Dracula, Dracula! (Teil I)

by Geschichtenzeichnerin Celina

Blut sau­gen, durch einen Pflock ster­ben und in den Hals jun­ger Frauen bei­ßen – schon anhand die­ser weni­gen Merk­male weiß jeder, worum es sich han­delt: Vam­pire, ins­be­son­dere Dra­cula. Erfun­den wurde Graf Dra­cula von Bram Sto­ker. Von die­sem Mythos geht wie­derum eine ganze Epi­de­mie von Vam­pirerzäh­lun­gen aus. Aber auch Dra­cu­las Geschichte selbst wurde oft neu inter­pre­tiert. Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina geht dem auf den Grund und ver­gleicht Roman, Ver­fil­mun­gen, Comi­c­ad­ap­tion und Parodie.

Bram Sto­kers ori­gi­na­ler Dra­cula-Roman aus dem Jahr 1897 ist eine Ansamm­lung von Tage­buch­ein­trä­gen und Brie­fen der Betei­lig­ten sowie Zei­tungs­be­rich­ten. Diese Berichte bewe­gen sich alle um den Mythos Dra­cula und erzäh­len seine Geschichte aus Sicht des jewei­li­gen Ver­fas­sers. Der Roman wirkt wie eine Samm­lung von Zeit­zeu­gen­aus­sa­gen. Am Anfang der Geschichte schreibt der Anwalt Jona­than Har­ker in sein Tage­buch. Darin wird erzählt, wie er aus geschäft­li­chen Grün­den Schloss Dra­cula auf­sucht, um mit dem Gra­fen Ver­träge für einen Wohn­sitz in Lon­don abzu­schlie­ßen. Schon hier berich­tet er von merk­wür­di­gen Bege­ben­hei­ten, die sich im Schloss ereig­nen, und sei­ner Angst vor dem Gra­fen. Er erkennt die dunk­len Machen­schaf­ten und beschließt zu flüchten.

Nach die­sem recht lan­gen Mono­log wird zu Brie­fen von Wil­hel­mina ‚Mina‘ Mur­ray – Hakers Ver­lob­ten – und ihrer Freun­din Lucy Wes­tenra gewech­selt, in denen es unter ande­rem um den zukünf­ti­gen Ehe­mann Lucys geht. Lucy hat meh­rere Bewer­ber um ihre Hand: Dr. John Seward, Lord Arthur Holm­wood und Quin­cey P. Mor­ris. Lucys Ange­wohn­heit zu schlaf­wan­deln, führt sie eines Nachts auf einen nahen Fried­hof. Dort wird sie, sit­zend auf einer Bank, von einem Geschöpf der Nacht gebis­sen. Dar­auf­hin ver­schlech­tert sich Lucys gesund­heit­li­cher Zustand und der hol­län­di­sche Pro­fes­sor Abra­ham van Hel­sing wird gerufen.

Beson­de­res fällt auf, dass bis hier­hin alle genann­ten Figu­ren ent­schei­dende Rol­len ein­neh­men. Dabei ent­steht ein Wech­sel­spiel zwi­schen Tage­buch­ein­trä­gen, Brie­fen, Zei­tungs­be­rich­ten und sogar Log­buch­ein­trä­gen eines Kapi­täns. Alles baut schlüs­sig auf­ein­an­der auf.

Spe­zi­fi­sche Romaneigenschaften

  1. Bram Sto­cker hat das Buch aus sei­ner Zeit her­aus­ge­schrie­ben. So sind vor­herr­schen­der Aber­glaube, aber auch stark christ­lich geprägte Sym­bole im Text zu fin­den. Bei­spiel­weise das Kru­zi­fix, wel­ches zur Abwehr von Vam­pi­ren eige­setzt wird, steht sinn­bild­lich für den Glau­ben, der somit über das Böse – hier dem Vam­pi­ris­mus – triumphiert.
  2. Das Bild vom Vam­pir wird in die­sem Roman so geprägt wie sonst nir­gends zuvor. Bes­ser gesagt: Hier wer­den die ent­schei­den­den Merk­male und Legen­den des Vam­pi­ris­mus zusam­men­ge­tra­gen, die bis in die Gegen­wart nach­hal­len. Ab die­sem Roman ent­stand ein gan­zer Kult an Vam­pir- und Werwolfs-Geschichten.
  3. Der Roman schafft es, authen­tisch zu wir­ken, durch die per­sön­li­chen Schrift­stü­cke, die wie Zeu­gen­aus­sa­gen erschei­nen. Hinzu kom­men die detail­lier­ten Dar­stel­lun­gen, wie jene vom Lei­dens­weg Lucys, bei wel­chem aller­hand Sym­ptome auf­ge­zeigt werden.

