Die Rolle der Frau im Blockbuster

by Zeichensetzerin Alexa

Zei­chen­set­ze­rin Alexa blickt aus der Per­spek­tive der femi­nis­ti­schen Film­theo­rie auf „Trans­for­mers: Ära des Unter­gangs“: Die Frau, fin­det sie, hat in die­sem Film schlechte Karten.

Über 40 Jahre sind ver­gan­gen, seit Laura Mul­veys Essay „Visu­elle Lust und nar­ra­ti­ves Kino“ (Visual Plea­sure and Nar­ra­tive Cinema, 1975) erschie­nen ist. Ihrer Mei­nung nach sei die sub­jek­tive Kame­ra­per­spek­tive im Film beein­flusst vom „männ­li­chen Blick“, wodurch die Iden­ti­fi­ka­tion mit der Figur vor­ran­gig aus der Sicht des Man­nes erfolgt. Auf diese Weise wird die Frau im Film zum visu­el­len Objekt in einer patri­ar­cha­len Gesell­schafts­ord­nung. Dabei wer­den ste­reo­type Bil­der von der Frau, deren Rolle und Weib­lich­keit trans­por­tiert. Mul­vey ver­bin­det die „Lust am Schauen“ mit der Psy­cho­ana­lyse von Freud, der die „Schau­lust“ als einen Instinkt dar­stellt und mit Sexua­li­tät in Zusam­men­hang bringt.

Neben Film­theo­rien wie jener von Mul­vey, beschäf­tig­ten sich Femi­nis­tin­nen in den 70er Jah­ren mit der Rolle der Frau im Film in Form von jour­na­lis­ti­schen Bei­trä­gen. Nicht unbe­deu­tend ist hier­bei die Zeit­schrift „Frauen und Film“, wel­che sich der femi­nis­ti­schen Film­theo­rie widmet.

Getrud Koch geht in einem Auf­satz in der Zeit­schrift der Frage nach, wel­chen Zweck femi­nis­ti­sche Film­kri­tik erfül­len soll. Es gehe dabei unter ande­rem um die Ent­wick­lung femi­nis­ti­scher Metho­den der Film­ana­lyse, weil Metho­den nicht von ihren Inten­tio­nen trenn­bar seien. (Vgl. Koch 1977: S. 5) So wird Film­kri­tik „zur wis­sen­schaft­li­chen Methode, zur sys­te­ma­ti­schen Beschrei­bung, die in der Dar­stel­lung des Mate­ri­als des­sen Form kri­tisch zur Dar­stel­lung bringt.“ (Koch 1990: S. 141)

Nach Chris­tiane Rieke hat sich die Rolle der Frau – trotz femi­nis­ti­scher Film­theo­rie und ‑kri­tik – kaum ver­än­dert: „Redu­ziert auf äußere Merk­male bleibt die Frau […] eine Figur, die mit einer kom­ple­xen, rea­len Frau nur wenig gemein hat.“ (Rieke 1998: S. 13)

Obwohl sich seit der Ver­öf­fent­li­chung von Mul­veys Essay gesell­schaft­lich und im Hin­blick auf den Femi­nis­mus eini­ges getan hat, trifft die Kri­tik Rie­kes auch heute noch zu. Betrach­tet man Filme als Spie­gel ihrer Zeit, zei­gen sich erheb­li­che Unter­schiede in der fil­mi­schen Dar­stel­lung von Frauen im Ver­gleich zu dem, was der Femi­nis­mus for­dert: ins­be­son­dere Selbst­be­stim­mung, Gleich­be­rech­ti­gung und das Auf­bre­chen von tra­di­tio­nel­len Rol­len­kli­schees. Diese Dis­kre­panz ist vor­wie­gend im action­rei­chen Block­bus­ter vor­zu­fin­den, als Bei­spiel sei hier der Film „Trans­for­mers: Ära des Unter­gangs“ vorgestellt.

Mensch gegen Maschine – Maschine gegen Mensch

„Trans­for­mers: Ära des Unter­gangs“ erschien 2014 als vier­ter Teil der Trans­for­mers-Reihe. Hier geht es vor allem um action­rei­che Kämpfe zwi­schen Maschi­nen, genannt Trans­for­mers, und zwi­schen Men­schen und Maschi­nen: Wäh­rend Harold Attin­ger (Kel­sey Grammer) den Trans­for­mers den Kampf ansagt – wobei er kei­nen Unter­schied zwi­schen den bösen Decep­ti­cons und den fried­li­chen Auto­bots macht –, stößt Erfin­der Cade Yeager (Mark Wahl­berg) auf den Auto­bot Opti­mus Prime. So wer­den auch Cade, seine Toch­ter Tessa (Nicola Peltz) und deren Freund Shane (Jack Rey­nor) zur Ziel­scheibe von Attin­gers Spe­zi­al­ein­heit. Als sei das nicht genug, tau­chen die zer­stö­re­ri­schen Decep­ti­cons auf und machen ihnen das Leben schwer.

