Die Rückkehr des gruseligsten Personalpronomens

by Geschichtenerzähler Adrian

Mit „Es“ (2017) macht sich der argen­ti­ni­sche Regis­seur Andrés Muschi­etti an eine erneute Ver­fil­mung des gleich­na­mi­gen Best­sel­lers von Hor­ror­au­tor Ste­phen King. Ob der erste Teil die­ses Hor­ror­klas­si­ker-Remakes einen wür­di­gen Auf­takt lie­fert, sagt euch Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian.

Die Geschichte von „Es“ beginnt 1988 in der ame­ri­ka­ni­schen Klein­stadt Derry im Bun­des­staat Maine. Der erkrankte Bill Denb­rough – auch bos­haft „Stot­ter-Bill“ genannt – sitzt mit sei­nem klei­nen Bru­der Geor­gie in sei­nem Zim­mer und baut ein Papier­boot. Die­ses will Geor­gie im Rinn­stein schwim­men las­sen, da wegen eines Unwet­ters die Stra­ßen von Derry voll­kom­men über­schwemmt sind.

Durch eine unglück­li­che Fügung kann er jedoch nicht ver­hin­dern, dass das Boot in der Kana­li­sa­tion lan­det. Bei dem Ver­such, es im Dun­keln des Gul­lys doch noch zu fin­den, macht Geor­gie Bekannt­schaft mit Pen­ny­wise, dem tan­zen­den Clown – gespielt von Bill Skarsgård – wel­cher in der Kana­li­sa­tion zu woh­nen scheint. Zuerst nett und freund­lich, nutzt Pen­ny­wise schließ­lich einen unacht­sa­men Moment, um Geor­gie in sein nas­ses Heim zu ziehen.

Monate spä­ter im Jahr 1989 setzt die Geschichte wie­der ein. Geor­gie ist nicht das ein­zige Kind, wel­ches in Derry ver­schwun­den ist. Die Rate an Ver­miss­ten­fäl­len ist seit Beginn der Geschichte ste­tig gestie­gen und reißt schein­bar nicht ab. Bill, der sich selbst Mit­schuld an dem Ver­schwin­den sei­nes klei­nen Bru­ders gibt, ist fest davon über­zeugt, dass Geor­gie noch lebt und ver­sucht ihn mit allen Mög­lich­kei­ten zu fin­den. Er bit­tet seine Freunde, den Hypo­chon­der Eddie, der dem Juden­tum ange­hö­ri­gen Stan­ley und die Quas­sel­strippe Richie mit ihm zusam­men die Kana­li­sa­tion zu erkun­den, wo er sei­nen Bru­der vermutet.

Am Kana­li­sa­ti­ons­zu­gang in den Bar­rons – einem Fluss – tref­fen sie auf Ben, einen dick­li­chen Jun­gen, der gerade vor dem Stadt­be­kann­ten Schul­schlä­ger Henry Bowers und sei­nen Kum­pa­nen davon­läuft. Als die Freunde den blu­ten­den Ben ver­arz­ten wol­len, hilft ihnen Beverly – die in der Schule als Schlampe titu­liert wird – Ver­bands­zeug aus der Apo­theke zu steh­len. Schließ­lich hel­fen sie noch dem afro­ame­ri­ka­ni­schen Jun­gen Mike, eben­falls einer Schi­kane durch Henry Bowers zu ent­kom­men. Die Kin­der schlie­ßen sich dar­auf­hin zum „Club der Loser“ zusam­men. Ver­bun­den durch ihren Sta­tus als Außen­sei­ter und ihren eige­nen Erfah­run­gen mit Pen­ny­wise, wol­len sie das Geheim­nis hin­ter den Ver­miss­ten­fäl­len und dem mör­de­ri­schen Clown auf­klä­ren. All dies scheint sich näm­lich alle 27 Jahre zu wiederholen.

Einige Unter­schiede und Gemeinsamkeiten

Der wohl prä­gnan­teste Unter­schied zum Roman von King ist, dass die Geschichte nicht zwi­schen Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart hin und her wech­selt, son­dern chro­no­lo­gisch erzählt wird. Somit sind die Erleb­nisse der Kin­der nicht nur ver­ein­zelte Erin­ne­rungs­stü­cke ihrer erwach­se­nen Gegen­parts, son­dern wer­den als eine zusam­men­hän­gende Geschichte prä­sen­tiert – wel­che auch nicht durch das Tei­len in zwei Kapi­tel abge­schnit­ten wird, wie in der ers­ten Buch-Ver­fil­mung von 1990. Man geht mit dem Gefühl aus dem Kino, eine abge­schlos­sene Hand­lung gese­hen zu haben.

