Die letzte Reise

by Zeichensetzerin Alexa

Die Geschichte um den pol­ni­schen Arzt und Päd­ago­gen Janusz Kor­c­zak, der sich bis zu sei­nem letz­ten Atem­zug für fast 200 Wai­sen­kin­der ein­ge­setzt hat, ist nicht unbe­kannt. Irène Cohen-Janca hat diese Geschichte neu und kind­ge­recht auf­ge­schrie­ben und Mau­ri­zio A. C. Qua­rello beein­dru­ckend illustriert.

Als Polen im Sep­tem­ber 1939 von den Deut­schen ange­grif­fen wird, herrscht Angst. Doch Kor­c­zak will nicht, dass die Kin­der, um die er sich küm­mert, in Ver­zweif­lung gera­ten. Selbst als sie das Wai­sen­haus ver­las­sen und in ein ande­res, viel klei­ne­res, zie­hen müs­sen, strahlt er ein Selbst­be­wusst­sein aus, das den Kin­dern Sicher­heit gibt. Als ange­se­he­ner Arzt kann er es sich leis­ten, den Deut­schen gegen­über­zu­tre­ten und For­de­run­gen zu stel­len. Erhört wird er zwar nicht, aber auch Kon­se­quen­zen gibt es keine. Bis er in sei­ner pol­ni­schen Offi­ziers­uni­form zum Quar­tier der Deut­schen, dem Palais Blank, geht. Ver­spot­tet von sei­nem Auf­tre­ten neh­men ihn die Deut­schen fest. Es dau­ert lange, bis ihn die Kin­der wie­der zu Gesicht bekommen.

Der Arzt ahnt, wie alles enden wird, und ver­liert den­noch nicht die Hoff­nung. So wird das Wai­sen­haus zum lebens­fro­hen Ort, an dem gesun­gen und getanzt wird und an dem jedes Kind genauso wie Erwach­sene Rechte hat. Mit dem „Kin­der­par­la­ment“ schafft Kor­c­zak einen Raum, in dem Gleich­be­rech­ti­gung und –gerech­tig­keit Platz fin­den. Hier kön­nen Kin­der und Erwach­sene glei­cher­ma­ßen zu Wort kom­men, aber auch ver­ur­tei­len. Die Kon­se­quen­zen wer­den unter­ein­an­der abge­spro­chen, Unge­rech­tig­kei­ten besei­tigt. Auch Erwach­sene müs­sen hier zu ihren Feh­lern ste­hen. Eine Idee, die den Grund­stein für die UN-Kin­der­rechts­kon­ven­tion legt.
Kor­c­zak küm­mert sich um fast 200 Kin­der; auch dann noch, als sie ihre letzte Reise in Rich­tung der Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger antre­ten, weicht er nicht von ihrer Seite.

Bedrü­ckend ist die Atmo­sphäre die­ses Wer­kes, erzählt aus der Sicht eines Kin­des. Die Spra­che ist klar und ein­fach, mit einem Hauch Poe­sie. Die Gra­phit-Illus­tra­tio­nen sind schwarz-braun gestal­tet, sepia­ar­tig – wie eine Erin­ne­rung an ver­gan­gene Zei­ten. Doch Ver­gan­gen­heit ist diese Geschichte nicht. Noch heute fin­den sich unter dem deut­schen Volk Spu­ren des Natio­nal­so­zia­lis­mus. Man sieht sie, wenn man die Lage der Flücht­linge betrach­tet. Man sieht sie dort, wo man am liebs­ten nicht hin­schauen würde. Wohin die­ser Men­schen­hass füh­ren kann, daran erin­nern uns Werke wie dieses.

„Man hatte uns alles genom­men, und tief
in unse­rem Inne­ren wuss­ten wir, dass wir
nie groß wer­den wür­den. Aber unsere
Hymne hieß Brü­der.

Wir sind ermor­det wor­den und sind nie
begra­ben wor­den, so wie der geliebte
Kana­ri­en­vo­gel von Hen­ryk Goldsz­mit nie
begra­ben wer­den konnte.

Wir waren wie kleine Bäum­chen, die
man gewalt­sam aus der Erde geris­sen hat.
Wir sind nie Bäume gewor­den, und wir
haben nie Früchte getra­gen, die wir
hät­ten tra­gen sollen. […]“

Alexa

Die letzte Reise, Irène Cohen-Janca, Mau­ri­zio A. C. Qua­rello (Illus­tra­tor),
Edmund Jacoby (Über­set­zer), Jacoby & Stuart, 2015, ab 10 Jahren

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