Die schönste Monsterjagd seit langem Themenreihe: Open World Games

by Bücherstadt Kurier

Seit Net­flix im Jahr 2019 die Serie „The Wit­cher“ her­aus­ge­bracht hat, ist die Story um den Hexer Ger­alt von Riva wie­der prä­sen­ter. Im Rah­men unse­rer Reihe „Open World Games“ ver­öf­fent­li­chen wir die Rezen­sion von Stadt­be­su­cher Max Schett­ler zu „The Wit­cher 3: Wild Hunt“, die bereits 2015 in Aus­gabe 18 erschie­nen ist, noch einmal.

Mythen sind in der Welt des „Wit­chers“ lei­der nicht so harm­los wie in der unse­ren, son­dern häu­fig über­ra­schend schnell, bis­sig und ten­den­zi­ell humor­los. Vam­pire, Ghule und Wer­wölfe gehö­ren hier zur Tages­ord­nung und machen der Bevöl­ke­rung das Leben schwer. Davon pro­fi­tiert der Prot­ago­nist, Ger­alt von Riva, ein Hexer, der sol­che Unge­heuer besei­tigt. Soweit so klischeehaft.

Kein Held in strah­len­der Rüstung

Doch wie im ech­ten Leben ist es auch beim Wit­cher nicht immer so ein­fach. Ger­alt ist kein Held in strah­len­der Rüs­tung. Das Mons­ter­tö­ten ist sein Beruf und das will er sich ent­spre­chend ent­loh­nen las­sen. Auf der ande­ren Seite sind die Mons­ter häu­fig nicht böse, son­dern han­deln aus nach­voll­zieh­ba­ren Moti­ven, was es nicht unbe­dingt erleich­tert, sie zu erledigen.

Im Pro­log wird man bereits damit kon­fron­tiert: Ein Greif, der die Bau­ern angreift, möchte eigent­lich nur unge­stört brü­ten, bis die lokale Gar­ni­son sein Nest zer­stört und seine Gefähr­tin ermor­det. Diese Welt in der Grau­zone ver­leiht dem Spiel sei­nen beson­de­ren Reiz. Wo die Spie­ler in ande­ren Spie­len gar keine irrele­van­ten oder klar bewer­te­ten Ent­schei­dun­gen tref­fen müs­sen, stehe ich hier häu­fig vor einem ech­ten Dilemma. Eigent­lich ist keine der Optio­nen mora­lisch rich­tig und die Kon­se­quen­zen unab­seh­bar. Wenn es ginge, würde ich mich am liebs­ten über­haupt nicht ent­schei­den – fast so wie im ech­ten Leben.

Als ob all dies noch nicht genug wäre, wird Ger­alt noch in die Hand­lung ver­strickt. Allem Anschein nach hat es die „Wilde Jagd“ auf Ger­alts Zieh­toch­ter Ciri abge­se­hen. Sie ist durch ihre Abstam­mung mit beson­de­ren Kräf­ten aus­ge­stat­tet, die sie in der Ver­gan­gen­heit schon öfter in Schwie­rig­kei­ten gebracht haben. Die Suche nach Ciri führt an aller­hand alten Bekann­ten vor­bei, sowohl aus den Büchern als auch den vor­her­ge­hen­den Spie­len, ins­be­son­dere an den Zau­be­rin­nen Triss Meri­gold und Yenne­fer Ven­ge­berg. Mit ihnen hat Ger­alt eine intime Ver­gan­gen­heit, was nun wie­der für Span­nun­gen und wei­tere Ent­schei­dun­gen sorgt.

Eine offene Welt

Die Spie­ler tau­chen nach einem kur­zen Intro direkt in die Welt ein. Dabei steu­ern sie Ger­alt aus der Schul­ter­per­spek­tive durch die atem­be­rau­bend schöne Land­schaft. Es dau­ert nicht lange, bis die ers­ten Geg­ner auf­tau­chen, die aber schnell erle­digt sind. Dank des jeder­zeit ein­stell­ba­ren Schwie­rig­keits­gra­des ist das Spiel zugäng­lich für eine große Band­breite an Spielern.

Zum ers­ten Mal in der Spiel­se­rie kön­nen Spie­ler eine offene Welt erkun­den, die sich aus Sumpf­land­schaf­ten, ber­gi­ger Umge­bung, einer Stadt und Farm­land zusam­men­setzt. Diese Schau­plätze sind aus den Büchern zwar bekannt, waren aber bis­her nicht Teil der direk­ten Hand­lung, son­dern waren mehr in Rück­blen­dun­gen vor­han­den. Nach dem Pro­log geht die Reise zunächst in das Sumpf­ge­biet, wel­ches durch den herr­schen­den Krieg ver­wüs­tet wurde. Das sorgt für Nähr­stoff für Böses aller Art und somit auch Arbeit für Geralt.