Die Dra­cula-Ver­fil­mung?

Über die Jahre hin­weg gab es zahl­rei­che Dra­cula-Film­ad­ap­tio­nen – wie jene mit Film­le­gende Chris­to­pher Lee – aber nur eine aus dem Jahr 1992 gibt sich den Namen „Bram Stoker’s Dra­cula“. Schon alleine mit dem Titel wird impli­ziert, sich beson­ders auf die Roman­vor­lage bezo­gen zu haben. In der ers­ten Sit­zung, wel­che die Schau­spie­ler mit dem Regis­seur hat­ten, haben diese den Roman laut und in Rol­len gele­sen, um auf die­sen bewuss­ter ein­ge­hen zu kön­nen. Aber ist dies eine eins zu eins Romanverfilmung?
Es gibt durch­aus Gemein­sam­kei­ten, aber ebenso Unter­schiede zum Buch. Was nicht zuletzt auch damit zu tun hat, dass es sich um ein ande­res For­mat – einen Film – zur Wie­der­gabe des Stof­fes han­delt. 

Gegen­über­stel­lung

Im Roman steht der vam­pi­risch-mys­te­riöse Fall im Vor­der­grund, wäh­rend im Film der Graf selbst als Cha­rak­ter genauer beleuch­tet wird. Es kommt zur Ver­schie­bung, sodass Dra­cula zum Haupt­prot­ago­nis­ten wird. Er bekommt daher die erste Szene des Films ein­ge­räumt, in der seine Vor­ge­schichte erzählt wird. Dra­cula – ehe­mals der rumä­ni­sche Fürst Vlad III. Tepes Drá­cu­lea – erfährt bei sei­ner Rück­kehr von einer erfolg­rei­chen Schlacht vom Selbst­mord sei­ner Frau Eliza­beta. Für die Kir­che ist Selbst­mord eine Sünde, wodurch ihr der Him­mel ver­sagt bleibt. Vlad fühlt sich von Gott betro­gen und schän­det einen Altar mit Blut, wodurch er zu ewi­gem Leben ver­dammt wird.

Der Film erzählt die Geschichte dra­ma­ti­scher als der Roman, in dem eine Lie­bes­ge­schichte zwi­schen Dra­cula und Eli­sa­be­tha, sei­ner ers­ten Frau, sowie spä­ter Mina – wel­che Eliza­beta zum Ver­wech­seln ähn­lich sieht – hin­zu­ge­fügt wurde. Gleich­zei­tig erscheint Dra­cula mensch­li­cher, weil er Gefühle zeigt. Die Rolle des Gra­fen wird zu einer, die zwi­schen Ver­zweif­lung, Liebe und Blut­durst schwankt und mit Gary Old­man eine gera­dezu ideale Beset­zung erhält. Wie man in „The Making of Bram Stoker’s Dra­cula Bloo­d­li­nes“ sehen kann, ist diese emo­tio­nale Dar­stel­lung so gewollt. Die Ver­fil­mung möchte mehr als ein Hor­ror­film sein und Dra­cula tief­ge­hen­der als Per­son in Szene set­zen, was durch­aus gelun­gen ist. Vom Ori­gi­nal hebt sich zudem Minas Rolle ab. Durch die ein­ge­baute Lie­bes­ge­schichte scheint sie mehr hin- und her­ge­ris­sen zwi­schen der Liebe zu Dra­cula und zu Jonathan.

Eine Bezug­nahme zu den Schrift­stü­cken im Roman ist im Film zu sehen. An eini­gen Stel­len wer­den bei­spiel­weise Jona­than Har­kers auf­ge­schla­gene Tage­bü­cher oder Mina beim Schrei­ben an ihrem Tage­buch auf der Schreib­ma­schine gezeigt. Dabei wird aus­zugs­weise der Text vom jewei­li­gen Cha­rak­ter gespro­chen. Aller­dings ist dies hier, da es sich um das Medium Film han­delt, nur eine Neben­er­schei­nung, aber den­noch eine Art kleine Hom­mage an den Roman.

