Die Wissenschaft des Übernatürlichen Deutscher Buchpreis 2017

by Zeilenschwimmerin Ronja

Deut­scher Buch­preis 2017: Séan­cen sind in Lon­don in der zwei­ten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts total in. Betrug oder Aus­druck über­na­tür­li­cher Kräfte? Die­ser Frage ist Zei­len­schwim­me­rin Ronja in „Katie“ von Chris­tine Wun­ni­cke gefolgt.

Flo­rence Cook, ehe­mals ein kränk­li­ches Mäd­chen, avan­ciert schnell zum gefrag­tes­ten und ange­se­hens­ten Medium Lon­dons. Mit dem Erfolg steigt jedoch auch das Inter­esse der Zweif­ler. Sind Flo­rence und ihr mate­ria­li­sier­ter Geist Katie zwei (oder gar nur eine) geschickte Betrü­ge­rin­nen? Der Wis­sen­schaft­ler Wil­liam Croo­kes, spe­zia­li­siert auf Gut­ach­ten aller Art, erhält den Auf­trag, Flo­rence und Katie zu unter­su­chen. Croo­kes nimmt aller­lei Expe­ri­mente vor und hofft dabei gleich­zei­tig auf die Ent­de­ckung sei­nes Lebens.

Croo­kes Wis­sen­schaft und Flo­ren­ces Séan­cen ste­hen erst ein­zeln für sich, bis beide – gezwun­gen durch Miss­erfolg und äußere Ein­flüsse – auf­ein­an­der­tref­fen. Fortan beein­flus­sen sie sich gegen­sei­tig. Oder wer­den alle von Katie beein­flusst? Ist Katie real? Eine Frage, die eigent­lich nie end­gül­tig geklärt wird. Die Wis­sen­schaft steht hier vor einem Rät­sel. Aber es ist nur eines von vie­len. Croo­kes ist unter­wegs in meh­re­ren Natur­wis­sen­schaf­ten gleich­zei­tig. Er expe­ri­men­tiert und liest kreuz und quer, teils für Geld, teils, um jene Frage zu klä­ren, die ihn seit Jahr­zehn­ten umtreibt: Gibt es neben fest, flüs­sig und gas­för­mig noch einen vier­ten Aggre­gat­zu­stand? Auf diese Weise ist „Katie“ auch ein Roman über Wis­sen­schaft­ler und Wis­sen­schaf­ten, der mich ein wenig an „Die Ver­mes­sung der Welt“ von Daniel Kehl­mann erin­nerte. (Kleine Anmer­kung: Ich kenne nicht viele Romane auf die­sem Gebiet.)

„Die Mut­ter des Medi­ums war ein kräf­ti­ges Frau­en­zim­mer, schlicht und sau­ber geklei­det, mit einem stand­haf­ten Lächeln in ihrem von Natur aus säu­er­li­chen Gesicht. Sie hielt einen Beu­tel aus grü­nem Samt auf dem Schoß, des­sen Feder­ver­schluss sie ab und an schnap­pen ließ; laut­los zwar, aber läs­tig.“ (S. 75)

Es ist vor allem auch die Spra­che, die an „Katie“ so begeis­tert. Gleich­zei­tig leicht anti­quiert und den­noch modern und flüs­sig zu lesen. Chris­tine Wun­ni­ckes beschreibt ihre Cha­rak­tere kurz und sehr leben­dig. Es sind selt­same Gestal­ten, denen man da begeg­net, alle mit ihren Geheim­nis­sen und Feh­lern. Ins­be­son­dere Croo­kes und Flo­rence erschei­nen mehr als nur ein klein wenig ver­rückt. Gerade dies ist einer der Gründe, warum am Ende ein Zwei­fel bleibt, ob Katie nun Betrug oder Besu­che­rin aus einer ande­ren Sphäre ist. Die­ser Zwei­fel ist es, der „Katie“ zu einem gelun­ge­nen Werk der Phan­tas­tik macht.

Chrstine Wun­ni­cke war bereits 2015 mit „Der Fuchs und Dr. Shi­ma­mura“ für den Deut­schen Buch­preis nomi­niert. Nun steht sie also zum zwei­ten Mal auf der Lon­g­list. „Katie“ ist ein kur­zer, bild­haf­ter und sprach­lich künst­le­ri­scher Roman, für den ein Sprung auf die Short­list nicht aus­ge­schlos­sen erscheint.

Katie. Chris­tine Wun­ni­cke. Beren­berg. 2017.

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