Die Aufarbeitung der Debatte um Restitutionen

Das Buch „Afri­kas Kampf um seine Kunst – Geschichte einer post­ko­lo­nia­len Nie­der­lage“ von der Kunst­his­to­ri­ke­rin Béné­dicte Savoy zeigt auf, wie lange und umfang­reich bereits über Resti­tu­tio­nen von afri­ka­ni­schen Kul­tur­gü­tern dis­ku­tiert wird. Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina ist dem Buch in die Debat­ten der 1960er bis 1980er Jahre gefolgt.

In der Ein­lei­tung geht Savoy auf die Arbeit mit dem Sozi­al­wis­sen­schaft­ler, Autor und Musi­ker Fel­wine Sarr ein. Beide erhiel­ten im März 2018 vom fran­zö­si­schen Prä­si­dent Emma­nuel Macron den Auf­trag, Mög­lich­kei­ten und Kri­te­rien der Rück­gabe von kolo­nia­len Kul­tur­gü­tern fran­zö­si­scher Museen an afri­ka­ni­sche Län­der zu erkun­den. Sie hiel­ten ihre Erkennt­nisse im Abschluss­be­richt „Rap­port sur la resti­tu­tion du patri­moine cul­tu­rel afri­cain“ (zu Deutsch: „Bericht über die Resti­tu­tion afri­ka­ni­scher Kul­tur­gü­ter“) fest.

Bei die­ser For­schungs­ar­beit scheint der Kunst­his­to­ri­ke­rin unter ande­rem beson­ders ins Auge gefal­len zu sein, dass eben jene Debatte – im Buch mit Fokus auf Deutsch­land – um Resti­tu­tio­nen schon ein­mal geführt wurde. Diese hatte ihren Höhe­punkt von 1978 bis 1982, ist aber danach in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Es kam zu einer kolo­nia­len Amne­sie. Genau diese Erkennt­nis nimmt Savoy als Aus­gangs­punkt für ihre Publi­ka­tion. In die­ser wird geschil­dert, wie und warum es dazu kam. Wel­che Struk­tu­ren und Ideo­lo­gien dahin­ter­ste­cken. Wel­che Stim­men sich einst für und gegen Resti­tu­tio­nen aus­spra­chen und wel­che Gründe die jewei­li­gen Akteure anführ­ten. Ebenso wie Poli­tik und beson­ders Museen an die­sem Dis­kurs betei­ligt waren.

Das Buch star­tet nach der Ein­füh­rung im Jahr 1965 und endet an sich mit 1985. Hinzu kommt der Epi­log, der ver­deut­licht, was uns die Ver­gan­gen­heit lehrt und eben­falls eine Per­spek­tive in die Zukunft weist. Bemer­kens­wert ist an Savoys Arbeit, wie prä­zise, umfang­reich und enga­giert sie forscht und dabei jede Menge Mate­rial aus ver­schie­de­nen Archi­ven sowie Zei­tun­gen, Publi­ka­tio­nen und Bild­ma­te­rial her­an­zieht, um die Geschichte der post­ko­lo­nia­len Nie­der­lage zu schreiben.

Dar­über hin­aus sei gesagt…

Auf­fäl­lig ist, dass ver­schiede Per­so­nen – sowohl Befür­wor­ter als auch Geg­ner –, die sich unter­schied­lich in die Debatte über diese Jahre hin­weg ein­brach­ten, von Savoy ein­ge­führt und deren Stel­lung­nah­men sowie ihre jewei­li­gen Kon­texte bespro­chen wer­den. Dabei wer­den auch mal län­gere Zitate ein­ge­bet­tet, die dazu bei­tra­gen, die Per­so­nen, ihre Argu­mente und wie sie über etwas spre­chen genau unter die Lupe zu nehmen.

Ebenso wer­den die Resti­tu­ti­ons­for­de­run­gen der afri­ka­ni­schen Län­der, beson­ders von Nige­ria aber auch Tan­sa­nia, betrach­tet und ana­ly­siert. Zudem wer­den andere Ein­fluss­fak­to­ren, wie die Frage nach gesetz­li­cher Lega­li­tät und his­to­ri­sche Dimen­sio­nen, bei­spiels­weise Rück­be­züge auf die NS-Zeit, mit­ein­ge­bracht. Teil­weise scheint es im Buch zu Wie­der­ho­lun­gen zu kom­men, was daran liegt, dass einige Per­so­nen, beson­ders sol­che, die Resti­tu­tio­nen ablehn­ten, nie müde wur­den, auf ihre Argu­mente zu bestehen.

Schreib­stil

Béné­dicte Savoy hat das Buch nach­voll­zieh­bar struk­tu­riert, indem sie es chro­no­lo­gisch auf­ge­baut hat und ein roter Faden erkenn­bar ist. Der Inhalt ist all­ge­mein­ver­ständ­lich geschrie­ben und trotz­dem wis­sen­schaft­lich fun­diert, sodass auch Leser*innen, die nicht Kunst oder Geschichte stu­diert haben, der Publi­ka­tion sehr gut fol­gen kön­nen. Es han­delt sich somit um ein Sach­buch der Kunst- und Kul­tur­wis­sen­schaft. Dies ist als posi­ti­ver Aspekt her­vor­zu­he­ben, da somit vie­len Men­schen die Teil­habe an der heu­ti­gen Debatte ermög­licht wird.

Dar­über hin­aus schafft Savoy es, wort­ge­wandt und span­nungs­reich zu erzäh­len. Dabei gibt die Autorin den Lesen­den das Gefühl, die his­to­ri­sche Geschichte aktiv mit­ver­fol­gen zu kön­nen. Diese Art des Schreib­stils ist auch in ande­ren Publi­ka­tio­nen von Savoy augenfällig.

Béné­dicte Savoy

Savoy ist Pro­fes­so­rin für Kunst­ge­schichte an der TU Ber­lin und am Col­lège de France in Paris. Sie beschäf­tigt sich schon seit vie­len Jah­ren mit Kunst­raub und Beu­te­kunst sowie mit den Kul­tur­gü­tern, die Län­der­gren­zen über­quert haben, und mit Resti­tu­tio­nen. Dies zeich­net sich auch an ihren bis­her erschie­ne­nen Publi­ka­tio­nen ab, unter ande­rem „Nofre­tete. Eine deutsch-fran­zö­si­sche Affäre 1912–1931.“ (2011), „Die Pro­ve­ni­enz der Kul­tur. Von der Trauer des Ver­lusts zum uni­ver­sa­len Mensch­heits­erbe.“ (2018) und „Museen. Eine Kind­heits­er­in­ne­rung und die Fol­gen.“ (2019).

Damals wie heute

„Afri­kas Kampf um seine Kunst – Geschichte einer post­ko­lo­nia­len Nie­der­lage“ ist allen zu emp­feh­len, die sich mit der Geschichte der Debatte um Resti­tu­tio­nen aus­ein­an­der­set­zen möch­ten, zumal es sich um ein wich­ti­ges und heute erneut viel dis­ku­tier­tes Thema han­delt. Erstaun­lich ist hier­bei, wie die dama­li­gen Argu­mente den heu­ti­gen ähneln. Die­ses Buch bie­tet erst­mals eine ent­schei­dende Grund­lage für wei­ter­füh­rende Gesprä­che und Schritte hin­sicht­lich der Restitutionen.

Afri­kas Kampf um seine Kunst – Geschichte einer post­ko­lo­nia­len Nie­der­lage. Béné­dicte Savoy. C. H. Beck. 2021.

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