Die Schönheit im Unbedeutenden #litadvent

by Geschichtenbewahrerin Michaela

Wil­son Bent­ley ist ein jun­ger Bauer. Doch viel lie­ber, als sich um den Hof zu küm­mern, sam­melt er Schnee­kris­talle. Bei dem Duft von kara­mel­li­sier­tem Ahorn­si­rup bestaunt Geschich­ten­be­wah­re­rin Michaela Schnee­kris­talle in Titus Mül­lers „Der Schneekristallforscher“.

Ver­mont 1887. Wil­son Bent­ley lebt mit sei­nen Eltern, sei­nem älte­ren Bru­der und des­sen Frau und Kind auf einem Bau­ern­hof im klei­nen Ort Jeri­cho. Neben der täg­li­chen Arbeit auf dem Hof gehört auch das Anzap­fen von Bäu­men zur Ahorn­si­rup­ge­win­nung und das Kochen des Sirups zur Zucker­her­stel­lung dazu. Doch seine ganze Lei­den­schaft gehört Schnee­kris­tal­len. Er fängt sie auf und foto­gra­fiert sie mit Hilfe eines Mikroskops.

Für die Bewoh­ner von Jeri­cho und seine Fami­lie ergibt es kei­nen Sinn, was er macht. Es bringt kein Geld, um die Fami­lie zu ernäh­ren, und erfüllt auch sonst kei­nen erkenn­ba­ren Zweck. Und so ist Wil­son ein Son­der­ling in der klei­nen Dorf­ge­mein­schaft. Auch wenn ihn viele um die Frei­heit benei­den, die er sich nimmt, um zu tun, was er will. Ledig­lich bei sei­ner Mut­ter fin­det er Ver­ständ­nis. Als er die neue Leh­re­rin Mina See­ley ken­nen­lernt, hält auch sie ihn zunächst für ver­rückt. Trotz­dem inter­es­sie­ren die Fotos von den Schnee­kris­tal­len sie genauso wie der junge Mann und so beschließt Mina, ihn zu besu­chen. Wil­son war es bis jetzt nie so wich­tig, einem ande­ren Men­schen die Schön­heit und das Beson­dere von Schnee­kris­tal­len zu zei­gen. Es gelingt ihm tat­säch­lich und zwi­schen bei­den beginnt eine zarte Liebe zu wachsen.

„Er sah Schön­heit, wo jeder acht­los an ihr vor­über­ging.“ (S. 41)

„Der Schnee­kris­tall­for­scher“ ist eine kurze Geschichte, die viel Klu­ges zu sagen hat. Da ist jemand, der anders ist, der sich für Dinge inter­es­siert, die kei­nen Zweck zu haben schei­nen und wird als Son­der­ling, ver­ant­wor­tungs­los und welt­fremd ange­se­hen. Ein Mensch, der fähig ist, auch oder gerade über die klei­nen und unauf­fäl­li­gen Dinge zu stau­nen und sie zu ent­de­cken, ihre Schön­heit zu sehen und der es für Wert hält, sie zu erfor­schen. Dafür muss er nicht ein­mal eine Uni­ver­si­tät besucht haben.

„Gehen Sie ihren Weg, ich beschwöre Sie. Las­sen Sie sich von nie­man­dem ein­re­den, ein Schnee­kris­tall ist wert­los.“ Das ist eine Zeile aus Minas Brief. Und gibt es nicht für jeden sei­nen ganz per­sön­li­chen Schneekristall?

Wil­son Bent­ley gab es wirk­lich. Er lebte von 1865 bis 1931 und gilt als Pio­nier der Schneeforschung.

Der Schnee­kris­tall­for­scher. Titus Mül­ler. Adeo Ver­lag. 2013.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #lit­ad­vent. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Weiterlesen

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr