Diana Menschig

by Wortklauberin Erika

...in mei­ner Brust schla­gen näm­lich zwei Her­zen: ich liebe das Meer, die Nord­see und das Wilde, und zugleich die ober­ita­lie­ni­schen Seen und das Gebirge und Hochgebirge.

Foto © Diana Men­schig; dia​na​men​s​chig​.de *Klick*

Die Bücher­stadt ist auch im Som­mer gut besucht: Es ver­irrt sich immer wie­der ein Wan­de­rer in die küh­len Bücher-Zim­mer des Bücher­turms. Diana Men­schig hat Zeit gefun­den, ein wenig mit Bücher­städ­te­rin Erika zu plaudern.

BK: Wol­len Sie sich unse­ren Lesern vor­stel­len? Sie kön­nen alles, was sie gerade los­wer­den wol­len, in die Bücher­stadt hinausposaunen.

DM: Ich bin Diana Men­schig, seit 2009 selb­stän­dig und seit 2012 offi­zi­ell auch als frei­be­ruf­li­che Autorin tätig. Was wol­len die Leute denn wissen?

BK: Ich glaube, unsere Leser sind ins­ge­samt an Ihnen und vor allem Ihrem Werk inter­es­siert. „Hüter der Worte“ war Ihr Debüt-Roman. Wie fühlt es sich an, das erste eigene Buch in den Hän­den zu hal­ten? Das muss sehr span­nend sein.

DM: Es ist mein ers­tes eige­nes Buch – ich habe aber vor­her bereits ein ande­res Buch geschrie­ben, ein Ergänz-Pro­jekt („Die Windprinzessin/The Storm Princess“, Lan­gen­scheidt 2011 – Anm. d. Red.). Um leich­ter ins Ver­lags­feld zu kom­men hat Momo Evers ange­bo­ten, das gemein­sam zu schrei­ben. Es ist ein Jahr vor „Hüter der Worte“ erschie­nen, darum ist das Gefühl auch etwas anders. Mein ers­tes Buch war also die­ser Halb­ling – den ich zur Hälfte mit­ge­schrie­ben habe. Das war sehr auf­re­gend. Beim „Hüter“ kam ich mir dann fast schon ein biss­chen ‚erfah­ren‘ vor, auch wenn das wie­der eine andere Welt ist.

BK: Ich fand beim „Hüter der Worte“ die Idee mit den bei­den Par­al­lel­wel­ten fas­zi­nie­rend. Wie sind Sie dar­auf gekom­men? Gab es einen aus­schlag­ge­ben­den „Heureka“-Moment?

DM: So rich­tig nicht – es ist eine Idee, die sich über viele Jahre hin­weg ent­wi­ckelt hat. Ich bin vom Hin­ter­grund her Diplom­psy­cho­lo­gin und habe mich eigent­lich schon immer sehr dafür inter­es­siert, wie es Men­schen geht, warum sie bestimmte Dinge machen... Die Idee, dass eine Roman­fi­gur leben­dig wird, ist nicht neu – es gibt einen Hau­fen Bücher dar­über. Was mich aber immer sehr daran gereizt hat, war: Wie geht’s denn eigent­lich der Roman­fi­gur damit? Was pas­siert mit der, wie fin­det sie das?

In sehr vie­len Büchern lebt sie ein­fach damit und fin­det sich mit der Tat­sa­che, mit der sie kon­fron­tiert wird, ab. Ich habe mich in sie hin­ein­ver­setzt und fest­ge­stellt: Ich hätte Pro­bleme damit. Laryon geht es auch so: er kämpft sehr lange sehr inten­siv dage­gen an und kann die Situa­tion über­haupt nicht hinnehmen.

Wie gesagt, die Idee ist dann über viele Jahre hin­weg ent­stan­den, das Kon­strukt hat sich ste­tig weiterentwickelt.

BK: Wann hat sich die Idee denn etwa konkretisiert?

DM: So kon­kret kann ich das gar nicht sagen – die Grund­idee ist bestimmt schon zwan­zig Jahre alt. Das hat ange­fan­gen, als ich Mitte der Acht­zi­ger die „Unend­li­che Geschichte“ gele­sen habe. Schon da habe ich begon­nen, mir Gedan­ken zu machen. Aktiv gewor­den ist das aber erst irgendwo um 2006, 2007. Ange­fan­gen, es wirk­lich auf­zu­schrei­ben, habe ich im Januar 2009.

Da kann ich noch ergän­zen: ich bin in den Jah­ren sehr viel mit dem Fahr­rad unter­wegs gewe­sen, da hatte ich viel Zeit, nach­zu­den­ken. Ich lebe an der deutsch-nie­der­län­di­schen Grenze, die seit Ewig­kei­ten nicht mehr kon­trol­liert wird, man kann schon seit Jah­ren ein­fach hin und zurück. Wenn man mit dem Fahr­rad im Wald unter­wegs ist, kommt man an bestimm­ten Grenz­mar­ken vor­bei, an denen man den frü­he­ren Ver­lauf der Lan­des­grenze erken­nen kann. Als ich an den Land­mar­ken vor­bei­ge­kom­men bin, sind irgend­wann Bil­der ent­stan­den, die auch mit ins Buch mit ein­ge­flos­sen sind.

BK: Kom­men wir auf Wil­le­rin, Laryons Welt. Wenn Sie es sich aus­su­chen könn­ten, sehen Sie sich dort an einem bestimm­ten Platz?

DM: Ja und nein. Nicht einen bestimm­ten Platz. Die ganze Insel ist mit mei­nen Wunschor­ten ver­knüpft. Der Süden ist ein wenig an Irlands Cliffs und grüne Hügel ange­lehnt. Das Nord­ge­birge erin­nert an die Dolo­mi­ten, und mit­ten­drin gibt’s auch Gebiete, die meine Hei­mat wie­der­spie­geln – rela­tiv flach und stark bewaldet.

Im Grunde ist es ein Wunschort, den ich mir zusam­men­ge­bas­telt habe – in mei­ner Brust schla­gen näm­lich zwei Her­zen: ich liebe das Meer, die Nord­see und das Wilde, und zugleich die ober­ita­lie­ni­schen Seen und das Gebirge und Hoch­ge­birge. Wil­le­rin hat ein­fach alles.

BK: Mein Lieb­lings-Ort im „Hüter der Worte“ war die Halle. Ein Ort vol­ler Geschich­ten – da muss man als Bücher­städ­ter fast ein Sab­berlätz­chen umbinden.

DM: Die Halle ist ein­fach ein per­fek­ter Ort, sie sieht für jeden anders aus. Da kann man sich viele Gedan­ken dar­über machen: Wie sähe sie denn aus, wenn ich sie sehen würde? Es fließt eine unend­li­che Zahl an Mög­lich­kei­ten mit ein. Für mich hat die Halle auch etwas Unheim­li­ches, weil sie so zeit­los ist und weil ich sie selbst nicht ganz ver­stehe. Sie ist schwer greif­bar – wie es funk­tio­niert, wie man dort schreibt, habe ich bewusst im Unkla­ren gelassen.

Hängt man es ganz hoch, ist die Halle das Para­dies und der Erzäh­ler Gott. Wenn man reli­giös ist kann man das gleich­set­zen. Blei­ben wir bei dem Bild, sind die Wort­hü­ter Schutz­en­gel, und sie haben auch gewisse schüt­zende, hütende Eigen­schaf­ten – das Wort ‚Schutz‘ war mir zu stark, darum sind sie ‚Hüter‘.

BK: Gibt es einen Cha­rak­ter, der Ihnen beim Schrei­ben beson­ders ans Herz gewach­sen ist?

DM: Ich fange umge­kehrt an: der Cha­rak­ter, der mir beim Schrei­ben am wenigs­ten am Her­zen lag, war Tom – Tom Schä­fer. Als ich dann in man­chen Leserun­den gehört habe, dass er am Anfang des Buches sehr unsym­pa­thisch ist, hat mir das doch erstaun­lich weh­ge­tan, das lag nicht in mei­ner Absicht. Anfangs muss er ein biss­chen unsym­pa­thisch sein, aber eher als Quäl­geist oder der ner­vige kleine Bru­der, nicht als Kotz­bro­cken. So ist er aber tat­säch­lich bei man­chen Lesern angekommen.

Der Cha­rak­ter, der mir am meis­ten am Her­zen lag, war wie­derum Nolan. Für mich war rela­tiv früh klar, was mit ihm pas­sie­ren würde. Das hat mich auch emo­tio­nal mit­ge­nom­men. Er ist der Cha­rak­ter mit der inter­es­san­tes­ten Geschichte, ein paar Geheim­nis­sen um seine Per­son, die ich nicht auf­löse, aber selbst wie­derum kenne. Das macht meine Bezie­hung zu ihm besonders.

BK: Apro­pos unauf­ge­deckte Geheim­nisse – wird es denn auch eine Fort­set­zung geben oder bleibt „Hüter der Worte“ ein für sich ste­hen­des Werk?

