst wird und wel­che wei­te­ren Kon­se­quen­zen sich aus die­ser Situa­tion erge­ben. Gibt es Aus­schrei­tun­gen, Kriege, Panik, Gegen­maß­nah­men abseits des bemann­ten Raum­schiffs? Die­sen poten­zi­el­len Erzähl­strang lässt Andy Weir links liegen.

Da die bei­den vor­han­de­nen Erzähl­stränge aber so gut inein­an­der ver­wo­ben wer­den, die Span­nung trotz der ruhi­gen Erzähl­weise und Unauf­ge­regt­heit im Ange­sicht der dro­hen­den Apo­ka­lypse nicht lei­det und wir dies­mal statt einer One-Man-Show sogar eine Two-Man-Show bekom­men, glei­chen diese Fak­to­ren den klei­nen Kri­tik­punkt deut­lich wie­der aus. Des­we­gen gibt es für den „Astro­nau­ten“ eine klare Lese­emp­feh­lung für alle Scifi-Fans und Hobby-Astronomen.

Der Astro­naut. Andy Weir. Aus dem Ame­ri­ka­ni­schen von Jür­gen Lan­gow­ski. Heyne Ver­lag. 2021.

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