Man folge der Kamera

„In einem ers­ten Schritt iden­ti­fi­ziert sich der Zuschauer mit sich selbst als rei­nem Wahr­neh­mungs­akt. Anschlie­ßend pro­du­ziert der fil­mi­sche Dis­kurs sekun­däre Iden­ti­fi­ka­tio­nen, indem er den Zuschau­er­blick durch den Kame­ra­blick steu­ert.“ (Win­ter 1992: S. 61)

Der Zuschau­er­blick wird durch die Kame­ra­per­spek­tive und – nach Mul­vey – dem damit ver­bun­de­nen „männ­li­chen Blick“ gelenkt: Nah­auf­nah­men zei­gen Tessa von hin­ten, sind beson­ders auf ihren Hin­tern fixiert – die äuße­ren Merk­male, ihre per­fekte Schön­heit, ist das, wor­über sie über die Kame­ra­ein­stel­lung defi­niert wird. Sie ist das Objekt, das der Mann besit­zen muss wie eine Tro­phäe. Die Frau bleibt dabei mit­samt ihrer Merk­male aus­tausch­bar und für den Hand­lungs­ver­lauf nicht wich­tig. Sie ist die Figur, die den Mann dazu bewegt, etwas zu tun, ihn zu beein­flus­sen, ohne selbst eine Bedeu­tung zu haben. Die Hand­lung wird dabei aktiv vom Mann vor­an­ge­trie­ben, wäh­rend der Frau die pas­sive Rolle zuge­schrie­ben wird.

Tessa sei „das Beste, das mir je pas­siert ist“, wie Cade, der Vater, in einer Szene sagt, als han­dele es sich bei ihr um ein Objekt, das er besit­zen kann. Auch wenn sich seine Toch­ter Sor­gen um ihn und seine Finan­zen macht, nimmt er sie und ihre Beden­ken nicht ernst.

Tessa ist es auch, die geret­tet wer­den muss. Sie weiß nicht, wie sie der Gefahr aus­wei­chen kann und ent­schei­det sich dafür, nach Hilfe zu rufen; sie schlüpft in die Opfer­rolle, aus der sie nicht wie­der her­aus­kommt. In den Sze­nen, in denen die Män­ner (Freund und Vater) ver­su­chen, sie zu ret­ten, taucht sie kaum bis gar nicht auf der Bild­flä­che auf. Als sie wie­der erscheint, fällt sie aber­mals in eine Opfer­rolle: In die­ser Szene müs­sen die drei Cha­rak­tere flie­hen. Doch anstatt den Män­nern zu fol­gen, ergibt sie sich ihrer Höhen­angst, kreischt und will wie­der umkeh­ren – womit sie zur Last wird, die die Män­ner davon abhält, ihr Leben zu ret­ten. Im Gegen­satz zu ihrem (hor­mon­ge­steu­er­ten) Ver­hal­ten, haben sich die Män­ner unter Kontrolle.

„Das gemein­same Grund­pro­blem der unter­schied­li­chen Ansätze der femi­nis­ti­schen Film­theo­rie ist die unter­ge­ord­nete Dar­stel­lung von Frauen inner­halb der tra­di­tio­nel­len fil­mi­schen Erzähl­weise.“ (Rieke 1998: S. 26) Diese Dar­stel­lung wird nicht nur durch Ste­reo­type ver­stärkt, son­dern auch durch sexis­ti­sche Bemer­kun­gen ver­deut­licht. Es geht um Frauen „mit fet­ten Busen“, darum, wie „viele Mädels“ der Prot­ago­nist bereits in den Saal ein­ge­la­den hat und um dop­pel­deu­tige Sätze wie „Nimm ihn in die Hand“.

Die Rolle, wel­che Tessa hier annimmt, ist jene der Hilf­lo­sen bezie­hungs­weise einer Frau, die ohne den Mann nicht über­le­ben kann. Sie muss und will sich ver­ste­cken, weil sie Angst vor der Maschine hat.

Frauen und Technik

Die Rol­len­kon­stel­la­tion ist klar nach Ste­reo­ty­pen defi­niert: Der Vater ist Erfin­der und kann mit Tech­nik umge­hen, der Freund ist gut­aus­se­hen­der Renn­fah­rer, die Toch­ter eine bild­hüb­sche Schul­ab­gän­ge­rin. Im Ver­gleich zu den männ­li­chen Rol­len ist sie jedoch die­je­nige, die kei­nen Erfolg erzie­len kann: Mit dem Sti­pen­dium hat es nicht geklappt, von Tech­nik hat sie keine Ahnung und beim Renn­fah­ren kann sie nur dane­ben sit­zen und assistieren.