Die Weite des Spiels ist gleich­zei­tig aber auch seine Schwä­che. Nicht jeder Cha­rak­ter, den man trifft, hat etwas Rele­van­tes zu sagen. Die Per­so­nen, mit denen man inter­agie­ren kann, sind beson­ders mar­kiert. Das stört die Atmo­sphäre. Eine klei­nere dich­tere Welt wäre viel­leicht stim­mi­ger gewe­sen. Abge­se­hen davon wirkt die Welt aus einem Guss und hat an allen Ecken und Enden etwas Inter­es­san­tes zu bie­ten. Die Neben­auf­ga­ben sind lie­be­voll erstellt und span­nend lös­bar. Auch bei die­sen Auf­ga­ben gilt es, häu­fig Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Bei den Dia­lo­gen hat man stets die Mög­lich­keit zu ent­schei­den, wie das Gespräch ver­lau­fen soll. Dadurch kann man sich sehr gut mit dem Prot­ago­nis­ten iden­ti­fi­zie­ren und aktiv die Ent­wick­lung sei­nes Cha­rak­ters mitgestalten.

Zusätz­lich zu den glaub­wür­di­gen Cha­rak­te­ren sorgt die Gra­fik für eine tolle Atmo­sphäre. Die Wind- und Wet­ter­ef­fekte las­sen einen Sturm der­art rea­lis­tisch erschei­nen, dass man sich beim nächs­ten Unter­stand ver­krie­chen will, um das schlechte Wet­ter abzu­war­ten. Das Spiel ist ein abso­lu­ter Hin­gu­cker gewor­den, sofern man einen leis­tungs­fä­hi­gen Rech­ner hat.

Gelun­ge­nes Rol­len­spiel für Erwachsene

Wenn man es schafft, sich von der Aus­sicht oder den Neben­tä­tig­kei­ten los­zu­rei­ßen, kann man sich der tat­säch­li­chen Hand­lung des Spiels wid­men. Diese ist, wie die der ande­ren Spiele auch, zeit­lich nach den Büchern ange­sie­delt. Die The­ma­tik der Bücher, die sich haupt­säch­lich um Ciri dreht, wird im neus­ten Teil stär­ker auf­ge­grif­fen. Ciri ist neben Ger­alt sogar ein spiel­ba­rer Cha­rak­ter. Mit Hin­blick auf die Vor­lage ist es nicht wei­ter ver­wun­der­lich, dass die „Wilde Jagd“ ein Inter­esse an ihr hat, da sie schon viel frü­her die Kräfte Ciris miss­brau­chen woll­ten. Ana­log zu den Büchern ist auch die Rolle des Hexers. Er begibt sich eher unfrei­wil­lig in die Gefilde der Mäch­ti­gen, die ver­su­chen, ihn für ihre Zwe­cke ein­zu­span­nen und aus­zu­nut­zen. Ger­alt gefällt das eher weni­ger, was sehr gut im Spiel dar­ge­stellt wird.

Der Abschluss der Wit­cher-Tri­lo­gie ist ein durch­weg gelun­ge­nes Rol­len­spiel für Erwach­sene. Die dichte Atmo­sphäre in der nicht-ste­reo­ty­pen Spiel­welt wird auf­ge­lo­ckert durch den rau­bei­ni­gen Humor Ger­alts und sei­nen zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen. Das hebt das Spiel stark aus dem Ein­heits­brei von Orks und Elfen her­vor. Als bis­her größ­tes Pro­jekt des Ent­wick­lers CD Pro­jekt RED wurde offen­kun­dig beson­ders Wert auf die Zugäng­lich­keit gelegt, sodass Neu­linge auch ohne Kennt­nis der vori­gen Teile einen leich­ten Ein­stieg in die Reihe fin­den. Wer Freude daran hat, sich für bis zu 120 Stun­den von einer fas­zi­nie­ren­den Welt auf­sau­gen zu las­sen, fin­det hier defi­ni­tiv Freude daran. Falls nach dem Spiel noch Lust auf mehr vor­han­den ist, soll­ten die bei­den vori­gen Teile und die fünf Bücher eine Weile unterhalten.

Buch: Das Erbe der Elfen. Andrzej Sap­kow­ski. Über­set­zung: Erik Simon. dtv. 2008. // Spiel: The Wit­cher 3: Wild Hunt. CD Pro­jekt RED. 2015. Ab 18 Jah­ren. // Screen­shots: CD Pro­jekt RED.

Ein Bei­trag zur The­men­reihe „Open World Games“. Vom 17. bis zum 25. Februar 2020 stel­len wir euch in der Spiel­straße anhand von auge­wähl­ten Open-World-Spie­len unter­schied­li­che Open-World-Kon­zepte vor. Hier wer­den alle Bei­träge gesam­melt. Wir wün­schen allen viel Freude beim Lesen und sind gespannt auf eure Kommentare!

Gra­fik (Open World Map): Satz­hü­te­rin Pia

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