Hin­zu­fü­gend lässt sich noch sagen, dass ich, als ich den Film gese­hen habe, teil­weise ver­wirrt war, weil es manch­mal etwas durch­ein­an­der ging. Hier und da ent­stan­den für mich Fra­ge­zei­chen, wo schlicht­weg Über­gänge fehl­ten. Im Roman wurde dar­auf geach­tet, logi­sche Schluss­fol­ge­run­gen auf­zu­zei­gen. Die Fra­ge­zei­chen im Film könn­ten daher rüh­ren, dass bei der ande­ren Art des Erzäh­lens nicht dar­auf geach­tet wurde die Lücken des Romans zu schlie­ßen. Im Roman ist es logisch, dass ein Auf­bau aus ver­schie­de­nen Doku­men­ten und Sicht­wei­sen Lücken auf­weist, da eine Per­son nur ganz spe­zi­fi­sche Momente wie­der­ge­ben kann. Dar­aus ergibt sich erst nach und nach ein Gesamt­bild. Bei der Ver­fil­mung jedoch wird Dra­cula von Vorn­her­ein an sich beleuch­tet. So ist er zum Bei­spiel erst alt, dann ein Wolf und dar­auf­hin ein jun­ger Mann. Hier kann man sich fra­gen, wie das zu Stande kommt.

Ein­zig­ar­tige Fri­sur, Kos­tüme und Bühnenbilder

Solch eine Dra­cula-Fri­sur – hier ist die weiße Haar­pracht des älte­ren Dra­cula gemeint – hatte man zuvor noch nicht gese­hen. Die Fri­sur mutet etwas merk­wür­dig an, doch einen blei­ben­den Ein­druck hin­ter­lässt sie schon. Mal abge­se­hen von die­ser Perü­cke weist der Film ein beein­dru­cken­des Büh­nen­bild und auf­wen­dig, detail­liert designte Kos­tüme auf. Eiko Ishioka erhielt daher für das Beste Kos­tüm­de­sign auch eine Oscar­no­mi­nie­rung. Auf­fäl­lig bei eini­gen Kos­tü­men ist der Rück­be­zug auf den Wie­ner Maler Klimt. Die­ser hat vie­les im Jugend­stil dar­ge­stellt und eines sei­ner bedeu­tens­ten Werke ist „Der Kuss“. Lei­der ist das Gewand, wel­ches sich spe­zi­ell auf die­ses Werk bezieht, nur zwei Mal kurz im Film zu sehen: Zum einen, als sich Dra­cula aus sei­ner Gruft erhebt und zum ande­ren in der Endszene.

Wei­ter­hin spielt der Film mit der Sym­bo­lik von Far­ben. Bei­spiel­weise trägt Lucy zu Beginn des Films rela­tiv schlichte Klei­der, aber in dem Moment, wo Dra­cula sie ver­führt, trägt sie ein oran­ge­ro­tes Kleid, wel­ches einen Kom­ple­men­tär­kon­trast zur grü­nen Umge­bung bil­det. Sie wirkt so ero­ti­scher und wil­der als zuvor. Eine spe­zi­fi­sche Atmo­sphäre baut eben­falls das Spiel mit Schat­ten auf. Bereits im Film „Nos­fe­ratu“ von 1922, mit Max Schreck in der Haupt­rolle, wird ein legen­dä­res Schat­ten­spiel insze­niert. Auch „Bram Stoker’s Dra­cula“ taucht in diese Tra­di­tion ein. Bemer­kens­wert ist zudem, dass es für die End­szene zwei Vari­an­ten gibt. Diese ver­än­dern das Gefühl, mit wel­chem die Zuschauer aus dem Film ent­las­sen wer­den. Um nicht zu viel vor­weg zu neh­men: Die zweite Ver­sion kann auf You­Tube im Video der Dele­ted Sce­nes ange­se­hen werden.

Ein Fund aus der Todes­stadt. Über Dra­cula gibt es noch viel mehr zu berich­ten. Seid gespannt auf den zwei­ten Teil von Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina und lasst euch bis dahin nicht beißen.

Illus­tra­tio­nen: Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina

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