Ebenso anzu­mer­ken ist, dass der Zeit­raum, in dem sich die Geschichte abspielt, um drei­ßig Jahre in die Zukunft ver­scho­ben wurde. Beginnt das Buch noch 1958, setzt der Film erst 1988 ein. Schön ist, dass der kom­plette Pro­log – die Geschichte um Geor­gies Ver­schwin­den – fast eins zu eins dem Buch nach­er­zählt ist. Auch die erste Begeg­nung zwi­schen Ben Hans­com und Henry Bowers ist sehr akku­rat dem Buch nach­emp­fun­den. Jedoch wur­den Hand­lun­gen und Kon­texte eini­ger Cha­rak­tere abge­än­dert – lei­der auch zum Nega­ti­ven. So ver­kommt etwa Mike, der im Buch erst den Stein des Ansto­ßes für die Recher­che um Der­rys Geschichte lie­fert, zu einem etwas farb­lo­sen Cha­rak­ter. Sei­nen Part über­nimmt nun Ben.

Die Sache mit der Angst

„Es“ schafft es wirk­lich gut, die Ängste der Kin­der ein­zu­fan­gen und sie gegen sie ein­zu­set­zen. Jedoch schwä­chelt der Film in den fal­schen Momen­ten. Zwar geht die Ver­fil­mung ganze 135 Minu­ten, den­noch wirkt es so, als wolle sie zu viel erzäh­len. So bedient sich der Film teil­weise bil­li­ger Jump Sca­res, um Hor­ror­se­quen­zen zwar effekt­voll, jedoch zu abrupt zu Ende zu brin­gen. Er ver­sucht damit mehr Zeit für andere Sachen zu schaf­fen. Einige Sze­nen, in denen die Kin­der Hor­ror­vi­sio­nen durch Pen­ny­wise haben, hät­ten gerne län­ger sein kön­nen, sodass sich der Hor­ror rich­tig hätte ent­fal­ten kön­nen – bei­spiels­weise Bens erste Begeg­nung mit Pen­ny­wise in der Bibliothek.

Auch die Musik rückt etwas zu sehr in den Hin­ter­grund. Eigent­lich tut es einem Hor­ror­film ganz gut, wenn die Musik nicht zu domi­nant ist, son­dern den Zuschau­ern unter­be­wusst ein mul­mi­ges Gefühl ver­mit­telt. Lei­der ver­spielt „Es“ hier etwas seine Kar­ten, denn die Musik ist kaum bis gar nicht prä­sent – abge­se­hen von den teils etwas unpas­send gewähl­ten Pop- und Rock­ti­teln. Mehr zu Pen­ny­wise pas­sende Jahr­markts­mu­sik, wie in der ers­ten Begeg­nung zwi­schen Geor­gie und Es, hätte vie­len Sze­nen gut getan.

ES gucken oder ES lassen?

Trotz eini­ger Kri­tik­punkte ist das erste Kapi­tel der neuen „Es“-Verfilmung recht gelun­gen. Der Film schafft es, Hor­ror zu erzeu­gen und Bill Skarsgård ist als Pen­ny­wise über­zeu­gend – auch wenn man dar­über strei­ten könnte, ob er an Tim Cur­rys Per­for­mance im 1990er-Film her­an­reicht. Sehr posi­tiv sind zudem die Kin­der­dar­stel­ler auf­ge­fal­len, die eine glaub­wür­dige Per­for­mance ablie­fern. Wie erwähnt, geht man zufrie­de­ner aus dem Kino, da die Geschichte abge­schlos­se­ner wirkt. Alles in allem kann man sehr gespannt sein, wie Regis­seur Andrés Muschi­etti das zweite Kapi­tel von „Es“ insze­nie­ren wird – vor­aus­sicht­lich wird die­ser Teil 2019 erscheinen.

Es. Regie: Andrés Muschi­etti. Dreh­buch: C. Pal­mer et. al. Mit u.a. J. Lie­ber­her, F. Wolf­hard, S. Lil­lis. War­ner Bros. USA, Canada, 2017. FSK 16.

Ein Fund aus der Todes­stadt.

Illus­tra­tion: Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina

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2 comments

Geschichtenerzähler Adrian 18. Oktober 2017 - 20:39

Anmer­kung des Autors:
Die­ser Text ist mit der Mit­hilfe von Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina ent­stan­den, wel­che nicht nur die Illus­tra­tion für die­sen Text lie­ferte, son­dern auch als wich­tige, bera­tende Rolle fungierte.

Reply
Ich glaube, ich spinne, schon wieder dieser Clown – Bücherstadt Kurier 25. Oktober 2019 - 19:50

[…] 2017 der erste Teil der Neu­ver­fil­mung von Ste­phen Kings Kult­klas­si­ker „Es“ große Erfolge fei­ern konnte, kommt 2019 nun Teil zwei des Hor­ror­er­folgs in die Kinos. […]

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