Drei mal drei macht fünfundsiebzig Pippi Langstrumpf feiert Geburtstag

by Worteweberin Annika

Zum Glück hat sie damals die Krum­mu­lus-Pil­len genom­men, sonst hätte sich Astrid Lind­grens Pippi Lang­strumpf in den 75 Jah­ren seit ihrem Erschei­nen viel­leicht nicht so gut gehal­ten. In „Hel­din, Ikone, Freun­din“ fei­ert ihr deut­scher Ver­lag Oetin­ger das Jubi­läum – und Worte­we­be­rin Annika fei­ert mit.

Sie stemmt ihr Pferd „Klei­ner Onkel“ in die Höhe, sucht nach dem geheim­nis­vol­len Spunk, füt­tert ältere Män­ner mit Löwen­zahn, backt rie­sige Pfef­fer­ku­chen und scho­ckiert regel­mä­ßig die Erwach­se­nen in ihrem Dorf. Die Rede ist natür­lich von Pippi Lang­strumpf, deren Geschich­ten wohl fast jedes Kind kennt – zumin­dest wur­den die erfolg­rei­chen Bücher der Schwe­din Astrid Lind­gren bis heute in 77 Spra­chen über­setzt und begeis­tern ihre Lese­rin­nen und Leser seit Genera­tio­nen. Den Erfolg des rot­haa­ri­gen Mäd­chens mit den Bären­kräf­ten wür­digt der Oetin­ger Ver­lag im Cof­fee-Table-Book „Hel­din, Ikone, Freun­din“. In viel­fäl­ti­gen Bei­trä­gen – von Inter­views, wis­sen­schaft­li­chen Bei­trä­gen bis Anek­do­ten ist alles dabei – wid­men sich ganz unter­schied­li­che Autorin­nen und Autoren dem Pippi-Phänomen.

Zwi­schen Super­man und Lillifee

Im ers­ten Kapi­tel beschäf­tigt sich das groß­for­ma­tige Buch mit der Ent­ste­hung der „Pippi Langstrumpf“-Geschichten am Kran­ken­bett von Astrid Lind­grens Toch­ter Karin. Inter­es­sant sind hier vor allem die abge­druck­ten Ori­gi­nal­do­ku­mente, die die Ableh­nung des Manu­skripts beim Bon­nier Ver­lag zei­gen. Außer­dem ist nach­zu­le­sen, was „Super­man“ mit der Geburt von Pippi Lang­strumpf zu tun hat und wie Astrid Lind­gren den Weg zur Ver­öf­fent­li­chung in ihrer Geschichte über den Räu­ber Assar Bub­bla selbst augen­zwin­kernd beschreibt. Dadurch, dass sich der Band aus vie­len Bei­trä­gen unter­schied­li­cher Autorin­nen und Autoren zusam­men­setzt, kommt die Hin­ter­grund­ge­schichte immer wie­der zur Spra­che. Das wirkt red­un­dant, wenn man den Band von vorne bis hin­ten liest. Wer sich jedoch durch „Hel­din, Ikone, Freun­din“ blät­tert und das Buch arti­kel­weise ent­deckt, wird daran sicher­lich kei­nen Anstoß nehmen.

Im zwei­ten Kapi­tel geht es um Pip­pis Rolle als unan­ge­passte Rebel­lin. In kur­zen Auf­sät­zen beschrei­ben Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler und ‑wis­sen­schaft­le­rin­nen hier, wie Pippi Ideale von Weib­lich­keit und Hei­me­lig­keit sabo­tiert, warum sie nichts mit Prin­zes­sin Lil­li­fee zu tun hat und warum sie so viel Chaos ver­ur­sacht. Das ist sehr auf­schluss­reich, teil­weise hat man aber das Gefühl, dass die Auf­sätze auf den weni­gen Sei­ten etwas zu viel wol­len. Dar­un­ter lei­det die Argu­men­ta­ti­ons­lo­gik und ein Publi­kum ohne wis­sen­schaft­li­chen Hin­ter­grund könnte sich zum Bei­spiel vom Text von Bar­bara Vin­ken schlicht über­for­dert füh­len. Andere, wie der Arti­kel über Pip­pis Spra­che, sind hin­ge­gen sehr erhel­lend und gut ver­ständ­lich geschrieben.

Von Pippi Långstrump bis Fifi Brindacier

Im drit­ten Teil wid­met sich der Band Pip­pis Sie­ges­zug in Deutsch­land: Hier wird the­ma­ti­siert, wie das Buch beim damals noch ganz klei­nen Fried­rich Oetin­ger Ver­lag plat­ziert wurde, es geht um Pippi in der DDR und die Illus­tra­to­rin der neuen deut­schen Aus­ga­ben, Kat­rin Engel­king, und Eva Mat­tes als Pip­pis deut­sche Syn­chron­stimme kom­men zu Wort. Inter­na­tio­nal hin­ge­gen wird es im fol­gen­den fünf­ten Abschnitt, in dem Pip­pis Weg durch die weite Welt der Lite­ra­tur beschrie­ben wird. So erfährt man, warum Fifi Brin­dacier in Frank­reich lange ein Flop war und Lind­grens Geschichte in Süd­afrika auf Afri­kaans viel bes­ser funk­tio­nierte als auf Eng­lisch – der Schlüs­sel sind natür­lich neben den kul­tu­rel­len Bege­ben­hei­ten auch immer die Über­set­zun­gen, die ganz unter­schied­lich mit einem Text umge­hen kön­nen. Nach­zu­le­sen ist auch die Geschichte der Pippi-Ver­fil­mun­gen – begin­nend mit einer von Astrid Lind­gren ver­ab­scheu­ten und nie auf DVD ver­öf­fent­lich­ten Kino­ver­sion. Die Fern­seh­se­rie sowie die daran anschlie­ßen­den Filme mit Inger Nils­son hin­ge­gen sind welt­be­kannt. Dass in ihnen auch der berühmte For­schungs­rei­sende Thor Heyer­dahl als Sta­tist mit­wirkte und wie die Spe­zi­al­ef­fekte zu dama­li­gen Zei­ten umge­setzt wer­den konn­ten, davon erzählt Johan Erséus in einem inter­es­san­ten Beitrag.

Abschlie­ßend wid­met sich das fünfte Kapi­tel Pippi als State­ment. Hier kön­nen Pippi-Tat­toos und –Graf­fi­tis bestaunt wer­den, außer­dem fol­gen per­sön­li­che Anek­do­ten deut­scher Schrift­stel­le­rin­nen. Nicht alle berich­ten so durch­weg posi­tiv von Pippi wie die vori­gen Bei­träge, was für ein Abschluss­ka­pi­tel ungüns­tig erscheint. Da der Rest von „Hel­din, Ikone, Freun­din“ aber viel Spaß macht, kann man das ver­schmer­zen – und sich den vori­gen Kapi­teln ein­fach aus­führ­li­cher wid­men (das dann auch gerne immer wie­der). „Jetzt wol­len wir fei­ern, dass die ganze Villa Kun­ter­bunt kracht!“, sagt Pippi in einer Geschichte. Eine wun­der­bare Art, die schwe­di­sche Super­hel­din zu fei­ern, ist ganz ein­deu­tig das Stö­bern in „Hel­din, Ikone, Freundin“!

Pippi Lang­strumpf. Hel­din, Ikone, Freun­din. Astrid Lind­gren u.a. Oetin­ger Ver­lag. 2020.

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