DM: Das ist eine sehr schwie­rige Frage, weil die Geschichte für mich been­det ist – der Leser hat mehr oder min­der ver­stan­den, wie die Wort­hü­ter-Welt funk­tio­niert. Die Frage für mich bliebe: wie könnte man Span­nung auf­bauen? In der Fort­set­zung müss­ten Wort­hü­ter und Wort­ge­stalt ‚in Anwen­dung‘ auf­tre­ten – das kann ich mir nicht als inter­es­sant vor­stel­len, der Leser könnte nichts mehr ent­de­cken. Ande­rer­seits gibt es ein paar kleine Geschich­ten, die ich gerne noch erzäh­len würde – das macht aber kein Buch aus. Darum über­lege ich im Moment, ein klei­nes Add-On, etwa ein E‑Book, mit Geschich­ten aus der Wort­hü­ter-Welt herauszubringen.

BK: Sie blog­gen auch viel. Ich bin zum Bei­spiel über den Blog wort​hue​ter​.de gestol­pert, wo Sie in die Rolle von Tom selbst schlüpfen.

DM: Es gibt momen­tan ins­ge­samt drei Blogs:

Seit April 2013 gibt es offi­zi­ell meine Home­page, dia​na​men​s​chig​.de oder sei​ten​rau​schen​.de – das ist das­selbe. Sei­ten­rau­schen soll mich als Autorin und mein Werk prä­sen­tie­ren. Es ist ein Werk­statt­blog, auf dem ich meine aktu­el­len Arbei­ten vorstelle.

Tom (wort​hue​ter​.de, Anm. d. Red.) ist ein Stück weit fik­tiv – da gibt es mich als Per­son nicht.

Und dann gibt es einen ganz alten Blog (dina​.bann​kreis​.de), den ich seit 2006 mehr oder weni­ger regel­mä­ßig führe. Der ist ganz und gar pri­vat, und ihn lesen, glaube ich, auch wirk­lich nur Freunde und Ver­wandte. Es ist ein Feld‑, Wald- und Wie­sen-Blog, wann auch immer ich das Bedürf­nis habe, über etwas zu schrei­ben. Da fin­det sich alles und nichts, man kann ihn the­ma­tisch nicht einordnen.

BK: Ich habe auf einem der Blogs gele­sen, dass viel zum Thema Rol­len­spiele auch von Ihnen selbst ein­ge­flos­sen ist. Das bringt mich auf die Frage: Was den­ken Sie über vir­tu­elle Welten?

DM: Das ist etwas, womit ich mich auch wis­sen­schaft­lich beschäf­tige. Ich bin in der Gesell­schaft für Fan­tas­tik­for­schung und werde zum Thema auch einen Vor­trag (im Rah­men einer Tagung, Anm. d. Red.) hal­ten. Für mich hat die­ses sich-Befas­sen mit vir­tu­el­len oder phan­tas­ti­schen Wel­ten nichts mit Eska­pis­mus und Rea­li­täts­flucht zu tun. Für mich ist es eine wun­der­bare Mög­lich­keit, meine Frei­zeit zu ver­brin­gen. Ich finde es ein­fach, mich in eine andere Per­son und Rea­li­tät hin­ein­zu­ver­set­zen. Ich mache Rol­len­spiele seit ins­ge­samt 22 Jah­ren, habe aber auch vor­her schon Thea­ter gespielt und mir phan­tas­ti­sche Bücher wie die „Unend­li­che Geschichte“ vor­ge­nom­men. Mir macht es schlicht und ein­fach Spaß – ich bin froh, dass ich das Hobby zum Beruf machen kann, mir ist aber immer die Grenze abso­lut bewusst. Letz­ten Endes ist die Rea­li­tät das, in dem ich lebe.

Gerade das Inter­net bie­tet eine unglaub­li­che Spiel­wiese, Rea­li­tät und Phan­tas­ti­sches zu durch­mi­schen. Das Inter­net ist außer­dem eine groß­ar­tige Mög­lich­keit, das Buch in Foren und online bekannt zu machen, und das habe ich auch recht inten­siv gemacht. Bis zu dem Zeit­punkt wusste ich auch nicht, wie viele Bücher-Com­mu­nities es gibt. Ich habe das Gefühl, es geht jeden Tag etwas Neues an den Start – aber man merkt auch, wenn eine Seite eine gewisse Reich­weite hat. Man wird auch dar­auf ange­spro­chen. Das finde ich toll! Über­haupt der Aus­tausch mit Lesern, die einem sagen kön­nen, „das war toll und das weni­ger und kannst du nicht mal das und das…“

BK: Es kann einen auch zur Ver­zweif­lung trei­ben, oder? Test­le­ser etwa, die Sie bei wort​hue​ter​.de erwähnen.