Die Rol­len­kon­stel­la­tion ist dabei nicht nur zwi­schen den Prot­ago­nis­ten Tessa, Shane und Cade klar fest­ge­legt, son­dern auch bei den Neben­rol­len. In die­sem Film fun­gie­ren die Frauen ent­we­der als Assis­ten­tin­nen, Sexu­al­ob­jekte oder Per­so­nen, die Pro­bleme ver­ur­sa­chen. Die Füh­rungs­kräfte sind mit einer Aus­nahme alle Män­ner, doch auch auf der Füh­rungs­ebene wird die Frau nicht als eben­bür­tig ange­se­hen. So erklärt der Mann bei­spiels­weise in einer Szene eben­die­ser Frau, wie die neue Tech­nik funk­tio­niert – und sie ist die­je­nige, die sich dar­auf ein­las­sen muss.

Frauen und Tech­nik – das wird in die­sem Film als etwas sich Aus­schlie­ßen­des dar­ge­stellt. Deut­lich wird das nicht nur anhand der Rolle der Frau im Film, son­dern auch daran, dass unter den Auto­bots keine weib­li­che Stimme ver­tre­ten ist.

Eine Ver­än­de­rung?

Inwie­weit hat sich die Rolle der Frau tat­säch­lich gewan­delt? Filme wie „Trans­for­mers: Ära des Unter­gangs“ ver­deut­li­chen, dass sich der Blick auf die Rol­len­ver­tei­lung in der fil­mi­schen Umset­zung zumin­dest in action­rei­chen Block­bus­tern, die mit ste­reo­ty­pen Ver­hal­tens­mus­tern und Rol­len­ver­tei­lun­gen arbei­ten, kaum ver­än­dert hat.

Andrea Braidt stellt die berech­tigte Frage: Wer steu­ert eigent­lich wen? Hol­ly­wood das Publi­kum oder das Publi­kum Hol­ly­wood? (Vgl. Braidt 2008: S. 31) Dass sol­che Filme so gro­ßen Erfolg erzie­len, kann an der Mar­ke­ting­stra­te­gie der Film­in­dus­trie lie­gen, aber auch am Inter­esse des Publi­kums. Dies zu unter­su­chen wird auch wei­ter­hin Ziel der femi­nis­ti­schen Film­theo­rie und Film­kri­tik sein.

Hier­bei ist ein reflek­tier­ter Umgang mit dem Medium Film und spe­zi­ell mit dem „Block­bus­ter“, wel­cher bei Fil­men wie die­sem Wert auf Unter­hal­tung und Effekt­ha­sche­rei legt, wün­schens­wert. Ebenso wie eine gezielte Aus­ein­an­der­set­zung mit der Rol­len­kon­stel­la­tion im popu­lä­ren Unterhaltungsfilm.

Zum Wei­ter­le­sen:

  • Blan­chet, Robert: Block­bus­ter. Mar­burg. 2003.
  • Braidt, Andrea B.: Film-Genus. Gen­der und Genre in der Film­wahr­neh­mung. Mar­burg. 2008.
  • Koch, Getrud: Kri­tik und Film, gemein­sam sind wir unaus­steh­lich. 1990.
  • Koch, Getrud: „was ist und wozu brau­chen wir eine femi­nis­ti­sche film­kri­tik?“. In Frauen und Film. 1977.
  • Mul­vey, Laura: Visual Plea­sure and Nar­ra­tive Cinema. In Nar­ra­tive, Appa­ra­tus, Ideo­logy, hg. Philip Rosen, 198–209. New York: Colum­bia Uni­ver­sity Press. 1986 (1975).
  • Riecke, Chris­tiane: Femi­nis­ti­sche Film­theo­rie in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Frank­furt am Main. 1998.
  • Ska­rics, Mari­anne: Popu­lar­kino als Ersatz­kir­che? Das Erfolgs­prin­zip aktu­el­ler Block­bus­ter. Müns­ter. 2004.
  • Wuss, Peter: Film­ana­lyse und Psy­cho­lo­gie: Struk­tu­ren des Films im Wahr­neh­mungs­pro­zeß. Ber­lin. 1993.
  • Win­ter, Rai­ner: Film­so­zio­lo­gie. Eine Ein­füh­rung in das Ver­hält­nis von Film, Kul­tur und Gesell­schaft. Mün­chen. 1992.
  • Wort­klau­be­rin Erika: Blick und Blick­rich­tung im Kino
  • Zeit­schrift „Frauen und Film“: www​.frau​en​und​film​.de
Ein Bei­trag zum Spe­cial #Kun­ter­bunt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Bil­der: Para­mount Pictures

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