DM: Test­le­ser sind noch­mal etwas Ande­res. Es wird der Erst­kon­takt mit Lesern gesucht. Oli­ver Plaschka und ich haben uns für seine Web­seite gegen­sei­tig inter­viewt und spre­chen dabei auch dar­über, wie man mit die­ser Erst­kri­tik umge­hen kann.

Man ist schon etwas ner­vös: Wie kommt die Geschichte an? Inter­es­siert das jeman­den? Ich finde das wesent­lich auf­re­gen­der als wenn das Buch dann erscheint – ist es gedruckt in den Bücher­lä­den, haben ver­schie­dene Leute dar­über gele­sen und man weiß, man ist nicht allein.

BK: Gibt es ein Schreib-Ritual oder einen Ort, an dem Sie sich zum Schrei­ben zurückziehen?

DM: Nein, so etwas habe ich gar nicht. Ich bin sehr nüch­tern beim Schrei­ben – ich will es auch nicht irgendwo gemüt­lich, son­dern ganz banal auf einem Schreib­tisch­stuhl. Das ein­zige, was sich im Laufe der Zeit ver­än­dert hat, ist, dass ich einen rie­sen­gro­ßen Moni­tor habe, wo ich wei­tere Doku­mente mit Per­so­nen­be­schrei­bun­gen und sowas geöff­net habe.

Ich habe eigent­lich sel­ten Schreib­blo­cka­den wie Tom sie durch­ge­macht hat. Ich muss mich eher zum Auf­hö­ren zwin­gen, und da gibt es zum Glück noch meine zwei Hunde, die nach drau­ßen wollen.

BK: Haben Sie als frei­be­ruf­li­che Autorin auch einen gere­gel­ten Tagesablauf?

Ich bin Früh­auf­ste­he­rin, und gehe rela­tiv früh an den Schreib­tisch, mache irgend­wann Mit­tags­pause, höre gegen fünf, sechs Uhr abends auf und setze mich dann viel­leicht noch­mal abends gegen acht oder neun zum Kon­troll­le­sen an den Rechner.

Neben mei­ner Tätig­keit als Autorin arbeite ich auch als Dozen­tin, auch das – wenn ich gerade nicht schreibe – will vor­be­rei­tet werden.

BK: Uns blei­ben noch unsere Bücher­stadt Kurier-Fra­gen, die wir an jeden Inter­view­ten stel­len. Wenn Sie ein Buch wären, was für eines wären Sie?

DM: Hm. Dar­über habe ich mir noch nie Gedan­ken gemacht. Ein sehr dickes und zum Teil sehr wir­res Buch, das nicht jeder versteht.

BK: Wel­che Frage woll­ten Sie schon immer in einem Inter­view gestellt bekommen?

DM: Mir wur­den schon so unglaub­lich viele gestellt. Anfangs habe ich lange auf die Frage gewar­tet, die sehr lange nicht gestellt wurde: Warum ich als Frau lie­ber über Män­ner schreibe.

BK: Und wie haben Sie sie beantwortet?

DM: Im Fall von „Hüter der Worte“ stellte sich die Frage nie: Laryon hat es in mei­ner Fan­ta­sie immer schon gege­ben, er war immer ein Mann und Tom hat sich davon aus­ge­hend als Mann ent­wi­ckelt. Ich habe mir auch spä­ter in der Wort­hü­ter-Welt Gedan­ken dar­über gemacht, ob es ein Unter­schied ist, wenn der Wort­hü­ter ein Mann und die Wort­ge­stalt eine Frau ist oder umge­kehrt. Das ist eine Frage, die im Buch nicht beant­wor­tet wird. Sie klingt zwar an, in der Figur von Mela­nie, die zwei männ­li­che Wort­ge­stal­ten führt – ich habe mich da tat­säch­lich gefragt, was pas­sie­ren würde, wenn sich dann zum Bei­spiel ihre Wort­ge­stalt Fynn in sie ver­lie­ben würde. Das wäre dann eine Frage, die ich in der Fort­set­zung beant­wor­ten könnte. Für die­ses Buch war mir aber wich­tig, dass das aus­ge­klam­mert wird, auch im Hin­blick auf ver­schie­dene Sexualitäten.

Ich beant­worte die Frage des­halb so aus­führ­lich, weil die Ver­lags­lek­to­rin ange­fragt hatte, ob Laryon weib­lich sein könne, weil es im Buch zu wenig weib­li­chen Anteil gäbe. Das ist für mich unvor­stell­bar – weder für den Cha­rak­ter, noch für die Bezie­hung zu Tom. In die­sem Schritt der Über­ar­bei­tung hat die Figur Mela­nie (Mel­lie) dann einen grö­ße­ren Stel­len­wert bekom­men als vorher.

Herz­li­chen Dank an Diana Men­schig für die Zeit und das Interview!

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